Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.Zeit, wo aus der knospenden Kindheit ein heiliger Zauberschlag die volle Blüthe reifer Jugend entfaltet -- da liebt man ganz und wahrhaftig, da lebt man im lachenden Frühling, wo der Himmel ewig blau ist, und die ganze Natur grün und blühend und ein seliges Paradies. -- -- Aber jeder Mensch muß sein Paradies verlieren; die Einen treibt der Racheengel gewaltsam fort, die Andern kehren ihm langsam, aber freiwillig den Rücken, freiwillig -- bis sie plötzlich gewahr werden, was sie verloren, und nicht mehr zurück können." Er hielt inne -- er hatte begeistert, aber sanft gesprochen, als wenn er daheim allein an seinem Schreibtisch säße, und nur sein Papier zum Zeugen hätte -- seine Augen glänzten, seine Lippen zuckten schmerzlich lächelnd, ein sanftes Roth lag auf seinen Wangen -- sie hatte ihn nie schöner gesehen. Sie setzte sich wieder, und wagte Nichts zu entgegnen, endlich sagte sie: "Sprechen Sie so weiter," und während ihre Augen innig an ihm hingen, fuhr er fort: "Was man später von Liebe spricht, so ist es ein Spiel, das man nicht mit dem fremden Herzen allein, sondern auch mit dem eignen treibt -- aber das Spiel ermüdet, man läßt das Spiel auch fallen -- und wenn es dabei zerbricht, so sagt man mit einem Seufzer, wie das Kind: ich habe Zeit, wo aus der knospenden Kindheit ein heiliger Zauberschlag die volle Blüthe reifer Jugend entfaltet — da liebt man ganz und wahrhaftig, da lebt man im lachenden Frühling, wo der Himmel ewig blau ist, und die ganze Natur grün und blühend und ein seliges Paradies. — — Aber jeder Mensch muß sein Paradies verlieren; die Einen treibt der Racheengel gewaltsam fort, die Andern kehren ihm langsam, aber freiwillig den Rücken, freiwillig — bis sie plötzlich gewahr werden, was sie verloren, und nicht mehr zurück können.“ Er hielt inne — er hatte begeistert, aber sanft gesprochen, als wenn er daheim allein an seinem Schreibtisch säße, und nur sein Papier zum Zeugen hätte — seine Augen glänzten, seine Lippen zuckten schmerzlich lächelnd, ein sanftes Roth lag auf seinen Wangen — sie hatte ihn nie schöner gesehen. Sie setzte sich wieder, und wagte Nichts zu entgegnen, endlich sagte sie: „Sprechen Sie so weiter,“ und während ihre Augen innig an ihm hingen, fuhr er fort: „Was man später von Liebe spricht, so ist es ein Spiel, das man nicht mit dem fremden Herzen allein, sondern auch mit dem eignen treibt — aber das Spiel ermüdet, man läßt das Spiel auch fallen — und wenn es dabei zerbricht, so sagt man mit einem Seufzer, wie das Kind: ich habe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0192" n="182"/> Zeit, wo aus der knospenden Kindheit ein heiliger Zauberschlag die volle Blüthe reifer Jugend entfaltet — da liebt man ganz und wahrhaftig, da lebt man im lachenden Frühling, wo der Himmel ewig blau ist, und die ganze Natur grün und blühend und ein seliges Paradies. — — Aber jeder Mensch muß sein Paradies verlieren; die Einen treibt der Racheengel gewaltsam fort, die Andern kehren ihm langsam, aber freiwillig den Rücken, freiwillig — bis sie plötzlich gewahr werden, was sie verloren, und nicht mehr zurück können.“</p> <p>Er hielt inne — er hatte begeistert, aber sanft gesprochen, als wenn er daheim allein an seinem Schreibtisch säße, und nur sein Papier zum Zeugen hätte — seine Augen glänzten, seine Lippen zuckten schmerzlich lächelnd, ein sanftes Roth lag auf seinen Wangen — sie hatte ihn nie schöner gesehen. Sie setzte sich wieder, und wagte Nichts zu entgegnen, endlich sagte sie:</p> <p>„Sprechen Sie so weiter,“ und während ihre Augen innig an ihm hingen, fuhr er fort:</p> <p>„Was man später von Liebe spricht, so ist es ein Spiel, das man nicht mit dem fremden Herzen allein, sondern auch mit dem eignen treibt — aber das Spiel ermüdet, man läßt das Spiel auch fallen — und wenn es dabei zerbricht, so sagt man mit einem Seufzer, wie das Kind: ich habe </p> </div> </body> </text> </TEI> [182/0192]
Zeit, wo aus der knospenden Kindheit ein heiliger Zauberschlag die volle Blüthe reifer Jugend entfaltet — da liebt man ganz und wahrhaftig, da lebt man im lachenden Frühling, wo der Himmel ewig blau ist, und die ganze Natur grün und blühend und ein seliges Paradies. — — Aber jeder Mensch muß sein Paradies verlieren; die Einen treibt der Racheengel gewaltsam fort, die Andern kehren ihm langsam, aber freiwillig den Rücken, freiwillig — bis sie plötzlich gewahr werden, was sie verloren, und nicht mehr zurück können.“
Er hielt inne — er hatte begeistert, aber sanft gesprochen, als wenn er daheim allein an seinem Schreibtisch säße, und nur sein Papier zum Zeugen hätte — seine Augen glänzten, seine Lippen zuckten schmerzlich lächelnd, ein sanftes Roth lag auf seinen Wangen — sie hatte ihn nie schöner gesehen. Sie setzte sich wieder, und wagte Nichts zu entgegnen, endlich sagte sie:
„Sprechen Sie so weiter,“ und während ihre Augen innig an ihm hingen, fuhr er fort:
„Was man später von Liebe spricht, so ist es ein Spiel, das man nicht mit dem fremden Herzen allein, sondern auch mit dem eignen treibt — aber das Spiel ermüdet, man läßt das Spiel auch fallen — und wenn es dabei zerbricht, so sagt man mit einem Seufzer, wie das Kind: ich habe
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Zitationshilfe: | Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/192>, abgerufen am 22.07.2024. |