Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.mitten hineingekommen unter das Gesindel -- und das legt seiner Rohheit keinen Zügel an, wenn auch die Tochter seines Herrn dabei ist -- rede einmal gerade heraus: was sagt denn das Gesindel von mir -- und was sagst Du von ihm? -- Glaubst Du, daß der Geheimrath Recht hat? Sage einmal Alles, wie Du's selber denkst!" Pauline warf einen Blick aufwärts, der ein Gebet um Kraft und Segen war. Die Stunde war jetzt plötzlich gekommen, die sie so oft ersehnt und die sie nie zu erleben geglaubt hatte -- die Stunde, wo ihr der Vater selbst ein freies Wort gestattete für die Unglücklichen, deren Loos sie täglich bejammerte, und aus welchen ihr Vater so leicht glückliche, vielleicht auch gute Menschen machen konnte. "Mein Vater," begann sie und wünschte sich alle Beredtsamkeit der überzeugendsten Redner und wünschte, daß all' jene Hundert, für welche sie sprechen wollte, im Stillen mit ihr um Segen für ihre Worte beten mögten. "Mein Vater, die Leute sind gut -- und wenn Hunger, Frost, Krankheit, oder irgend eine Noth sie unzufrieden macht, so murren sie gleich laut und machen sich mit Schimpfen und Fluchen Luft -- aber heimtückisch sind sie nicht und finstere Pläne spinnen sie nicht -- dazu sind sie viel zu unwissend und wie Kinder. Aber sie klagen und murren wohl, wenn ihnen von ihrem Lohn abgezogen mitten hineingekommen unter das Gesindel — und das legt seiner Rohheit keinen Zügel an, wenn auch die Tochter seines Herrn dabei ist — rede einmal gerade heraus: was sagt denn das Gesindel von mir — und was sagst Du von ihm? — Glaubst Du, daß der Geheimrath Recht hat? Sage einmal Alles, wie Du’s selber denkst!“ Pauline warf einen Blick aufwärts, der ein Gebet um Kraft und Segen war. Die Stunde war jetzt plötzlich gekommen, die sie so oft ersehnt und die sie nie zu erleben geglaubt hatte — die Stunde, wo ihr der Vater selbst ein freies Wort gestattete für die Unglücklichen, deren Loos sie täglich bejammerte, und aus welchen ihr Vater so leicht glückliche, vielleicht auch gute Menschen machen konnte. „Mein Vater,“ begann sie und wünschte sich alle Beredtsamkeit der überzeugendsten Redner und wünschte, daß all’ jene Hundert, für welche sie sprechen wollte, im Stillen mit ihr um Segen für ihre Worte beten mögten. „Mein Vater, die Leute sind gut — und wenn Hunger, Frost, Krankheit, oder irgend eine Noth sie unzufrieden macht, so murren sie gleich laut und machen sich mit Schimpfen und Fluchen Luft — aber heimtückisch sind sie nicht und finstere Pläne spinnen sie nicht — dazu sind sie viel zu unwissend und wie Kinder. Aber sie klagen und murren wohl, wenn ihnen von ihrem Lohn abgezogen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0217" n="211"/> mitten hineingekommen unter das Gesindel — und das legt seiner Rohheit keinen Zügel an, wenn auch die Tochter seines Herrn dabei ist — rede einmal gerade heraus: was sagt denn das Gesindel von mir — und was sagst Du von ihm? — Glaubst Du, daß der Geheimrath Recht hat? Sage einmal Alles, wie Du’s selber denkst!“</p> <p>Pauline warf einen Blick aufwärts, der ein Gebet um Kraft und Segen war. Die Stunde war jetzt plötzlich gekommen, die sie so oft ersehnt und die sie nie zu erleben geglaubt hatte — die Stunde, wo ihr der Vater selbst ein freies Wort gestattete für die Unglücklichen, deren Loos sie täglich bejammerte, und aus welchen ihr Vater so leicht glückliche, vielleicht auch gute Menschen machen konnte.</p> <p>„Mein Vater,“ begann sie und wünschte sich alle Beredtsamkeit der überzeugendsten Redner und wünschte, daß all’ jene Hundert, für welche sie sprechen wollte, im Stillen mit ihr um Segen für ihre Worte beten mögten. „Mein Vater, die Leute sind gut — und wenn Hunger, Frost, Krankheit, oder irgend eine Noth sie unzufrieden macht, so murren sie gleich laut und machen sich mit Schimpfen und Fluchen Luft — aber heimtückisch sind sie nicht und finstere Pläne spinnen sie nicht — dazu sind sie viel zu unwissend und wie Kinder. Aber sie klagen und murren wohl, wenn ihnen von ihrem Lohn abgezogen </p> </div> </body> </text> </TEI> [211/0217]
mitten hineingekommen unter das Gesindel — und das legt seiner Rohheit keinen Zügel an, wenn auch die Tochter seines Herrn dabei ist — rede einmal gerade heraus: was sagt denn das Gesindel von mir — und was sagst Du von ihm? — Glaubst Du, daß der Geheimrath Recht hat? Sage einmal Alles, wie Du’s selber denkst!“
Pauline warf einen Blick aufwärts, der ein Gebet um Kraft und Segen war. Die Stunde war jetzt plötzlich gekommen, die sie so oft ersehnt und die sie nie zu erleben geglaubt hatte — die Stunde, wo ihr der Vater selbst ein freies Wort gestattete für die Unglücklichen, deren Loos sie täglich bejammerte, und aus welchen ihr Vater so leicht glückliche, vielleicht auch gute Menschen machen konnte.
„Mein Vater,“ begann sie und wünschte sich alle Beredtsamkeit der überzeugendsten Redner und wünschte, daß all’ jene Hundert, für welche sie sprechen wollte, im Stillen mit ihr um Segen für ihre Worte beten mögten. „Mein Vater, die Leute sind gut — und wenn Hunger, Frost, Krankheit, oder irgend eine Noth sie unzufrieden macht, so murren sie gleich laut und machen sich mit Schimpfen und Fluchen Luft — aber heimtückisch sind sie nicht und finstere Pläne spinnen sie nicht — dazu sind sie viel zu unwissend und wie Kinder. Aber sie klagen und murren wohl, wenn ihnen von ihrem Lohn abgezogen
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