Pahl, Johann Gottfried: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Nördlingen, 1794.fernen Gesang der Freiheit und der Liebe behorchen, während mir die Fesseln der Gefangenschaft tiefe Wunden in Hände und Füsse drüken! - Werd' oft die frohen Knechte und Mägde auf der Wiesen lachen und scherzen hören, während ich Kunzens Verlust beweine, und er an der Seite einer andern wonnereiche Tage lebt!" - Ich ward schwermüthiger als zuvor, und sank wieder auf mein von Thränen feuchtes Lager zurük. Ein neuer Sturm, schrecklicher als alles, was ich zuvor erlitten hatte, zog unterdeß über mir zusammen. Schnaubend von Zorn stürzte mein Vater in die Kammer. Seine Augen schienen Feuer zu sprühen. "Nun - brüllte er, - nun heillose Dirne! ist dein Geheimniß verrathen! - wie konntest du dich an einen Mann hängen, ohne mir's zu offenbaren? - Da hab' ich wohl den Bok zum Gärtner gesetzt. - Das ist mir ein feiner Burghüter, der des Burgherrn Tochter zur Unzucht verführt. - Derb, wart' er nur - derb will ich ihm fernen Gesang der Freiheit und der Liebe behorchen, während mir die Fesseln der Gefangenschaft tiefe Wunden in Hände und Füsse drüken! – Werd’ oft die frohen Knechte und Mägde auf der Wiesen lachen und scherzen hören, während ich Kunzens Verlust beweine, und er an der Seite einer andern wonnereiche Tage lebt!“ – Ich ward schwermüthiger als zuvor, und sank wieder auf mein von Thränen feuchtes Lager zurük. Ein neuer Sturm, schrecklicher als alles, was ich zuvor erlitten hatte, zog unterdeß über mir zusammen. Schnaubend von Zorn stürzte mein Vater in die Kammer. Seine Augen schienen Feuer zu sprühen. „Nun – brüllte er, – nun heillose Dirne! ist dein Geheimniß verrathen! – wie konntest du dich an einen Mann hängen, ohne mir’s zu offenbaren? – Da hab’ ich wohl den Bok zum Gärtner gesetzt. – Das ist mir ein feiner Burghüter, der des Burgherrn Tochter zur Unzucht verführt. – Derb, wart’ er nur – derb will ich ihm <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0054" n="50"/> fernen Gesang der Freiheit und der Liebe behorchen, während mir die Fesseln der Gefangenschaft tiefe Wunden in Hände und Füsse drüken! – Werd’ oft die frohen Knechte und Mägde auf der Wiesen lachen und scherzen hören, während ich <hi rendition="#g">Kunzens</hi> Verlust beweine, und er an der Seite einer andern wonnereiche Tage lebt!“ – Ich ward schwermüthiger als zuvor, und sank wieder auf mein von Thränen feuchtes Lager zurük.</p> <p>Ein neuer Sturm, schrecklicher als alles, was ich zuvor erlitten hatte, zog unterdeß über mir zusammen.</p> <p>Schnaubend von Zorn stürzte mein Vater in die Kammer. Seine Augen schienen Feuer zu sprühen. „Nun – brüllte er, – nun heillose Dirne! ist dein Geheimniß verrathen! – wie konntest du dich an einen Mann hängen, ohne mir’s zu offenbaren? – Da hab’ ich wohl den Bok zum Gärtner gesetzt. – Das ist mir ein feiner Burghüter, der des Burgherrn Tochter zur Unzucht verführt. – Derb, wart’ er nur – derb will ich ihm </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [50/0054]
fernen Gesang der Freiheit und der Liebe behorchen, während mir die Fesseln der Gefangenschaft tiefe Wunden in Hände und Füsse drüken! – Werd’ oft die frohen Knechte und Mägde auf der Wiesen lachen und scherzen hören, während ich Kunzens Verlust beweine, und er an der Seite einer andern wonnereiche Tage lebt!“ – Ich ward schwermüthiger als zuvor, und sank wieder auf mein von Thränen feuchtes Lager zurük.
Ein neuer Sturm, schrecklicher als alles, was ich zuvor erlitten hatte, zog unterdeß über mir zusammen.
Schnaubend von Zorn stürzte mein Vater in die Kammer. Seine Augen schienen Feuer zu sprühen. „Nun – brüllte er, – nun heillose Dirne! ist dein Geheimniß verrathen! – wie konntest du dich an einen Mann hängen, ohne mir’s zu offenbaren? – Da hab’ ich wohl den Bok zum Gärtner gesetzt. – Das ist mir ein feiner Burghüter, der des Burgherrn Tochter zur Unzucht verführt. – Derb, wart’ er nur – derb will ich ihm
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Zitationshilfe: | Pahl, Johann Gottfried: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Nördlingen, 1794, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794/54>, abgerufen am 27.07.2024. |