Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.Berlin --: urtheilen Sie, ob ich noch leidenschaftlicher Liebe fähig bin. Nein, ich habe Sie für immer begraben! -- Und wissen Sie, wenn das war? -- An jenem Tage, als Sie sich zuerst darüber beklagten, daß ich gegen Sie verändert und unhöflich gewesen. Ich sage Ihnen Alles. Meine erste Liebe war ein allmächtiges, heiliges Gefühl, das mein ganzes Dasein, mein ganzes Streben ausfüllte -- meine erste Geliebte ward mir untren -- begreifen Sie, was das heißt? Meine Liebe war mein Leben gewesen, sie allein hatte ihm Farbe und Glanz gegeben, und diese Liebe ward verhöhnt, in den Staub getreten, und dadurch ward mein ganzes Leben zu einem wesenlosen, finstern Schemen. O, es ging Alles sehr natürlich zu -- es war gar nichts Außergewöhnliches -- das Mädchen war gewiß sehr vernünftig," sagte er höhnisch, indem er dabei innerlich zitterte -- "es machte eine gute Partie -- es war arm, und ich damals auch, und hätte auf mich noch lange warten müssen -- der Andere wandte ihr den Brautkranz sogleich in's Haar -- so Etwas geschieht alle Tage -- warum nicht auch eines Tages mir? -- Jahre sind vergangen, ich hatte meine Verzweiflung und das Mädchen vergessen -- an jenem Tage, wo sie zuerst über mich klagten, stand ich an dem Sterbebette dieser Einstgeliebten -- wohin sie mich verlangt hatte. Ich brachte keine Liebe mehr mit zu ihr -- keine Liebe -- sie war für immer aus meiner Brust gerissen -- und das war der Berlin —: urtheilen Sie, ob ich noch leidenschaftlicher Liebe fähig bin. Nein, ich habe Sie für immer begraben! — Und wissen Sie, wenn das war? — An jenem Tage, als Sie sich zuerst darüber beklagten, daß ich gegen Sie verändert und unhöflich gewesen. Ich sage Ihnen Alles. Meine erste Liebe war ein allmächtiges, heiliges Gefühl, das mein ganzes Dasein, mein ganzes Streben ausfüllte — meine erste Geliebte ward mir untren — begreifen Sie, was das heißt? Meine Liebe war mein Leben gewesen, sie allein hatte ihm Farbe und Glanz gegeben, und diese Liebe ward verhöhnt, in den Staub getreten, und dadurch ward mein ganzes Leben zu einem wesenlosen, finstern Schemen. O, es ging Alles sehr natürlich zu — es war gar nichts Außergewöhnliches — das Mädchen war gewiß sehr vernünftig,“ sagte er höhnisch, indem er dabei innerlich zitterte — „es machte eine gute Partie — es war arm, und ich damals auch, und hätte auf mich noch lange warten müssen — der Andere wandte ihr den Brautkranz sogleich in’s Haar — so Etwas geschieht alle Tage — warum nicht auch eines Tages mir? — Jahre sind vergangen, ich hatte meine Verzweiflung und das Mädchen vergessen — an jenem Tage, wo sie zuerst über mich klagten, stand ich an dem Sterbebette dieser Einstgeliebten — wohin sie mich verlangt hatte. Ich brachte keine Liebe mehr mit zu ihr — keine Liebe — sie war für immer aus meiner Brust gerissen — und das war der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0197" n="187"/> Berlin —: urtheilen Sie, ob ich noch leidenschaftlicher Liebe fähig bin. Nein, ich habe Sie für immer begraben! — Und wissen Sie, wenn das war? — An jenem Tage, als Sie sich zuerst darüber beklagten, daß ich gegen Sie verändert und unhöflich gewesen. Ich sage Ihnen Alles. Meine erste Liebe war ein allmächtiges, heiliges Gefühl, das mein ganzes Dasein, mein ganzes Streben ausfüllte — meine erste Geliebte ward mir untren — begreifen Sie, was das heißt? Meine Liebe war mein Leben gewesen, sie allein hatte ihm Farbe und Glanz gegeben, und diese Liebe ward verhöhnt, in den Staub getreten, und dadurch ward mein ganzes Leben zu einem wesenlosen, finstern Schemen. O, es ging Alles sehr natürlich zu — es war gar nichts Außergewöhnliches — das Mädchen war gewiß sehr vernünftig,“ sagte er höhnisch, indem er dabei innerlich zitterte — „es machte eine gute Partie — es war arm, und ich damals auch, und hätte auf mich noch lange warten müssen — der Andere wandte ihr den Brautkranz sogleich in’s Haar — so Etwas geschieht alle Tage — warum nicht auch eines Tages mir? — Jahre sind vergangen, ich hatte meine Verzweiflung und das Mädchen vergessen — an jenem Tage, wo sie zuerst über mich klagten, stand ich an dem Sterbebette dieser Einstgeliebten — wohin sie mich verlangt hatte. Ich brachte keine Liebe mehr mit zu ihr — keine Liebe — sie war für immer aus meiner Brust gerissen — und das war der </p> </div> </body> </text> </TEI> [187/0197]
Berlin —: urtheilen Sie, ob ich noch leidenschaftlicher Liebe fähig bin. Nein, ich habe Sie für immer begraben! — Und wissen Sie, wenn das war? — An jenem Tage, als Sie sich zuerst darüber beklagten, daß ich gegen Sie verändert und unhöflich gewesen. Ich sage Ihnen Alles. Meine erste Liebe war ein allmächtiges, heiliges Gefühl, das mein ganzes Dasein, mein ganzes Streben ausfüllte — meine erste Geliebte ward mir untren — begreifen Sie, was das heißt? Meine Liebe war mein Leben gewesen, sie allein hatte ihm Farbe und Glanz gegeben, und diese Liebe ward verhöhnt, in den Staub getreten, und dadurch ward mein ganzes Leben zu einem wesenlosen, finstern Schemen. O, es ging Alles sehr natürlich zu — es war gar nichts Außergewöhnliches — das Mädchen war gewiß sehr vernünftig,“ sagte er höhnisch, indem er dabei innerlich zitterte — „es machte eine gute Partie — es war arm, und ich damals auch, und hätte auf mich noch lange warten müssen — der Andere wandte ihr den Brautkranz sogleich in’s Haar — so Etwas geschieht alle Tage — warum nicht auch eines Tages mir? — Jahre sind vergangen, ich hatte meine Verzweiflung und das Mädchen vergessen — an jenem Tage, wo sie zuerst über mich klagten, stand ich an dem Sterbebette dieser Einstgeliebten — wohin sie mich verlangt hatte. Ich brachte keine Liebe mehr mit zu ihr — keine Liebe — sie war für immer aus meiner Brust gerissen — und das war der
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Zitationshilfe: | Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/197>, abgerufen am 22.07.2024. |