Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pahl, Johann Gottfried]: Die Philosophen aus dem Uranus. Konstantinopel, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

an, dieß Verderben zu fühlen, und es erhub sich eine grose Partei in der Christenheit, die sich von ihren Glaubensgenossen los rieß, die Lehren und die Gebräuche verbesserte, und sich bemühte, den Sinn Jesu, so viel möglich, wieder zu erreichen. Diese Partei gieng von dem sehr richtigen Grundsaze aus, daß nur das Religionswahrheit für den Christen sey, was Christus und seine ersten Schüler ausdrücklich gelehrt haben; - und wäre sie diesem Grundsaz getreu geblieben, so hätt es gar nicht fehlen können, sie hätte die ursprüngliche Reinigkeit ihrer Religionslehre, wieder erreicht. Allein es wurden gewisse Erklärungen der Aussprüche Jesu festgesezt, und diese, als die allein richtigen, allen Anhängern der neuen Partei, als entschiedene Religions-Säze, vorgeschrieben. Dadurch verfiel man wieder in den alten Fehler, und stellte einen neuen Richter über Glauben und Ueberzeugung auf, die doch ihrer Natur nach, einem jeden Menschen frey gelassen werden müssen. Noch um so härter war dieses Joch, da jene Erklärungen in einem Zeitalter

an, dieß Verderben zu fühlen, und es erhub sich eine grose Partei in der Christenheit, die sich von ihren Glaubensgenossen los rieß, die Lehren und die Gebräuche verbesserte, und sich bemühte, den Sinn Jesu, so viel möglich, wieder zu erreichen. Diese Partei gieng von dem sehr richtigen Grundsaze aus, daß nur das Religionswahrheit für den Christen sey, was Christus und seine ersten Schüler ausdrücklich gelehrt haben; – und wäre sie diesem Grundsaz getreu geblieben, so hätt es gar nicht fehlen können, sie hätte die ursprüngliche Reinigkeit ihrer Religionslehre, wieder erreicht. Allein es wurden gewisse Erklärungen der Aussprüche Jesu festgesezt, und diese, als die allein richtigen, allen Anhängern der neuen Partei, als entschiedene Religions-Säze, vorgeschrieben. Dadurch verfiel man wieder in den alten Fehler, und stellte einen neuen Richter über Glauben und Ueberzeugung auf, die doch ihrer Natur nach, einem jeden Menschen frey gelassen werden müssen. Noch um so härter war dieses Joch, da jene Erklärungen in einem Zeitalter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0060" n="56"/>
an, dieß Verderben zu fühlen, und es erhub sich eine grose Partei in der Christenheit, die sich von ihren Glaubensgenossen los rieß, die Lehren und die Gebräuche verbesserte, und sich bemühte, den Sinn Jesu, so viel möglich, wieder zu erreichen. Diese Partei gieng von dem sehr richtigen Grundsaze aus, daß nur das Religionswahrheit für den Christen sey, was Christus und seine ersten Schüler ausdrücklich gelehrt haben; &#x2013; und wäre sie diesem Grundsaz getreu geblieben, so hätt es gar nicht fehlen können, sie hätte die ursprüngliche Reinigkeit ihrer Religionslehre, wieder erreicht. Allein es wurden gewisse Erklärungen der Aussprüche Jesu festgesezt, und diese, als die allein richtigen, allen Anhängern der neuen Partei, als entschiedene Religions-Säze, vorgeschrieben. Dadurch verfiel man wieder in den alten Fehler, und stellte einen neuen Richter über Glauben und Ueberzeugung auf, die doch ihrer Natur nach, einem jeden Menschen frey gelassen werden müssen. Noch um so härter war dieses Joch, da jene Erklärungen in einem Zeitalter
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0060] an, dieß Verderben zu fühlen, und es erhub sich eine grose Partei in der Christenheit, die sich von ihren Glaubensgenossen los rieß, die Lehren und die Gebräuche verbesserte, und sich bemühte, den Sinn Jesu, so viel möglich, wieder zu erreichen. Diese Partei gieng von dem sehr richtigen Grundsaze aus, daß nur das Religionswahrheit für den Christen sey, was Christus und seine ersten Schüler ausdrücklich gelehrt haben; – und wäre sie diesem Grundsaz getreu geblieben, so hätt es gar nicht fehlen können, sie hätte die ursprüngliche Reinigkeit ihrer Religionslehre, wieder erreicht. Allein es wurden gewisse Erklärungen der Aussprüche Jesu festgesezt, und diese, als die allein richtigen, allen Anhängern der neuen Partei, als entschiedene Religions-Säze, vorgeschrieben. Dadurch verfiel man wieder in den alten Fehler, und stellte einen neuen Richter über Glauben und Ueberzeugung auf, die doch ihrer Natur nach, einem jeden Menschen frey gelassen werden müssen. Noch um so härter war dieses Joch, da jene Erklärungen in einem Zeitalter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Göttinger Digitalisierungszentrum: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_philosophen_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_philosophen_1796/60
Zitationshilfe: [Pahl, Johann Gottfried]: Die Philosophen aus dem Uranus. Konstantinopel, 1796, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_philosophen_1796/60>, abgerufen am 03.05.2024.