Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846.gegen das Fabrikgebäude, in welchem sie meist zu arbeiten pflegten. Schreiende Weiber und Kinder schlossen sich jubelnd dem Zuge an -- verwundert standen hier die Aufseher, daß noch Niemand bei der Arbeit erschienen war; der unerhörte Fall konnte nichts Gutes bedeuten; aber als jetzt die tobende Rotte herbeikam, so löste sich die Verwunderung jener bald in das größte Entsetzen. Einige fielen über sie her, mißhandelten sie und drangen dann in das Innere des Hauses. Unter Spotten, Fluchen und Lachen wurden hier die Maschinen mit Aexten, Stangen und Stämmen zerstört, und was etwa von den einzelnen, zertrümmerten Stücken an Eisenwerk brauchbar schien, damit bewaffnete man sich für spätere Zerstörungen. Am Aergsten trieb es hier die lange Lise: "Für jedes Kind eine Maschine!" rief sie. "Da langen die Maschinen nicht zu, jede hat mehr als einen Kindermord auf dem Gewissen -- unsre Vergeltung ist noch immer viel zu gnädig! Ein Kind ist mehr werth als eine Maschine, das hat doch eine Seele und Leben -- die Maschinen aber sind todt und lügen sich nur lebendig und sind doch schändlich genug, um morden zu können!" Pauline ward von dem entsetzlichsten Geschrei aus sanftem, gaukelndem Morgentraume geweckt -- sie wußte sich die Töne nicht zu erklären -- auch im ganzen Hause hörte sie ein ängstliches Hin- und Wiederlaufen, Thürenöffnen gegen das Fabrikgebäude, in welchem sie meist zu arbeiten pflegten. Schreiende Weiber und Kinder schlossen sich jubelnd dem Zuge an — verwundert standen hier die Aufseher, daß noch Niemand bei der Arbeit erschienen war; der unerhörte Fall konnte nichts Gutes bedeuten; aber als jetzt die tobende Rotte herbeikam, so löste sich die Verwunderung jener bald in das größte Entsetzen. Einige fielen über sie her, mißhandelten sie und drangen dann in das Innere des Hauses. Unter Spotten, Fluchen und Lachen wurden hier die Maschinen mit Aexten, Stangen und Stämmen zerstört, und was etwa von den einzelnen, zertrümmerten Stücken an Eisenwerk brauchbar schien, damit bewaffnete man sich für spätere Zerstörungen. Am Aergsten trieb es hier die lange Lise: „Für jedes Kind eine Maschine!“ rief sie. „Da langen die Maschinen nicht zu, jede hat mehr als einen Kindermord auf dem Gewissen — unsre Vergeltung ist noch immer viel zu gnädig! Ein Kind ist mehr werth als eine Maschine, das hat doch eine Seele und Leben — die Maschinen aber sind todt und lügen sich nur lebendig und sind doch schändlich genug, um morden zu können!“ Pauline ward von dem entsetzlichsten Geschrei aus sanftem, gaukelndem Morgentraume geweckt — sie wußte sich die Töne nicht zu erklären — auch im ganzen Hause hörte sie ein ängstliches Hin- und Wiederlaufen, Thürenöffnen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0137" n="133"/> gegen das Fabrikgebäude, in welchem sie meist zu arbeiten pflegten. Schreiende Weiber und Kinder schlossen sich jubelnd dem Zuge an — verwundert standen hier die Aufseher, daß noch Niemand bei der Arbeit erschienen war; der unerhörte Fall konnte nichts Gutes bedeuten; aber als jetzt die tobende Rotte herbeikam, so löste sich die Verwunderung jener bald in das größte Entsetzen. Einige fielen über sie her, mißhandelten sie und drangen dann in das Innere des Hauses. Unter Spotten, Fluchen und Lachen wurden hier die Maschinen mit Aexten, Stangen und Stämmen zerstört, und was etwa von den einzelnen, zertrümmerten Stücken an Eisenwerk brauchbar schien, damit bewaffnete man sich für spätere Zerstörungen. Am Aergsten trieb es hier die lange Lise:</p> <p>„Für jedes Kind eine Maschine!“ rief sie. „Da langen die Maschinen nicht zu, jede hat mehr als einen Kindermord auf dem Gewissen — unsre Vergeltung ist noch immer viel zu gnädig! Ein Kind ist mehr werth als eine Maschine, das hat doch eine Seele und Leben — die Maschinen aber sind todt und lügen sich nur lebendig und sind doch schändlich genug, um morden zu können!“</p> <p>Pauline ward von dem entsetzlichsten Geschrei aus sanftem, gaukelndem Morgentraume geweckt — sie wußte sich die Töne nicht zu erklären — auch im ganzen Hause hörte sie ein ängstliches Hin- und Wiederlaufen, Thürenöffnen </p> </div> </body> </text> </TEI> [133/0137]
gegen das Fabrikgebäude, in welchem sie meist zu arbeiten pflegten. Schreiende Weiber und Kinder schlossen sich jubelnd dem Zuge an — verwundert standen hier die Aufseher, daß noch Niemand bei der Arbeit erschienen war; der unerhörte Fall konnte nichts Gutes bedeuten; aber als jetzt die tobende Rotte herbeikam, so löste sich die Verwunderung jener bald in das größte Entsetzen. Einige fielen über sie her, mißhandelten sie und drangen dann in das Innere des Hauses. Unter Spotten, Fluchen und Lachen wurden hier die Maschinen mit Aexten, Stangen und Stämmen zerstört, und was etwa von den einzelnen, zertrümmerten Stücken an Eisenwerk brauchbar schien, damit bewaffnete man sich für spätere Zerstörungen. Am Aergsten trieb es hier die lange Lise:
„Für jedes Kind eine Maschine!“ rief sie. „Da langen die Maschinen nicht zu, jede hat mehr als einen Kindermord auf dem Gewissen — unsre Vergeltung ist noch immer viel zu gnädig! Ein Kind ist mehr werth als eine Maschine, das hat doch eine Seele und Leben — die Maschinen aber sind todt und lügen sich nur lebendig und sind doch schändlich genug, um morden zu können!“
Pauline ward von dem entsetzlichsten Geschrei aus sanftem, gaukelndem Morgentraume geweckt — sie wußte sich die Töne nicht zu erklären — auch im ganzen Hause hörte sie ein ängstliches Hin- und Wiederlaufen, Thürenöffnen
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