Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.zuvor gesagt, daß ich Deiner Vergebung ja so sehr bedarf! Komm, komm!" "Vergieb mir," sagte er, "diese Aufwallung, ich will still anhören." Und er setzte sich wieder auf sei nen vorigen Platz, drückte schmerzlich-lächelnd Amaliens Hand, die sie ihm entgegen streckte, und sah dann aufmerksam lauschend vor sich nieder. Niemand konnte es ihm mehr ansehen, welche widerstreitenden Gefühle in seiner Seele tobten. Die Kranke begann wieder: "Lass' mich kurz sein. Du gingest oft bei uns aus und ein, meine Mutter hing mit der wärmsten Hochachtung und zugleich zärtlichsten Mutterliebe an Dir -- ich bewunderte Deine Großmuth, Deine Aufopferungen, Deine stete Milde -- aber mir war ewig, als stündest Du auf einer kalten, klaren Höhe, die ich nimmer erklimmen könnte, die mich auch nimmer lockte. Da war es wieder einmal, daß mir Jaromir lange nicht geschrieben, ein Gerücht nannte ihn als den Liebhaber einer schönen verwittweten Gräfin -- ich machte ihm eifersüchtige Vorwürfe, die er stolz ignorirte, endlich antwortete er aufgebracht, ich möge ihn nicht so unzart quälen, er thue es ja auch mir nie, denn er vertraue mir -- -- In diesen edlen Worten sah ich nur die Sprache der Gleichgültigkeit, mein Stolz überredete mich, daß er mich so sehr in seiner Gewalt zu haben glaube, daß neben ihm für mich jeder andere Mann verschwinden müsse -- dafür wollt' ich ihn demüthigen, zuvor gesagt, daß ich Deiner Vergebung ja so sehr bedarf! Komm, komm!“ „Vergieb mir,“ sagte er, „diese Aufwallung, ich will still anhören.“ Und er setzte sich wieder auf sei nen vorigen Platz, drückte schmerzlich-lächelnd Amaliens Hand, die sie ihm entgegen streckte, und sah dann aufmerksam lauschend vor sich nieder. Niemand konnte es ihm mehr ansehen, welche widerstreitenden Gefühle in seiner Seele tobten. Die Kranke begann wieder: „Lass’ mich kurz sein. Du gingest oft bei uns aus und ein, meine Mutter hing mit der wärmsten Hochachtung und zugleich zärtlichsten Mutterliebe an Dir — ich bewunderte Deine Großmuth, Deine Aufopferungen, Deine stete Milde — aber mir war ewig, als stündest Du auf einer kalten, klaren Höhe, die ich nimmer erklimmen könnte, die mich auch nimmer lockte. Da war es wieder einmal, daß mir Jaromir lange nicht geschrieben, ein Gerücht nannte ihn als den Liebhaber einer schönen verwittweten Gräfin — ich machte ihm eifersüchtige Vorwürfe, die er stolz ignorirte, endlich antwortete er aufgebracht, ich möge ihn nicht so unzart quälen, er thue es ja auch mir nie, denn er vertraue mir — — In diesen edlen Worten sah ich nur die Sprache der Gleichgültigkeit, mein Stolz überredete mich, daß er mich so sehr in seiner Gewalt zu haben glaube, daß neben ihm für mich jeder andere Mann verschwinden müsse — dafür wollt’ ich ihn demüthigen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0039" n="29"/> zuvor gesagt, daß ich Deiner Vergebung ja so sehr bedarf! Komm, komm!“</p> <p>„Vergieb mir,“ sagte er, „diese Aufwallung, ich will still anhören.“ Und er setzte sich wieder auf sei nen vorigen Platz, drückte schmerzlich-lächelnd Amaliens Hand, die sie ihm entgegen streckte, und sah dann aufmerksam lauschend vor sich nieder. Niemand konnte es ihm mehr ansehen, welche widerstreitenden Gefühle in seiner Seele tobten.</p> <p>Die Kranke begann wieder: „Lass’ mich kurz sein. Du gingest oft bei uns aus und ein, meine Mutter hing mit der wärmsten Hochachtung und zugleich zärtlichsten Mutterliebe an Dir — ich bewunderte Deine Großmuth, Deine Aufopferungen, Deine stete Milde — aber mir war ewig, als stündest Du auf einer kalten, klaren Höhe, die ich nimmer erklimmen könnte, die mich auch nimmer lockte. Da war es wieder einmal, daß mir Jaromir lange nicht geschrieben, ein Gerücht nannte ihn als den Liebhaber einer schönen verwittweten Gräfin — ich machte ihm eifersüchtige Vorwürfe, die er stolz ignorirte, endlich antwortete er aufgebracht, ich möge ihn nicht so unzart quälen, er thue es ja auch mir nie, denn er vertraue mir — — In diesen edlen Worten sah ich nur die Sprache der Gleichgültigkeit, mein Stolz überredete mich, daß er mich so sehr in seiner Gewalt zu haben glaube, daß neben ihm für mich jeder andere Mann verschwinden müsse — dafür wollt’ ich ihn demüthigen, </p> </div> </body> </text> </TEI> [29/0039]
zuvor gesagt, daß ich Deiner Vergebung ja so sehr bedarf! Komm, komm!“
„Vergieb mir,“ sagte er, „diese Aufwallung, ich will still anhören.“ Und er setzte sich wieder auf sei nen vorigen Platz, drückte schmerzlich-lächelnd Amaliens Hand, die sie ihm entgegen streckte, und sah dann aufmerksam lauschend vor sich nieder. Niemand konnte es ihm mehr ansehen, welche widerstreitenden Gefühle in seiner Seele tobten.
Die Kranke begann wieder: „Lass’ mich kurz sein. Du gingest oft bei uns aus und ein, meine Mutter hing mit der wärmsten Hochachtung und zugleich zärtlichsten Mutterliebe an Dir — ich bewunderte Deine Großmuth, Deine Aufopferungen, Deine stete Milde — aber mir war ewig, als stündest Du auf einer kalten, klaren Höhe, die ich nimmer erklimmen könnte, die mich auch nimmer lockte. Da war es wieder einmal, daß mir Jaromir lange nicht geschrieben, ein Gerücht nannte ihn als den Liebhaber einer schönen verwittweten Gräfin — ich machte ihm eifersüchtige Vorwürfe, die er stolz ignorirte, endlich antwortete er aufgebracht, ich möge ihn nicht so unzart quälen, er thue es ja auch mir nie, denn er vertraue mir — — In diesen edlen Worten sah ich nur die Sprache der Gleichgültigkeit, mein Stolz überredete mich, daß er mich so sehr in seiner Gewalt zu haben glaube, daß neben ihm für mich jeder andere Mann verschwinden müsse — dafür wollt’ ich ihn demüthigen,
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