Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.mehr Herzen schlügen wie das Ihre, wenn mehr Augen wie die Ihrigen sähen, Augen, welche, wenn sie gleich von Kindheit auf an den Glanz des Goldes und die bunten Flitter des Reichthums gewöhnt, doch nicht davon geblendet sind, wie die jener Tausend, welche dann das, was außer dem Bereich ihrer eigenen Lebensverhältnisse liegt, nicht blos unter lauter falschen Lichtern, grauen Nebeln und düstern Spinnengeweben, sondern so wie es wirklich ist gewahrten. Wenn Diejenigen, welche zufällig unter seidnen Betthimmeln geboren wurden, nicht das gleiche Bruderbild verleugnen wollten, weil es vielleicht auf elendem Stroh zur Welt kam -- wenn sie nicht fortgesetzt die edle Menschengestalt verhöhnen wollten, weil die Lumpen sie nur schlecht bedecken und die Verwilderung des Elendes sie häßlich macht -- vielleicht würde es anders, vielleicht könnte noch Alles gut werden. Der Arme verlangt ja so Wenig! Nur einen kurzen heitern Frühling für sein Kind, wo es nicht zu friern und zu hungern braucht, wo es lernen darf, wie man ein Mensch wird! Aber hier diese Kinder! Sie werden zu niedrer Thierheit herabgedrückt, und wie die heilige Wassertaufe den Teufel austreiben soll aus den Kindern -- so ist es hier umgekehrt! Der Engel, der das Kind in's Leben begleitet, wird mit Gewalt aus der reinen Seele des Kindes gejagt, und in der heißen Hölle, wo die Dampfmaschinen arbeiten, zu mehr Herzen schlügen wie das Ihre, wenn mehr Augen wie die Ihrigen sähen, Augen, welche, wenn sie gleich von Kindheit auf an den Glanz des Goldes und die bunten Flitter des Reichthums gewöhnt, doch nicht davon geblendet sind, wie die jener Tausend, welche dann das, was außer dem Bereich ihrer eigenen Lebensverhältnisse liegt, nicht blos unter lauter falschen Lichtern, grauen Nebeln und düstern Spinnengeweben, sondern so wie es wirklich ist gewahrten. Wenn Diejenigen, welche zufällig unter seidnen Betthimmeln geboren wurden, nicht das gleiche Bruderbild verleugnen wollten, weil es vielleicht auf elendem Stroh zur Welt kam — wenn sie nicht fortgesetzt die edle Menschengestalt verhöhnen wollten, weil die Lumpen sie nur schlecht bedecken und die Verwilderung des Elendes sie häßlich macht — vielleicht würde es anders, vielleicht könnte noch Alles gut werden. Der Arme verlangt ja so Wenig! Nur einen kurzen heitern Frühling für sein Kind, wo es nicht zu friern und zu hungern braucht, wo es lernen darf, wie man ein Mensch wird! Aber hier diese Kinder! Sie werden zu niedrer Thierheit herabgedrückt, und wie die heilige Wassertaufe den Teufel austreiben soll aus den Kindern — so ist es hier umgekehrt! Der Engel, der das Kind in’s Leben begleitet, wird mit Gewalt aus der reinen Seele des Kindes gejagt, und in der heißen Hölle, wo die Dampfmaschinen arbeiten, zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0078" n="72"/> mehr Herzen schlügen wie das Ihre, wenn mehr Augen wie die Ihrigen sähen, Augen, welche, wenn sie gleich von Kindheit auf an den Glanz des Goldes und die bunten Flitter des Reichthums gewöhnt, doch nicht davon geblendet sind, wie die jener Tausend, welche dann das, was außer dem Bereich ihrer eigenen Lebensverhältnisse liegt, nicht blos unter lauter falschen Lichtern, grauen Nebeln und düstern Spinnengeweben, sondern so wie es wirklich ist gewahrten. Wenn Diejenigen, welche zufällig unter seidnen Betthimmeln geboren wurden, nicht das gleiche Bruderbild verleugnen wollten, weil es vielleicht auf elendem Stroh zur Welt kam — wenn sie nicht fortgesetzt die edle Menschengestalt verhöhnen wollten, weil die Lumpen sie nur schlecht bedecken und die Verwilderung des Elendes sie häßlich macht — vielleicht würde es anders, vielleicht könnte noch Alles gut werden. Der Arme verlangt ja so Wenig! Nur einen kurzen heitern Frühling für sein Kind, wo es nicht zu friern und zu hungern braucht, wo es lernen darf, wie man ein Mensch wird! Aber hier diese Kinder! Sie werden zu niedrer Thierheit herabgedrückt, und wie die heilige Wassertaufe den Teufel austreiben soll aus den Kindern — so ist es hier umgekehrt! Der Engel, der das Kind in’s Leben begleitet, wird mit Gewalt aus der reinen Seele des Kindes gejagt, und in der heißen Hölle, wo die Dampfmaschinen arbeiten, zu </p> </div> </body> </text> </TEI> [72/0078]
mehr Herzen schlügen wie das Ihre, wenn mehr Augen wie die Ihrigen sähen, Augen, welche, wenn sie gleich von Kindheit auf an den Glanz des Goldes und die bunten Flitter des Reichthums gewöhnt, doch nicht davon geblendet sind, wie die jener Tausend, welche dann das, was außer dem Bereich ihrer eigenen Lebensverhältnisse liegt, nicht blos unter lauter falschen Lichtern, grauen Nebeln und düstern Spinnengeweben, sondern so wie es wirklich ist gewahrten. Wenn Diejenigen, welche zufällig unter seidnen Betthimmeln geboren wurden, nicht das gleiche Bruderbild verleugnen wollten, weil es vielleicht auf elendem Stroh zur Welt kam — wenn sie nicht fortgesetzt die edle Menschengestalt verhöhnen wollten, weil die Lumpen sie nur schlecht bedecken und die Verwilderung des Elendes sie häßlich macht — vielleicht würde es anders, vielleicht könnte noch Alles gut werden. Der Arme verlangt ja so Wenig! Nur einen kurzen heitern Frühling für sein Kind, wo es nicht zu friern und zu hungern braucht, wo es lernen darf, wie man ein Mensch wird! Aber hier diese Kinder! Sie werden zu niedrer Thierheit herabgedrückt, und wie die heilige Wassertaufe den Teufel austreiben soll aus den Kindern — so ist es hier umgekehrt! Der Engel, der das Kind in’s Leben begleitet, wird mit Gewalt aus der reinen Seele des Kindes gejagt, und in der heißen Hölle, wo die Dampfmaschinen arbeiten, zu
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Zitationshilfe: | Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/78>, abgerufen am 16.02.2025. |