Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie fuhr zusammen -- durch ihre Seele zuckte eben so plötzlich ein kleiner Gedanke: "Ach, möcht' es zusammenstürzen, dies auf Flüchen erbaute Haus, wenn es nur mich und ihn unter seinen Trümmern begrübe!"

Sie hatte nicht Zeit, den Gedanken weiter auszudenken. Sie stand auf, ruhig, muthig -- eine seltsame Klarheit leuchtete auf ihrer Stirn -- sie war gefaßt, denn sie fühlte, daß sie in Gottes Hand stehe. Wer einmal in der Stunde der Gefahr und der bangsten Entscheidung dies Gefühl so recht in seiner tiefsten Allgewalt empfunden hat, der allein begreift, wie Paulinens leicht erschrecktes Mädchenherz jetzt plötzlich ruhig schlagen konnte, wie in den stillsten Stunden.

Das Haus war erschüttert worden von dem Wehruf der Hunderte, welche jetzt in den verrammelten Hof gebrochen waren und einen Steinhagel nach dem Hause schleuderten, Pauline ward das gewahr und sah von der Seite durch das Fenster.

Da sah sie, wie Franz todtenbleich aus der Menge hervorsprang, nach einem gegenüberstehenden Haus sich wandte und laut schrie:

"Hierher, Brüder! Auf dies Haus! Was wollt Ihr dort? Ich weiß, in diesem Hause hat er seine besten Schätze aufbewahrt -- kommt hierher, wir wollen dies Haus erbrechen!"

Sie fuhr zusammen — durch ihre Seele zuckte eben so plötzlich ein kleiner Gedanke: „Ach, möcht’ es zusammenstürzen, dies auf Flüchen erbaute Haus, wenn es nur mich und ihn unter seinen Trümmern begrübe!“

Sie hatte nicht Zeit, den Gedanken weiter auszudenken. Sie stand auf, ruhig, muthig — eine seltsame Klarheit leuchtete auf ihrer Stirn — sie war gefaßt, denn sie fühlte, daß sie in Gottes Hand stehe. Wer einmal in der Stunde der Gefahr und der bangsten Entscheidung dies Gefühl so recht in seiner tiefsten Allgewalt empfunden hat, der allein begreift, wie Paulinens leicht erschrecktes Mädchenherz jetzt plötzlich ruhig schlagen konnte, wie in den stillsten Stunden.

Das Haus war erschüttert worden von dem Wehruf der Hunderte, welche jetzt in den verrammelten Hof gebrochen waren und einen Steinhagel nach dem Hause schleuderten, Pauline ward das gewahr und sah von der Seite durch das Fenster.

Da sah sie, wie Franz todtenbleich aus der Menge hervorsprang, nach einem gegenüberstehenden Haus sich wandte und laut schrie:

„Hierher, Brüder! Auf dies Haus! Was wollt Ihr dort? Ich weiß, in diesem Hause hat er seine besten Schätze aufbewahrt — kommt hierher, wir wollen dies Haus erbrechen!“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0168" n="164"/>
        <p> Sie fuhr zusammen &#x2014; durch ihre Seele zuckte eben so plötzlich ein kleiner Gedanke: &#x201E;Ach, möcht&#x2019; es zusammenstürzen, dies auf Flüchen erbaute Haus, wenn es nur mich und ihn unter seinen Trümmern begrübe!&#x201C;</p>
        <p>Sie hatte nicht Zeit, den Gedanken weiter auszudenken. Sie stand auf, ruhig, muthig &#x2014; eine seltsame Klarheit leuchtete auf ihrer Stirn &#x2014; sie war gefaßt, denn sie fühlte, daß sie in Gottes Hand stehe. Wer einmal in der Stunde der Gefahr und der bangsten Entscheidung dies Gefühl so recht in seiner tiefsten Allgewalt empfunden hat, der allein begreift, wie Paulinens leicht erschrecktes Mädchenherz jetzt plötzlich ruhig schlagen konnte, wie in den stillsten Stunden.</p>
        <p>Das Haus war erschüttert worden von dem Wehruf der Hunderte, welche jetzt in den verrammelten Hof gebrochen waren und einen Steinhagel nach dem Hause schleuderten, Pauline ward das gewahr und sah von der Seite durch das Fenster.</p>
        <p>Da sah sie, wie Franz todtenbleich aus der Menge hervorsprang, nach einem gegenüberstehenden Haus sich wandte und laut schrie:</p>
        <p>&#x201E;Hierher, Brüder! Auf dies Haus! Was wollt Ihr dort? Ich weiß, in diesem Hause hat er seine besten Schätze aufbewahrt &#x2014; kommt hierher, wir wollen dies Haus erbrechen!&#x201C;</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[164/0168] Sie fuhr zusammen — durch ihre Seele zuckte eben so plötzlich ein kleiner Gedanke: „Ach, möcht’ es zusammenstürzen, dies auf Flüchen erbaute Haus, wenn es nur mich und ihn unter seinen Trümmern begrübe!“ Sie hatte nicht Zeit, den Gedanken weiter auszudenken. Sie stand auf, ruhig, muthig — eine seltsame Klarheit leuchtete auf ihrer Stirn — sie war gefaßt, denn sie fühlte, daß sie in Gottes Hand stehe. Wer einmal in der Stunde der Gefahr und der bangsten Entscheidung dies Gefühl so recht in seiner tiefsten Allgewalt empfunden hat, der allein begreift, wie Paulinens leicht erschrecktes Mädchenherz jetzt plötzlich ruhig schlagen konnte, wie in den stillsten Stunden. Das Haus war erschüttert worden von dem Wehruf der Hunderte, welche jetzt in den verrammelten Hof gebrochen waren und einen Steinhagel nach dem Hause schleuderten, Pauline ward das gewahr und sah von der Seite durch das Fenster. Da sah sie, wie Franz todtenbleich aus der Menge hervorsprang, nach einem gegenüberstehenden Haus sich wandte und laut schrie: „Hierher, Brüder! Auf dies Haus! Was wollt Ihr dort? Ich weiß, in diesem Hause hat er seine besten Schätze aufbewahrt — kommt hierher, wir wollen dies Haus erbrechen!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Repository TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-23T11:52:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-23T11:52:15Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-23T11:52:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss03_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss03_1846/168
Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss03_1846/168>, abgerufen am 22.11.2024.