Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.Jaromir fühlte in diesem Augenblick ein neues Gefühl in seinem Herzen, das er aber nicht einmal zu fragen vermogte: woher kommst Du mir? Als er so hinter ihr in ihrem Anblick verloren langsam die Treppe herabschritt, trat die Schauspielerin Bella aus dem Garten am Arme eines geschwätzigen Leutnants. "Sie suchten mich in meinem Zimmer, lieber Graf?" sagte Bella zu Jaromir. "Vermuthlich um Ihr unartiges Billet von diesem Morgen wieder zurückzufordern, oder wenigstens dessen Ausdrücke zu corrigiren? Nun -- kommen Sie als reuiger Sünder, wer weiß, ob nicht Vergebung für Sie zu hoffen ist -- ich bin gerade in gnädiger Laune." Bella hätte zu jeder andern Stunde eher Jaromir begegnen und ihn wieder zu ihrem Sclaven machen können -- aber nur jetzt nicht! Der Contrast der Stimmungen und der Erscheinungen war zu groß -- er fühlte plötzlich einen heftigen Widerwillen gegen Bella, und alle Höflichkeit, sogar alle gewöhnlichen Rücksichten vergessend, antwortete er heftig: "Es thut mir leid, daß ich in meiner jetzigen Stimmung unfähig bin, Ihr Gesellschafter zu sein," und eilte mit flüchtigem Gruß an ihr vorüber. Elisabeth war eben zur Hausthüre herausgegangen, Bella hatte sie vorher auch begegnet, und war von der idealischen Schönheit des Mädchens überrascht gewesen. -- Wer Jaromir fühlte in diesem Augenblick ein neues Gefühl in seinem Herzen, das er aber nicht einmal zu fragen vermogte: woher kommst Du mir? Als er so hinter ihr in ihrem Anblick verloren langsam die Treppe herabschritt, trat die Schauspielerin Bella aus dem Garten am Arme eines geschwätzigen Leutnants. „Sie suchten mich in meinem Zimmer, lieber Graf?“ sagte Bella zu Jaromir. „Vermuthlich um Ihr unartiges Billet von diesem Morgen wieder zurückzufordern, oder wenigstens dessen Ausdrücke zu corrigiren? Nun — kommen Sie als reuiger Sünder, wer weiß, ob nicht Vergebung für Sie zu hoffen ist — ich bin gerade in gnädiger Laune.“ Bella hätte zu jeder andern Stunde eher Jaromir begegnen und ihn wieder zu ihrem Sclaven machen können — aber nur jetzt nicht! Der Contrast der Stimmungen und der Erscheinungen war zu groß — er fühlte plötzlich einen heftigen Widerwillen gegen Bella, und alle Höflichkeit, sogar alle gewöhnlichen Rücksichten vergessend, antwortete er heftig: „Es thut mir leid, daß ich in meiner jetzigen Stimmung unfähig bin, Ihr Gesellschafter zu sein,“ und eilte mit flüchtigem Gruß an ihr vorüber. Elisabeth war eben zur Hausthüre herausgegangen, Bella hatte sie vorher auch begegnet, und war von der idealischen Schönheit des Mädchens überrascht gewesen. — Wer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0088" n="78"/> <p> Jaromir fühlte in diesem Augenblick ein neues Gefühl in seinem Herzen, das er aber nicht einmal zu fragen vermogte: woher kommst Du mir?</p> <p>Als er so hinter ihr in ihrem Anblick verloren langsam die Treppe herabschritt, trat die Schauspielerin Bella aus dem Garten am Arme eines geschwätzigen Leutnants.</p> <p>„Sie suchten mich in meinem Zimmer, lieber Graf?“ sagte Bella zu Jaromir. „Vermuthlich um Ihr unartiges Billet von diesem Morgen wieder zurückzufordern, oder wenigstens dessen Ausdrücke zu corrigiren? Nun — kommen Sie als reuiger Sünder, wer weiß, ob nicht Vergebung für Sie zu hoffen ist — ich bin gerade in gnädiger Laune.“</p> <p>Bella hätte zu jeder andern Stunde eher Jaromir begegnen und ihn wieder zu ihrem Sclaven machen können — aber nur jetzt nicht!</p> <p>Der Contrast der Stimmungen und der Erscheinungen war zu groß — er fühlte plötzlich einen heftigen Widerwillen gegen Bella, und alle Höflichkeit, sogar alle gewöhnlichen Rücksichten vergessend, antwortete er heftig:</p> <p>„Es thut mir leid, daß ich in meiner jetzigen Stimmung unfähig bin, Ihr Gesellschafter zu sein,“ und eilte mit flüchtigem Gruß an ihr vorüber.</p> <p>Elisabeth war eben zur Hausthüre herausgegangen, Bella hatte sie vorher auch begegnet, und war von der idealischen Schönheit des Mädchens überrascht gewesen. — Wer </p> </div> </body> </text> </TEI> [78/0088]
Jaromir fühlte in diesem Augenblick ein neues Gefühl in seinem Herzen, das er aber nicht einmal zu fragen vermogte: woher kommst Du mir?
Als er so hinter ihr in ihrem Anblick verloren langsam die Treppe herabschritt, trat die Schauspielerin Bella aus dem Garten am Arme eines geschwätzigen Leutnants.
„Sie suchten mich in meinem Zimmer, lieber Graf?“ sagte Bella zu Jaromir. „Vermuthlich um Ihr unartiges Billet von diesem Morgen wieder zurückzufordern, oder wenigstens dessen Ausdrücke zu corrigiren? Nun — kommen Sie als reuiger Sünder, wer weiß, ob nicht Vergebung für Sie zu hoffen ist — ich bin gerade in gnädiger Laune.“
Bella hätte zu jeder andern Stunde eher Jaromir begegnen und ihn wieder zu ihrem Sclaven machen können — aber nur jetzt nicht!
Der Contrast der Stimmungen und der Erscheinungen war zu groß — er fühlte plötzlich einen heftigen Widerwillen gegen Bella, und alle Höflichkeit, sogar alle gewöhnlichen Rücksichten vergessend, antwortete er heftig:
„Es thut mir leid, daß ich in meiner jetzigen Stimmung unfähig bin, Ihr Gesellschafter zu sein,“ und eilte mit flüchtigem Gruß an ihr vorüber.
Elisabeth war eben zur Hausthüre herausgegangen, Bella hatte sie vorher auch begegnet, und war von der idealischen Schönheit des Mädchens überrascht gewesen. — Wer
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Zitationshilfe: | Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/88>, abgerufen am 16.02.2025. |