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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846.

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"Bindet ihn auch!" rief der Gensdarm.

Franz hatte sich geduldig den Strick umlegen lassen der Andere wehrte sich tüchtig mit seinem Stock.

Da scholl hundertstimmiges Geheul durch die Luft -- die ganzen Arbeiter kamen mit Stöcken, Knütteln und Steinen bewaffnet dahergezogen und überfielen jene Vier, die sich dessen nicht im Geringsten versehen hatten.

Franz stand ruhig da und regte sich nicht -- aber eine große Thräne trat in sein frei aufblickendes Auge. Diese Vier waren gekommen, ihn wie einen Missethäter zu verhaften, weil sie ihn anklagten gegen Ordnung und Gesetz, gegen das Bestehende aufgewiegelt zu haben -- und jene wilden Rotten hatten ihm noch vorhin gezürnt und ihn einen Verräther genannt, weil er zur Ruhe geredet hatte -- aber es waren seine Kameraden, welche jetzt kamen, ihn zu befreien und nicht duldeten, daß Andere ihm Unrecht thaten, wie sie ihm nur eben erst selbst gethan.

Das war seine Genugthuung.

Er hatte sich von beiden Parteien verketzert gesehen, eben weil er nur das Recht wollte und auf den beiden Seiten seiner Angreifer das Unrecht war -- so sprach ihn sein Gewissen frei und unschuldig! Und so stand er groß da, der Mann, den die Gesellschaft von sich ausstieß, dem sie ein paar Lumpen zuwarf und Brod, daß er nicht verhungerte -- das war ihre ganze Gabe für ihn! Und unter

„Bindet ihn auch!“ rief der Gensdarm.

Franz hatte sich geduldig den Strick umlegen lassen der Andere wehrte sich tüchtig mit seinem Stock.

Da scholl hundertstimmiges Geheul durch die Luft — die ganzen Arbeiter kamen mit Stöcken, Knütteln und Steinen bewaffnet dahergezogen und überfielen jene Vier, die sich dessen nicht im Geringsten versehen hatten.

Franz stand ruhig da und regte sich nicht — aber eine große Thräne trat in sein frei aufblickendes Auge. Diese Vier waren gekommen, ihn wie einen Missethäter zu verhaften, weil sie ihn anklagten gegen Ordnung und Gesetz, gegen das Bestehende aufgewiegelt zu haben — und jene wilden Rotten hatten ihm noch vorhin gezürnt und ihn einen Verräther genannt, weil er zur Ruhe geredet hatte — aber es waren seine Kameraden, welche jetzt kamen, ihn zu befreien und nicht duldeten, daß Andere ihm Unrecht thaten, wie sie ihm nur eben erst selbst gethan.

Das war seine Genugthuung.

Er hatte sich von beiden Parteien verketzert gesehen, eben weil er nur das Recht wollte und auf den beiden Seiten seiner Angreifer das Unrecht war — so sprach ihn sein Gewissen frei und unschuldig! Und so stand er groß da, der Mann, den die Gesellschaft von sich ausstieß, dem sie ein paar Lumpen zuwarf und Brod, daß er nicht verhungerte — das war ihre ganze Gabe für ihn! Und unter

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[131/0135] „Bindet ihn auch!“ rief der Gensdarm. Franz hatte sich geduldig den Strick umlegen lassen der Andere wehrte sich tüchtig mit seinem Stock. Da scholl hundertstimmiges Geheul durch die Luft — die ganzen Arbeiter kamen mit Stöcken, Knütteln und Steinen bewaffnet dahergezogen und überfielen jene Vier, die sich dessen nicht im Geringsten versehen hatten. Franz stand ruhig da und regte sich nicht — aber eine große Thräne trat in sein frei aufblickendes Auge. Diese Vier waren gekommen, ihn wie einen Missethäter zu verhaften, weil sie ihn anklagten gegen Ordnung und Gesetz, gegen das Bestehende aufgewiegelt zu haben — und jene wilden Rotten hatten ihm noch vorhin gezürnt und ihn einen Verräther genannt, weil er zur Ruhe geredet hatte — aber es waren seine Kameraden, welche jetzt kamen, ihn zu befreien und nicht duldeten, daß Andere ihm Unrecht thaten, wie sie ihm nur eben erst selbst gethan. Das war seine Genugthuung. Er hatte sich von beiden Parteien verketzert gesehen, eben weil er nur das Recht wollte und auf den beiden Seiten seiner Angreifer das Unrecht war — so sprach ihn sein Gewissen frei und unschuldig! Und so stand er groß da, der Mann, den die Gesellschaft von sich ausstieß, dem sie ein paar Lumpen zuwarf und Brod, daß er nicht verhungerte — das war ihre ganze Gabe für ihn! Und unter

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss03_1846/135>, abgerufen am 03.05.2024.