Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.Sanftmuth, als früher -- aber das verhängnißvolle Wort war doch gesprochen worden, es konnte nicht wieder zurückgenommen werden. Thalheims Milde gegen sie war unveränderlich, wie früher -- aber er näherte sich ihr mit keinem zärtlichen Wort, keinem innigen Blick mehr, er schlang nie mehr, wie sonst, seinen Arm um sie, er drückte keinen Kuß mehr auf ihre Lippen. Von Jaromir, von jener Stunde war zwischen ihnen niemals mehr die Rede, und doch stand die Erinnerung an sie immer lebendig vor Beiden, und also auch immer zwischen Beiden. Thalheims Entschluß war gefaßt. Er hatte ihn lange geprüft und erwogen, nun stand er unerschütterlich fest. -- Freiherr von Waldow und Graf Osten suchten für ihre beiden Söhne einen Lehrer, welcher dieselben zugleich als Mentor auf Reisen begleiten könne. Er hatte sich dazu gemeldet, und war mit Freuden angenommen worden. Der Gehalt, den man ihm zusicherte, war bedeutender, als sein bisheriger. Er hatte diesen Schritt gethan, weil er fühlte, er könne nicht mehr an der Seite seiner Gattin leben, er mußte fort von ihr, andere Luft, andere Menschen um sich haben. Er liebte seine Gattin -- auch noch jetzt, wo er wußte, daß dieses Gefühl nie eine ähnliche Erwiderung gefunden. Ihre Fehler und Schwächen, die er nicht zu verkennen vermogt hatte, nahm er nicht für individuelle, er entschuldigte Sanftmuth, als früher — aber das verhängnißvolle Wort war doch gesprochen worden, es konnte nicht wieder zurückgenommen werden. Thalheims Milde gegen sie war unveränderlich, wie früher — aber er näherte sich ihr mit keinem zärtlichen Wort, keinem innigen Blick mehr, er schlang nie mehr, wie sonst, seinen Arm um sie, er drückte keinen Kuß mehr auf ihre Lippen. Von Jaromir, von jener Stunde war zwischen ihnen niemals mehr die Rede, und doch stand die Erinnerung an sie immer lebendig vor Beiden, und also auch immer zwischen Beiden. Thalheims Entschluß war gefaßt. Er hatte ihn lange geprüft und erwogen, nun stand er unerschütterlich fest. — Freiherr von Waldow und Graf Osten suchten für ihre beiden Söhne einen Lehrer, welcher dieselben zugleich als Mentor auf Reisen begleiten könne. Er hatte sich dazu gemeldet, und war mit Freuden angenommen worden. Der Gehalt, den man ihm zusicherte, war bedeutender, als sein bisheriger. Er hatte diesen Schritt gethan, weil er fühlte, er könne nicht mehr an der Seite seiner Gattin leben, er mußte fort von ihr, andere Luft, andere Menschen um sich haben. Er liebte seine Gattin — auch noch jetzt, wo er wußte, daß dieses Gefühl nie eine ähnliche Erwiderung gefunden. Ihre Fehler und Schwächen, die er nicht zu verkennen vermogt hatte, nahm er nicht für individuelle, er entschuldigte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0092" n="82"/> Sanftmuth, als früher — aber das verhängnißvolle Wort war doch gesprochen worden, es konnte nicht wieder zurückgenommen werden. Thalheims Milde gegen sie war unveränderlich, wie früher — aber er näherte sich ihr mit keinem zärtlichen Wort, keinem innigen Blick mehr, er schlang nie mehr, wie sonst, seinen Arm um sie, er drückte keinen Kuß mehr auf ihre Lippen. Von Jaromir, von jener Stunde war zwischen ihnen niemals mehr die Rede, und doch stand die Erinnerung an sie immer lebendig vor Beiden, und also auch immer zwischen Beiden.</p> <p>Thalheims Entschluß war gefaßt. Er hatte ihn lange geprüft und erwogen, nun stand er unerschütterlich fest. — Freiherr von Waldow und Graf Osten suchten für ihre beiden Söhne einen Lehrer, welcher dieselben zugleich als Mentor auf Reisen begleiten könne. Er hatte sich dazu gemeldet, und war mit Freuden angenommen worden. Der Gehalt, den man ihm zusicherte, war bedeutender, als sein bisheriger.</p> <p>Er hatte diesen Schritt gethan, weil er fühlte, er könne nicht mehr an der Seite seiner Gattin leben, er mußte fort von ihr, andere Luft, andere Menschen um sich haben.</p> <p>Er liebte seine Gattin — auch noch jetzt, wo er wußte, daß dieses Gefühl nie eine ähnliche Erwiderung gefunden. Ihre Fehler und Schwächen, die er nicht zu verkennen vermogt hatte, nahm er nicht für individuelle, er entschuldigte </p> </div> </body> </text> </TEI> [82/0092]
Sanftmuth, als früher — aber das verhängnißvolle Wort war doch gesprochen worden, es konnte nicht wieder zurückgenommen werden. Thalheims Milde gegen sie war unveränderlich, wie früher — aber er näherte sich ihr mit keinem zärtlichen Wort, keinem innigen Blick mehr, er schlang nie mehr, wie sonst, seinen Arm um sie, er drückte keinen Kuß mehr auf ihre Lippen. Von Jaromir, von jener Stunde war zwischen ihnen niemals mehr die Rede, und doch stand die Erinnerung an sie immer lebendig vor Beiden, und also auch immer zwischen Beiden.
Thalheims Entschluß war gefaßt. Er hatte ihn lange geprüft und erwogen, nun stand er unerschütterlich fest. — Freiherr von Waldow und Graf Osten suchten für ihre beiden Söhne einen Lehrer, welcher dieselben zugleich als Mentor auf Reisen begleiten könne. Er hatte sich dazu gemeldet, und war mit Freuden angenommen worden. Der Gehalt, den man ihm zusicherte, war bedeutender, als sein bisheriger.
Er hatte diesen Schritt gethan, weil er fühlte, er könne nicht mehr an der Seite seiner Gattin leben, er mußte fort von ihr, andere Luft, andere Menschen um sich haben.
Er liebte seine Gattin — auch noch jetzt, wo er wußte, daß dieses Gefühl nie eine ähnliche Erwiderung gefunden. Ihre Fehler und Schwächen, die er nicht zu verkennen vermogt hatte, nahm er nicht für individuelle, er entschuldigte
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Zitationshilfe: | Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/92>, abgerufen am 28.07.2024. |