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Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895.

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ist, dann, wenn sich Haschisch in diesem Gehirn findet, auch Psiche in irgend einer Form mit Haschisch verknüpft sein kann, das kann vor meinem Begreifen bestehen. Aber, dass Gehirn oder Haschisch zu Psiche wird, das kann mein Begreifen nicht fassen. Nehme ich also als leztes Refugium die Möglichkeit als gegeben, dass Gehirn und Psiche ein gleichzeitiger, auf fremde Ursache zurük zuführender, aber identischer Prozess ist, dann schränkt sich meine Untersuchung über die Möglichkeit des Enstehens von Haschisch-Psiche aus Haschisch zu der rein mechanischen Untersuchung ein, wie Haschisch-Moleküle im Erscheinungs-Leben neben Gehirnmolekülen zu liegen kommen können, und wie sich diese gegenseitig berühren und verändern; eine Frage, die mein Denken nichts weiter angeht. -

So wenig also meine idealistische Auffassung von dem rein illusorischen Wert der Erscheinungswelt durch das Experiment alterirt werden könnte, wenn Jemand vor meinen Augen gelbe und blaue Farbe zu Grün mischte, eine Untersuchung atomistischer Art, die es mit dem zufälligen Nebeneinanderliegen von Gelb und Blau in der Erscheinungswelt, der Faserschicht meines Auges etc. aber nicht mit meiner Psiche zu thun hätte, so wenig kann von meinem transzendentalen Standpunkt aus die scheinbare Entstehung von Haschisch-Psiche aus Haschisch sich zu einer Schwierigkeit transzendentaler Art gestalten.

Viel plausibler liegt uns die Sache bei der Frage der Beeinflussung der Psiche durch Musik. Hier, wo - nach heutiger Auffassung - nichts Materjelles in unser Gehirn dringt, wird Niemand zu der Meinung kommen: Musik kreire Psiche; sondern wird ihr nur einen richtenden, ordnenden Einfluss auf bereits vorhandene Psiche zulassen. Denke ich mir also meinen Geist, meine Gemütslage, als einen stets vorwärts drängenden Strom von Erregung, mit dem Körperlichkeit, Aussenwelt, zugleich als Erscheinung gegeben ist, dann ist die Frage nach der Beeinflussung von Psiche durch Musik lediglich die nach der Ko-Existenz von Schallwellen und Gehirnmolukülen, deren Beantwortung der Erscheinungswelt zufält.

ist, dann, wenn sich Haschisch in diesem Gehirn findet, auch Psiche in irgend einer Form mit Haschisch verknüpft sein kann, das kann vor meinem Begreifen bestehen. Aber, dass Gehirn oder Haschisch zu Psiche wird, das kann mein Begreifen nicht fassen. Nehme ich also als leztes Refugium die Möglichkeit als gegeben, dass Gehirn und Psiche ein gleichzeitiger, auf fremde Ursache zurük zuführender, aber identischer Prozess ist, dann schränkt sich meine Untersuchung über die Möglichkeit des Enstehens von Haschisch-Psiche aus Haschisch zu der rein mechanischen Untersuchung ein, wie Haschisch-Moleküle im Erscheinungs-Leben neben Gehirnmolekülen zu liegen kommen können, und wie sich diese gegenseitig berühren und verändern; eine Frage, die mein Denken nichts weiter angeht. –

So wenig also meine idealistische Auffassung von dem rein illusorischen Wert der Erscheinungswelt durch das Experiment alterirt werden könnte, wenn Jemand vor meinen Augen gelbe und blaue Farbe zu Grün mischte, eine Untersuchung atomistischer Art, die es mit dem zufälligen Nebeneinanderliegen von Gelb und Blau in der Erscheinungswelt, der Faserschicht meines Auges etc. aber nicht mit meiner Psiche zu thun hätte, so wenig kann von meinem transzendentalen Standpunkt aus die scheinbare Entstehung von Haschisch-Psiche aus Haschisch sich zu einer Schwierigkeit transzendentaler Art gestalten.

Viel plausibler liegt uns die Sache bei der Frage der Beeinflussung der Psiche durch Musik. Hier, wo – nach heutiger Auffassung – nichts Materjelles in unser Gehirn dringt, wird Niemand zu der Meinung kommen: Musik kreïre Psiche; sondern wird ihr nur einen richtenden, ordnenden Einfluss auf bereits vorhandene Psiche zulassen. Denke ich mir also meinen Geist, meine Gemütslage, als einen stets vorwärts drängenden Strom von Erregung, mit dem Körperlichkeit, Aussenwelt, zugleich als Erscheinung gegeben ist, dann ist die Frage nach der Beeinflussung von Psiche durch Musik lediglich die nach der Ko-Existenz von Schallwellen und Gehirnmolukülen, deren Beantwortung der Erscheinungswelt zufält.

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[41/0042] ist, dann, wenn sich Haschisch in diesem Gehirn findet, auch Psiche in irgend einer Form mit Haschisch verknüpft sein kann, das kann vor meinem Begreifen bestehen. Aber, dass Gehirn oder Haschisch zu Psiche wird, das kann mein Begreifen nicht fassen. Nehme ich also als leztes Refugium die Möglichkeit als gegeben, dass Gehirn und Psiche ein gleichzeitiger, auf fremde Ursache zurük zuführender, aber identischer Prozess ist, dann schränkt sich meine Untersuchung über die Möglichkeit des Enstehens von Haschisch-Psiche aus Haschisch zu der rein mechanischen Untersuchung ein, wie Haschisch-Moleküle im Erscheinungs-Leben neben Gehirnmolekülen zu liegen kommen können, und wie sich diese gegenseitig berühren und verändern; eine Frage, die mein Denken nichts weiter angeht. – So wenig also meine idealistische Auffassung von dem rein illusorischen Wert der Erscheinungswelt durch das Experiment alterirt werden könnte, wenn Jemand vor meinen Augen gelbe und blaue Farbe zu Grün mischte, eine Untersuchung atomistischer Art, die es mit dem zufälligen Nebeneinanderliegen von Gelb und Blau in der Erscheinungswelt, der Faserschicht meines Auges etc. aber nicht mit meiner Psiche zu thun hätte, so wenig kann von meinem transzendentalen Standpunkt aus die scheinbare Entstehung von Haschisch-Psiche aus Haschisch sich zu einer Schwierigkeit transzendentaler Art gestalten. Viel plausibler liegt uns die Sache bei der Frage der Beeinflussung der Psiche durch Musik. Hier, wo – nach heutiger Auffassung – nichts Materjelles in unser Gehirn dringt, wird Niemand zu der Meinung kommen: Musik kreïre Psiche; sondern wird ihr nur einen richtenden, ordnenden Einfluss auf bereits vorhandene Psiche zulassen. Denke ich mir also meinen Geist, meine Gemütslage, als einen stets vorwärts drängenden Strom von Erregung, mit dem Körperlichkeit, Aussenwelt, zugleich als Erscheinung gegeben ist, dann ist die Frage nach der Beeinflussung von Psiche durch Musik lediglich die nach der Ko-Existenz von Schallwellen und Gehirnmolukülen, deren Beantwortung der Erscheinungswelt zufält.

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Zitationshilfe: Panizza, Oskar: Der Illusionismus und Die Rettung der Persönlichkeit. Leipzig, 1895, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/panizza_illusionismus_1895/42>, abgerufen am 28.04.2024.