Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pahl, Johann Gottfried: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Nördlingen, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

ist, können Menschen einmal nicht wieder brechen, ohne Schaden zu nehmen an ihrer Seele." - Ich hüllte mein Gesicht in die Schürze, und weinte bitterlich.

Meinem Vater mochte mein Jammer über die Enthüllung seines Geheimnisses selbst nicht wenig wehe thun. Er sah bestürzt vor sich auf die Erde, und wischte sich ein paarmal die Augen, gleich als ob er selbst geweint hätte. Nun that aber der Pfaff den Mund auf, und erklärte mir mit einem Strohme honigsüsser Worte, wie verdienstlich es sey, die Welt und ihren Tand zu verachten, und im Kloster zu leben, und wie die Gebeine meiner Mutter keine Ruhe unter der Erde haben würden, wenn ich das Gelübde bräche, das Sie in ihrem letzten Hauche noch geschlossen hatte. Darüber erschrak ich freilich sehr, und der Pfaff dünkte mich recht zu haben; aber Kunz - ach! kein Kloster kann mir ihn ersetzen. Ja hätt' ich ihn nie gesehen, o! so wär' ich gern von der Burg in die Zelle gezogen; oder hätt' man mir's früh genug gesagt, daß ich für's Kloster gebohren

ist, können Menschen einmal nicht wieder brechen, ohne Schaden zu nehmen an ihrer Seele.“ – Ich hüllte mein Gesicht in die Schürze, und weinte bitterlich.

Meinem Vater mochte mein Jammer über die Enthüllung seines Geheimnisses selbst nicht wenig wehe thun. Er sah bestürzt vor sich auf die Erde, und wischte sich ein paarmal die Augen, gleich als ob er selbst geweint hätte. Nun that aber der Pfaff den Mund auf, und erklärte mir mit einem Strohme honigsüsser Worte, wie verdienstlich es sey, die Welt und ihren Tand zu verachten, und im Kloster zu leben, und wie die Gebeine meiner Mutter keine Ruhe unter der Erde haben würden, wenn ich das Gelübde bräche, das Sie in ihrem letzten Hauche noch geschlossen hatte. Darüber erschrak ich freilich sehr, und der Pfaff dünkte mich recht zu haben; aber Kunz – ach! kein Kloster kann mir ihn ersetzen. Ja hätt’ ich ihn nie gesehen, o! so wär’ ich gern von der Burg in die Zelle gezogen; oder hätt’ man mir’s früh genug gesagt, daß ich für’s Kloster gebohren

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0045" n="41"/>
ist, können Menschen einmal nicht wieder brechen, ohne Schaden zu nehmen an ihrer Seele.&#x201C; &#x2013; Ich hüllte mein Gesicht in die Schürze, und weinte bitterlich.</p>
          <p>Meinem Vater mochte mein Jammer über die Enthüllung seines Geheimnisses selbst nicht wenig wehe thun. Er sah bestürzt vor sich auf die Erde, und wischte sich ein paarmal die Augen, gleich als ob er selbst geweint hätte. Nun that aber der Pfaff den Mund auf, und erklärte mir mit einem Strohme honigsüsser Worte, wie verdienstlich es sey, die Welt und ihren Tand zu verachten, und im Kloster zu leben, und wie die Gebeine meiner Mutter keine Ruhe unter der Erde haben würden, wenn ich das Gelübde bräche, das Sie in ihrem letzten Hauche noch geschlossen hatte. Darüber erschrak ich freilich sehr, und der Pfaff dünkte mich recht zu haben; aber <hi rendition="#g">Kunz</hi> &#x2013; ach! kein Kloster kann mir ihn ersetzen. Ja hätt&#x2019; ich ihn nie gesehen, o! so wär&#x2019; ich gern von der Burg in die Zelle gezogen; oder hätt&#x2019; man mir&#x2019;s früh genug gesagt, daß ich für&#x2019;s Kloster gebohren
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[41/0045] ist, können Menschen einmal nicht wieder brechen, ohne Schaden zu nehmen an ihrer Seele.“ – Ich hüllte mein Gesicht in die Schürze, und weinte bitterlich. Meinem Vater mochte mein Jammer über die Enthüllung seines Geheimnisses selbst nicht wenig wehe thun. Er sah bestürzt vor sich auf die Erde, und wischte sich ein paarmal die Augen, gleich als ob er selbst geweint hätte. Nun that aber der Pfaff den Mund auf, und erklärte mir mit einem Strohme honigsüsser Worte, wie verdienstlich es sey, die Welt und ihren Tand zu verachten, und im Kloster zu leben, und wie die Gebeine meiner Mutter keine Ruhe unter der Erde haben würden, wenn ich das Gelübde bräche, das Sie in ihrem letzten Hauche noch geschlossen hatte. Darüber erschrak ich freilich sehr, und der Pfaff dünkte mich recht zu haben; aber Kunz – ach! kein Kloster kann mir ihn ersetzen. Ja hätt’ ich ihn nie gesehen, o! so wär’ ich gern von der Burg in die Zelle gezogen; oder hätt’ man mir’s früh genug gesagt, daß ich für’s Kloster gebohren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794/45
Zitationshilfe: Pahl, Johann Gottfried: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Nördlingen, 1794, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794/45>, abgerufen am 26.04.2024.