Pahl, Johann Gottfried: Wohlgemeyntes, in Vernunft und Schrift bestgegründetes, jedoch unmaaßgebliches Gutachten, über die Wahlfähigkeit eines Landtagsdeputirten in Wirtemberg. 1797.kein Wort haben antworten können. Zum Glük klingelte die Rathhausglocke, die Herrn begaben sich auf ihren Posten, und ich folgte ihnen nach. Der Herr Oberamtmann machte brevissimis seine Proposition. Ich nahm meinen Hut unter den linken Arm, zog die Perücke, die, da sie mir nicht kopfgerecht war, immer hinten hinunter wollte, einen halben Zoll tiefer in die Stirne herein, eröffnete zwey Knopflöcher in meiner Weste, schnitt eine gelehrte Miene, räusperte, und begann dann mit einem tiefen Bückling mein Gutachten, wie folgt: "Qui cum lege navigat, tute navigat! mit diesen Worten, meine ehrsamen lieben Herrn! welche wir am besten also verdeutschen können: es reitet sich besser auf dem frommen Pferde der Gesetze, als auf dem Besenstiele der Vernunft, - mit diesen Worten bin ich heute früh von meinem Heimwesen abgereißt, indem ich in denselbigen die ratio decidendi ausgedrukt fand, auf die es bey der mir von euch vorgelegten kein Wort haben antworten können. Zum Glük klingelte die Rathhausglocke, die Herrn begaben sich auf ihren Posten, und ich folgte ihnen nach. Der Herr Oberamtmann machte brevissimis seine Proposition. Ich nahm meinen Hut unter den linken Arm, zog die Perücke, die, da sie mir nicht kopfgerecht war, immer hinten hinunter wollte, einen halben Zoll tiefer in die Stirne herein, eröffnete zwey Knopflöcher in meiner Weste, schnitt eine gelehrte Miene, räusperte, und begann dann mit einem tiefen Bückling mein Gutachten, wie folgt: „Qui cum lege navigat, tute navigat! mit diesen Worten, meine ehrsamen lieben Herrn! welche wir am besten also verdeutschen können: es reitet sich besser auf dem frommen Pferde der Gesetze, als auf dem Besenstiele der Vernunft, – mit diesen Worten bin ich heute früh von meinem Heimwesen abgereißt, indem ich in denselbigen die ratio decidendi ausgedrukt fand, auf die es bey der mir von euch vorgelegten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0042" n="42"/> kein Wort haben antworten können. Zum Glük klingelte die Rathhausglocke, die Herrn begaben sich auf ihren Posten, und ich folgte ihnen nach.</p> <p>Der Herr Oberamtmann machte <hi rendition="#aq">brevissimis</hi> seine Proposition. Ich nahm meinen Hut unter den linken Arm, zog die Perücke, die, da sie mir nicht kopfgerecht war, immer hinten hinunter wollte, einen halben Zoll tiefer in die Stirne herein, eröffnete zwey Knopflöcher in meiner Weste, schnitt eine gelehrte Miene, räusperte, und begann dann mit einem tiefen Bückling mein Gutachten, wie folgt:</p> <p>„<hi rendition="#aq">Qui cum lege navigat, tute navigat</hi>! mit diesen Worten, meine ehrsamen lieben Herrn! welche wir am besten also verdeutschen können: es reitet sich besser auf dem frommen Pferde der Gesetze, als auf dem Besenstiele der Vernunft, – mit diesen Worten bin ich heute früh von meinem Heimwesen abgereißt, indem ich in denselbigen die <hi rendition="#aq">ratio decidendi</hi> ausgedrukt fand, auf die es bey der mir von euch vorgelegten </p> </div> </body> </text> </TEI> [42/0042]
kein Wort haben antworten können. Zum Glük klingelte die Rathhausglocke, die Herrn begaben sich auf ihren Posten, und ich folgte ihnen nach.
Der Herr Oberamtmann machte brevissimis seine Proposition. Ich nahm meinen Hut unter den linken Arm, zog die Perücke, die, da sie mir nicht kopfgerecht war, immer hinten hinunter wollte, einen halben Zoll tiefer in die Stirne herein, eröffnete zwey Knopflöcher in meiner Weste, schnitt eine gelehrte Miene, räusperte, und begann dann mit einem tiefen Bückling mein Gutachten, wie folgt:
„Qui cum lege navigat, tute navigat! mit diesen Worten, meine ehrsamen lieben Herrn! welche wir am besten also verdeutschen können: es reitet sich besser auf dem frommen Pferde der Gesetze, als auf dem Besenstiele der Vernunft, – mit diesen Worten bin ich heute früh von meinem Heimwesen abgereißt, indem ich in denselbigen die ratio decidendi ausgedrukt fand, auf die es bey der mir von euch vorgelegten
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Zitationshilfe: | Pahl, Johann Gottfried: Wohlgemeyntes, in Vernunft und Schrift bestgegründetes, jedoch unmaaßgebliches Gutachten, über die Wahlfähigkeit eines Landtagsdeputirten in Wirtemberg. 1797, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_gutachten_1797/42>, abgerufen am 16.02.2025. |