Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.eines dieser Mädchen nannte man ihr kurzweg als Pauline Felchner. Als Elisabeth die Genannte befremdet mit kaltem Blicke maß, sagte ein schnippisches Fräulein bitter: "Sie werden einander wohl nicht kennen, obwohl Sie eigentlich Nachbarinnen sind, denn Fabrikant Felchner's Dampfmaschinen hört man ja wohl bis in das Schloß des Grafen Hohenthal lärmen." "Nein, wir kennen uns nicht," versetzte Elisabeth kalt. "Es wäre auch anders nicht möglich," nahm Pauline erröthend und mit bebender Stimme das Wort, "denn seit meiner frühesten Kindheit, wo ich mutterlos ward, bin ich vom Vaterhaus entfernt gewesen. Desto mehr," fügte sie hinzu, indem ihre sanften blauen Augen unwillkührlich naß wurden, "sehne ich mich nun dahin zurück." Ward Pauline als das einzige bürgerliche Mädchen unter so vielen hochgeborenen zurückgesetzt und von diesen selbst geringschätzig behandelt, oder doch wenigstens allen Andern nachgesetzt, so hegte Elisabeth noch ein anderes Vorurtheil gegen sie; ihre Kameradin sollte die Tochter desselben Fabrikherrn sein, dessen Nachbarschaft mit dem Hohenthal'schen Schloß für dessen Besitzer schon so unbequem, als widerwärtig war. Zwar verschmähte es Elisabeth, die sanfte, bescheidne Pauline gleich den andern Mädchen absichtlich zu kränken und sich fühlbar über sie zu erheben, eines dieser Mädchen nannte man ihr kurzweg als Pauline Felchner. Als Elisabeth die Genannte befremdet mit kaltem Blicke maß, sagte ein schnippisches Fräulein bitter: „Sie werden einander wohl nicht kennen, obwohl Sie eigentlich Nachbarinnen sind, denn Fabrikant Felchner’s Dampfmaschinen hört man ja wohl bis in das Schloß des Grafen Hohenthal lärmen.“ „Nein, wir kennen uns nicht,“ versetzte Elisabeth kalt. „Es wäre auch anders nicht möglich,“ nahm Pauline erröthend und mit bebender Stimme das Wort, „denn seit meiner frühesten Kindheit, wo ich mutterlos ward, bin ich vom Vaterhaus entfernt gewesen. Desto mehr,“ fügte sie hinzu, indem ihre sanften blauen Augen unwillkührlich naß wurden, „sehne ich mich nun dahin zurück.“ Ward Pauline als das einzige bürgerliche Mädchen unter so vielen hochgeborenen zurückgesetzt und von diesen selbst geringschätzig behandelt, oder doch wenigstens allen Andern nachgesetzt, so hegte Elisabeth noch ein anderes Vorurtheil gegen sie; ihre Kameradin sollte die Tochter desselben Fabrikherrn sein, dessen Nachbarschaft mit dem Hohenthal’schen Schloß für dessen Besitzer schon so unbequem, als widerwärtig war. Zwar verschmähte es Elisabeth, die sanfte, bescheidne Pauline gleich den andern Mädchen absichtlich zu kränken und sich fühlbar über sie zu erheben, <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0026" n="16"/> eines dieser Mädchen nannte man ihr kurzweg als Pauline Felchner.</p> <p>Als Elisabeth die Genannte befremdet mit kaltem Blicke maß, sagte ein schnippisches Fräulein bitter: „Sie werden einander wohl nicht kennen, obwohl Sie eigentlich Nachbarinnen sind, denn Fabrikant Felchner’s Dampfmaschinen hört man ja wohl bis in das Schloß des Grafen Hohenthal lärmen.“</p> <p>„Nein, wir kennen uns nicht,“ versetzte Elisabeth kalt.</p> <p>„Es wäre auch anders nicht möglich,“ nahm Pauline erröthend und mit bebender Stimme das Wort, „denn seit meiner frühesten Kindheit, wo ich mutterlos ward, bin ich vom Vaterhaus entfernt gewesen. Desto mehr,“ fügte sie hinzu, indem ihre sanften blauen Augen unwillkührlich naß wurden, „sehne ich mich nun dahin zurück.“</p> <p>Ward Pauline als das einzige bürgerliche Mädchen unter so vielen hochgeborenen zurückgesetzt und von diesen selbst geringschätzig behandelt, oder doch wenigstens allen Andern nachgesetzt, so hegte Elisabeth noch ein anderes Vorurtheil gegen sie; ihre Kameradin sollte die Tochter desselben Fabrikherrn sein, dessen Nachbarschaft mit dem Hohenthal’schen Schloß für dessen Besitzer schon so unbequem, als widerwärtig war. Zwar verschmähte es Elisabeth, die sanfte, bescheidne Pauline gleich den andern Mädchen absichtlich zu kränken und sich fühlbar über sie zu erheben, </p> </div> </body> </text> </TEI> [16/0026]
eines dieser Mädchen nannte man ihr kurzweg als Pauline Felchner.
Als Elisabeth die Genannte befremdet mit kaltem Blicke maß, sagte ein schnippisches Fräulein bitter: „Sie werden einander wohl nicht kennen, obwohl Sie eigentlich Nachbarinnen sind, denn Fabrikant Felchner’s Dampfmaschinen hört man ja wohl bis in das Schloß des Grafen Hohenthal lärmen.“
„Nein, wir kennen uns nicht,“ versetzte Elisabeth kalt.
„Es wäre auch anders nicht möglich,“ nahm Pauline erröthend und mit bebender Stimme das Wort, „denn seit meiner frühesten Kindheit, wo ich mutterlos ward, bin ich vom Vaterhaus entfernt gewesen. Desto mehr,“ fügte sie hinzu, indem ihre sanften blauen Augen unwillkührlich naß wurden, „sehne ich mich nun dahin zurück.“
Ward Pauline als das einzige bürgerliche Mädchen unter so vielen hochgeborenen zurückgesetzt und von diesen selbst geringschätzig behandelt, oder doch wenigstens allen Andern nachgesetzt, so hegte Elisabeth noch ein anderes Vorurtheil gegen sie; ihre Kameradin sollte die Tochter desselben Fabrikherrn sein, dessen Nachbarschaft mit dem Hohenthal’schen Schloß für dessen Besitzer schon so unbequem, als widerwärtig war. Zwar verschmähte es Elisabeth, die sanfte, bescheidne Pauline gleich den andern Mädchen absichtlich zu kränken und sich fühlbar über sie zu erheben,
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