Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

auf höherem Bergesrücken ein großes Panorama.

Es war ein schöner Nachmittag -- man wußte nicht, war es noch Frühling oder schon Mitte des Sommers. Gegend und Luft gaben die Wonnen von Beiden. Der Himmel war ein glänzendes, lachendes Blau, die Luft ein ewiges lindes Wehen. Durchleuchtete Wölkchen zogen wie leichte Silberschleier hin und her und warfen kleine wandelnde Schatten auf die Gegend. Rechts erhob sich eine lange Hügelkette, die dem Berge sich anschloß, auf welchem die Burg stand. Die einen waren mit düstern Tannen und Fichten bewachsen, an welchen die jungen, hellgrünen Triebe wie zarte Finger von viel Tausend emporgehobenen Händen sich aufwärts streckten, als schwören auch die ernsten Gestalten der Tannen fröhlich dem Frühling Treue. Und so dicht war die Waldung, daß sie, wo das Auge zu ihr in die Ferne schweifte, wie ein großes weiches Bett von schwellendem Moos aussah, in dem sichs gut liegen und ruhen müsse. Andere Hügel waren von grauem Gestein nur spärlich von dunkeln, roth blühendem Moos und lichtgrünem, niedrem Gras bedeckt und mit getrennt stehenden Birken bewachsen. Ihre weißen Stämme standen aufgerichtet wie heilige Friedensstäbe mit grünen, wehen den Kränzen geschmückt. Zwischen diesen Hügeln trat ein kleiner Fluß hervor und schleppte mit seinen blau und silbern

auf höherem Bergesrücken ein großes Panorama.

Es war ein schöner Nachmittag — man wußte nicht, war es noch Frühling oder schon Mitte des Sommers. Gegend und Luft gaben die Wonnen von Beiden. Der Himmel war ein glänzendes, lachendes Blau, die Luft ein ewiges lindes Wehen. Durchleuchtete Wölkchen zogen wie leichte Silberschleier hin und her und warfen kleine wandelnde Schatten auf die Gegend. Rechts erhob sich eine lange Hügelkette, die dem Berge sich anschloß, auf welchem die Burg stand. Die einen waren mit düstern Tannen und Fichten bewachsen, an welchen die jungen, hellgrünen Triebe wie zarte Finger von viel Tausend emporgehobenen Händen sich aufwärts streckten, als schwören auch die ernsten Gestalten der Tannen fröhlich dem Frühling Treue. Und so dicht war die Waldung, daß sie, wo das Auge zu ihr in die Ferne schweifte, wie ein großes weiches Bett von schwellendem Moos aussah, in dem sichs gut liegen und ruhen müsse. Andere Hügel waren von grauem Gestein nur spärlich von dunkeln, roth blühendem Moos und lichtgrünem, niedrem Gras bedeckt und mit getrennt stehenden Birken bewachsen. Ihre weißen Stämme standen aufgerichtet wie heilige Friedensstäbe mit grünen, wehen den Kränzen geschmückt. Zwischen diesen Hügeln trat ein kleiner Fluß hervor und schleppte mit seinen blau und silbern

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0053" n="47"/>
auf höherem Bergesrücken ein großes Panorama.</p>
        <p>Es war ein schöner Nachmittag &#x2014; man wußte nicht, war es noch Frühling oder schon Mitte des Sommers. Gegend und Luft gaben die Wonnen von Beiden. Der Himmel war ein glänzendes, lachendes Blau, die Luft ein ewiges lindes Wehen. Durchleuchtete Wölkchen zogen wie leichte Silberschleier hin und her und warfen kleine wandelnde Schatten auf die Gegend. Rechts erhob sich eine lange Hügelkette, die dem Berge sich anschloß, auf welchem die Burg stand. Die einen waren mit düstern Tannen und Fichten bewachsen, an welchen die jungen, hellgrünen Triebe wie zarte Finger von viel Tausend emporgehobenen Händen sich aufwärts streckten, als schwören auch die ernsten Gestalten der Tannen fröhlich dem Frühling Treue. Und so dicht war die Waldung, daß sie, wo das Auge zu ihr in die Ferne schweifte, wie ein großes weiches Bett von schwellendem Moos aussah, in dem sichs gut liegen und ruhen müsse. Andere Hügel waren von grauem Gestein nur spärlich von dunkeln, roth blühendem Moos und lichtgrünem, niedrem Gras bedeckt und mit getrennt stehenden Birken bewachsen. Ihre weißen Stämme standen aufgerichtet wie heilige Friedensstäbe mit grünen, wehen den Kränzen geschmückt. Zwischen diesen Hügeln trat ein kleiner Fluß hervor und schleppte mit seinen blau und silbern
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0053] auf höherem Bergesrücken ein großes Panorama. Es war ein schöner Nachmittag — man wußte nicht, war es noch Frühling oder schon Mitte des Sommers. Gegend und Luft gaben die Wonnen von Beiden. Der Himmel war ein glänzendes, lachendes Blau, die Luft ein ewiges lindes Wehen. Durchleuchtete Wölkchen zogen wie leichte Silberschleier hin und her und warfen kleine wandelnde Schatten auf die Gegend. Rechts erhob sich eine lange Hügelkette, die dem Berge sich anschloß, auf welchem die Burg stand. Die einen waren mit düstern Tannen und Fichten bewachsen, an welchen die jungen, hellgrünen Triebe wie zarte Finger von viel Tausend emporgehobenen Händen sich aufwärts streckten, als schwören auch die ernsten Gestalten der Tannen fröhlich dem Frühling Treue. Und so dicht war die Waldung, daß sie, wo das Auge zu ihr in die Ferne schweifte, wie ein großes weiches Bett von schwellendem Moos aussah, in dem sichs gut liegen und ruhen müsse. Andere Hügel waren von grauem Gestein nur spärlich von dunkeln, roth blühendem Moos und lichtgrünem, niedrem Gras bedeckt und mit getrennt stehenden Birken bewachsen. Ihre weißen Stämme standen aufgerichtet wie heilige Friedensstäbe mit grünen, wehen den Kränzen geschmückt. Zwischen diesen Hügeln trat ein kleiner Fluß hervor und schleppte mit seinen blau und silbern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Repository TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-23T11:52:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-23T11:52:15Z)
HATHI TRUST Digital Library: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-23T11:52:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/53
Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/53>, abgerufen am 28.11.2024.