Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.Dies Schreiben hatte Franz sogleich verbrannt, damit es nicht in unrechte Hände falle, am Wenigsten in die Wilhelms, von dem er jetzt Alles fürchtete. Er selbst hatte sich entschieden, aber traurig abgewendet von diesem Bilde kommenden Elendes, welches das jetzige nicht lindern, sondern nur vermehren könne. Als nun jetzt Wilhelm ihm vorwarf, daß er viel leicht nur um Paulinens willen eine verwegene That scheue, so riß ihn diese Beschuldigung in ein tobendes Meer innerer Zweifel und harter Seelenkämpfe wieder hinein. So roh und abscheulich ihm auch Wilhelms Worte klangen, er war mißtrauisch und streng gegen sich selbst und prüfte sich genau, ob dennoch nicht in irgend einem kleinen Winkel seines Herzens er einen Altar für Pauline wie für eine Heilige aufgerichtet habe, auf dem er all' seine andern Gelübde und Schwüre opfere. Aber er fand sich ohne Schuld. Und wie er so ihrer dachte, da trat ihr Bild in aller mädchenhafter Lieblichkeit vor ihn hin, da meinte er den innigen, liebenden Blick ihres Auges zu sehen und den zärtlichen Händedruck der kleinen weichen Hand zu fühlen -- und da gellten ihm plötzlich wieder Wilhelms Worte in die Ohren: "wenn sie nun arm wäre und Du reich, so könnte sie doch Dein werden! -- Wie? Hättest Du nun nicht Lust die Ordnung der Dinge umzukehren?" Dies Schreiben hatte Franz sogleich verbrannt, damit es nicht in unrechte Hände falle, am Wenigsten in die Wilhelms, von dem er jetzt Alles fürchtete. Er selbst hatte sich entschieden, aber traurig abgewendet von diesem Bilde kommenden Elendes, welches das jetzige nicht lindern, sondern nur vermehren könne. Als nun jetzt Wilhelm ihm vorwarf, daß er viel leicht nur um Paulinens willen eine verwegene That scheue, so riß ihn diese Beschuldigung in ein tobendes Meer innerer Zweifel und harter Seelenkämpfe wieder hinein. So roh und abscheulich ihm auch Wilhelms Worte klangen, er war mißtrauisch und streng gegen sich selbst und prüfte sich genau, ob dennoch nicht in irgend einem kleinen Winkel seines Herzens er einen Altar für Pauline wie für eine Heilige aufgerichtet habe, auf dem er all’ seine andern Gelübde und Schwüre opfere. Aber er fand sich ohne Schuld. Und wie er so ihrer dachte, da trat ihr Bild in aller mädchenhafter Lieblichkeit vor ihn hin, da meinte er den innigen, liebenden Blick ihres Auges zu sehen und den zärtlichen Händedruck der kleinen weichen Hand zu fühlen — und da gellten ihm plötzlich wieder Wilhelms Worte in die Ohren: „wenn sie nun arm wäre und Du reich, so könnte sie doch Dein werden! — Wie? Hättest Du nun nicht Lust die Ordnung der Dinge umzukehren?“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0199" n="193"/> <p> Dies Schreiben hatte Franz sogleich verbrannt, damit es nicht in unrechte Hände falle, am Wenigsten in die Wilhelms, von dem er jetzt Alles fürchtete. Er selbst hatte sich entschieden, aber traurig abgewendet von diesem Bilde kommenden Elendes, welches das jetzige nicht lindern, sondern nur vermehren könne.</p> <p>Als nun jetzt Wilhelm ihm vorwarf, daß er viel leicht nur um Paulinens willen eine verwegene That scheue, so riß ihn diese Beschuldigung in ein tobendes Meer innerer Zweifel und harter Seelenkämpfe wieder hinein. So roh und abscheulich ihm auch Wilhelms Worte klangen, er war mißtrauisch und streng gegen sich selbst und prüfte sich genau, ob dennoch nicht in irgend einem kleinen Winkel seines Herzens er einen Altar für Pauline wie für eine Heilige aufgerichtet habe, auf dem er all’ seine andern Gelübde und Schwüre opfere.</p> <p>Aber er fand sich ohne Schuld.</p> <p>Und wie er so ihrer dachte, da trat ihr Bild in aller mädchenhafter Lieblichkeit vor ihn hin, da meinte er den innigen, liebenden Blick ihres Auges zu sehen und den zärtlichen Händedruck der kleinen weichen Hand zu fühlen — und da gellten ihm plötzlich wieder Wilhelms Worte in die Ohren: „wenn sie nun arm wäre und Du reich, so könnte sie doch Dein werden! — Wie? Hättest Du nun nicht Lust die Ordnung der Dinge umzukehren?“</p> </div> </body> </text> </TEI> [193/0199]
Dies Schreiben hatte Franz sogleich verbrannt, damit es nicht in unrechte Hände falle, am Wenigsten in die Wilhelms, von dem er jetzt Alles fürchtete. Er selbst hatte sich entschieden, aber traurig abgewendet von diesem Bilde kommenden Elendes, welches das jetzige nicht lindern, sondern nur vermehren könne.
Als nun jetzt Wilhelm ihm vorwarf, daß er viel leicht nur um Paulinens willen eine verwegene That scheue, so riß ihn diese Beschuldigung in ein tobendes Meer innerer Zweifel und harter Seelenkämpfe wieder hinein. So roh und abscheulich ihm auch Wilhelms Worte klangen, er war mißtrauisch und streng gegen sich selbst und prüfte sich genau, ob dennoch nicht in irgend einem kleinen Winkel seines Herzens er einen Altar für Pauline wie für eine Heilige aufgerichtet habe, auf dem er all’ seine andern Gelübde und Schwüre opfere.
Aber er fand sich ohne Schuld.
Und wie er so ihrer dachte, da trat ihr Bild in aller mädchenhafter Lieblichkeit vor ihn hin, da meinte er den innigen, liebenden Blick ihres Auges zu sehen und den zärtlichen Händedruck der kleinen weichen Hand zu fühlen — und da gellten ihm plötzlich wieder Wilhelms Worte in die Ohren: „wenn sie nun arm wäre und Du reich, so könnte sie doch Dein werden! — Wie? Hättest Du nun nicht Lust die Ordnung der Dinge umzukehren?“
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