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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.

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wahr als alt: Wem Viel gegeben, von dem wird Viel gefordert werden --" versetzte Thalheim.

"Meinen Sie -- daß ich lernen soll, mir selbst die Zügel überzuwerfen? -- O, der Mühe hat mich ja mein Vater überhoben," sagte Eduin gereizt, "er hat mir ja die Zügel selbst umgelegt und dann zur Leitung in geübte Hände gegeben."

Thalheim nahm seine Hand und sah ihn fest an, indem er ruhig sagte: "Sie wollen mich beleidigen -- Womit hab' ich das verdient? Wenn ich noch ein Jüngling wäre, würde ich mich in Ihre Arme werfen und sagen: Wir denken gleich in Allem -- lass' uns Brüder sein! Vor funfzehn Jahren würd' ich dies gekonnt haben -- aber ich weiß es wohl: das Alter muß vergebens betteln gehn um die Liebe der Jugend, weil man in jeder Falte des Angesichtes die Linie eines strengen Richtmaaßes zu sehen wähnt -- und doch! -- Eduin, wären wir uns früher begegnet -- wir hätten uns einander ebenbürtig gefunden -- nun trennt uns die Kluft der Jahre und wenn ich über sie hinweg meine Arme nach Ihnen ausbreite, so stehen Sie argwöhnisch mir gegenüber und bleiben fern --" eine große Thräne war in sein Auge getreten -- da lag plötzlich Eduin zu seinen Füßen -- erst jetzt verstand er die liebestarke Seele dieses hohen Menschen.

wahr als alt: Wem Viel gegeben, von dem wird Viel gefordert werden —“ versetzte Thalheim.

„Meinen Sie — daß ich lernen soll, mir selbst die Zügel überzuwerfen? — O, der Mühe hat mich ja mein Vater überhoben,“ sagte Eduin gereizt, „er hat mir ja die Zügel selbst umgelegt und dann zur Leitung in geübte Hände gegeben.“

Thalheim nahm seine Hand und sah ihn fest an, indem er ruhig sagte: „Sie wollen mich beleidigen — Womit hab’ ich das verdient? Wenn ich noch ein Jüngling wäre, würde ich mich in Ihre Arme werfen und sagen: Wir denken gleich in Allem — lass’ uns Brüder sein! Vor funfzehn Jahren würd’ ich dies gekonnt haben — aber ich weiß es wohl: das Alter muß vergebens betteln gehn um die Liebe der Jugend, weil man in jeder Falte des Angesichtes die Linie eines strengen Richtmaaßes zu sehen wähnt — und doch! — Eduin, wären wir uns früher begegnet — wir hätten uns einander ebenbürtig gefunden — nun trennt uns die Kluft der Jahre und wenn ich über sie hinweg meine Arme nach Ihnen ausbreite, so stehen Sie argwöhnisch mir gegenüber und bleiben fern —“ eine große Thräne war in sein Auge getreten — da lag plötzlich Eduin zu seinen Füßen — erst jetzt verstand er die liebestarke Seele dieses hohen Menschen.

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[143/0149] wahr als alt: Wem Viel gegeben, von dem wird Viel gefordert werden —“ versetzte Thalheim. „Meinen Sie — daß ich lernen soll, mir selbst die Zügel überzuwerfen? — O, der Mühe hat mich ja mein Vater überhoben,“ sagte Eduin gereizt, „er hat mir ja die Zügel selbst umgelegt und dann zur Leitung in geübte Hände gegeben.“ Thalheim nahm seine Hand und sah ihn fest an, indem er ruhig sagte: „Sie wollen mich beleidigen — Womit hab’ ich das verdient? Wenn ich noch ein Jüngling wäre, würde ich mich in Ihre Arme werfen und sagen: Wir denken gleich in Allem — lass’ uns Brüder sein! Vor funfzehn Jahren würd’ ich dies gekonnt haben — aber ich weiß es wohl: das Alter muß vergebens betteln gehn um die Liebe der Jugend, weil man in jeder Falte des Angesichtes die Linie eines strengen Richtmaaßes zu sehen wähnt — und doch! — Eduin, wären wir uns früher begegnet — wir hätten uns einander ebenbürtig gefunden — nun trennt uns die Kluft der Jahre und wenn ich über sie hinweg meine Arme nach Ihnen ausbreite, so stehen Sie argwöhnisch mir gegenüber und bleiben fern —“ eine große Thräne war in sein Auge getreten — da lag plötzlich Eduin zu seinen Füßen — erst jetzt verstand er die liebestarke Seele dieses hohen Menschen.

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/149>, abgerufen am 25.11.2024.