Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.in der geheizten Stube entstand, und Viele dieser Leute unter sich unschickliche Späße machten, und in groben Ausdrücken sich unterhielten, wohl hier und da auch halblaut die Gaben tadelten, oder darüber lachten -- so ward mir unheimlich zu Muthe, und ich fing an zu weinen. Mein Kammermädchen Friederike, welche ich mitgenommen hatte, mir bei der Bescheerung behilflich zu sein, erschien mir unter diesen Leuten wie das einzige mir gleichstehende Wesen, und als ob es meine beste Freundin sei, sucht' ich an ihrer Seite Schutz vor dieser beängstigenden Umgebung, und indem mich ein kalter Schauer überrieselte, sagte ich leise ausrufend zu ihr: >O, mein Gott, und das sind auch Menschen, wie wir!<" "In diesem Augenblicke war es," fuhr sie weiter fort, nachdem sie einige Momente lang in sinnendem Schweigen vor sich niedergesehen hatte, "als ich Franz Thalheim zuerst sah. Er stand mir zunächst, und hatte meine unvorsichtigen Worte gehört. Er warf einen unbeschreiblichen Blick voll Schmerz und Vorwurf auf mich, vor dem ich beschämt und zitternd meine Augen senkte -- er öffnete den Mund zum Sprechen, und ich fürchtete tadelnde, vielleicht rohe Worte von ihm zu hören -- ich fühlte, daß ich sie verdient hatte -- aber er sprach mit sanfter, bescheidener Stimme, indem er aber ganz dicht neben mich trat, daß außer Friederiken Niemand weiter hören konnte, was er sagte. >Ja, in der geheizten Stube entstand, und Viele dieser Leute unter sich unschickliche Späße machten, und in groben Ausdrücken sich unterhielten, wohl hier und da auch halblaut die Gaben tadelten, oder darüber lachten — so ward mir unheimlich zu Muthe, und ich fing an zu weinen. Mein Kammermädchen Friederike, welche ich mitgenommen hatte, mir bei der Bescheerung behilflich zu sein, erschien mir unter diesen Leuten wie das einzige mir gleichstehende Wesen, und als ob es meine beste Freundin sei, sucht’ ich an ihrer Seite Schutz vor dieser beängstigenden Umgebung, und indem mich ein kalter Schauer überrieselte, sagte ich leise ausrufend zu ihr: ›O, mein Gott, und das sind auch Menschen, wie wir!‹“ „In diesem Augenblicke war es,“ fuhr sie weiter fort, nachdem sie einige Momente lang in sinnendem Schweigen vor sich niedergesehen hatte, „als ich Franz Thalheim zuerst sah. Er stand mir zunächst, und hatte meine unvorsichtigen Worte gehört. Er warf einen unbeschreiblichen Blick voll Schmerz und Vorwurf auf mich, vor dem ich beschämt und zitternd meine Augen senkte — er öffnete den Mund zum Sprechen, und ich fürchtete tadelnde, vielleicht rohe Worte von ihm zu hören — ich fühlte, daß ich sie verdient hatte — aber er sprach mit sanfter, bescheidener Stimme, indem er aber ganz dicht neben mich trat, daß außer Friederiken Niemand weiter hören konnte, was er sagte. ›Ja, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0149" n="139"/> in der geheizten Stube entstand, und Viele dieser Leute unter sich unschickliche Späße machten, und in groben Ausdrücken sich unterhielten, wohl hier und da auch halblaut die Gaben tadelten, oder darüber lachten — so ward mir unheimlich zu Muthe, und ich fing an zu weinen. Mein Kammermädchen Friederike, welche ich mitgenommen hatte, mir bei der Bescheerung behilflich zu sein, erschien mir unter diesen Leuten wie das einzige mir gleichstehende Wesen, und als ob es meine beste Freundin sei, sucht’ ich an ihrer Seite Schutz vor dieser beängstigenden Umgebung, und indem mich ein kalter Schauer überrieselte, sagte ich leise ausrufend zu ihr: ›O, mein Gott, und das sind auch Menschen, wie wir!‹“</p> <p>„In diesem Augenblicke war es,“ fuhr sie weiter fort, nachdem sie einige Momente lang in sinnendem Schweigen vor sich niedergesehen hatte, „als ich Franz Thalheim zuerst sah. Er stand mir zunächst, und hatte meine unvorsichtigen Worte gehört. Er warf einen unbeschreiblichen Blick voll Schmerz und Vorwurf auf mich, vor dem ich beschämt und zitternd meine Augen senkte — er öffnete den Mund zum Sprechen, und ich fürchtete tadelnde, vielleicht rohe Worte von ihm zu hören — ich fühlte, daß ich sie verdient hatte — aber er sprach mit sanfter, bescheidener Stimme, indem er aber ganz dicht neben mich trat, daß außer Friederiken Niemand weiter hören konnte, was er sagte. ›Ja, </p> </div> </body> </text> </TEI> [139/0149]
in der geheizten Stube entstand, und Viele dieser Leute unter sich unschickliche Späße machten, und in groben Ausdrücken sich unterhielten, wohl hier und da auch halblaut die Gaben tadelten, oder darüber lachten — so ward mir unheimlich zu Muthe, und ich fing an zu weinen. Mein Kammermädchen Friederike, welche ich mitgenommen hatte, mir bei der Bescheerung behilflich zu sein, erschien mir unter diesen Leuten wie das einzige mir gleichstehende Wesen, und als ob es meine beste Freundin sei, sucht’ ich an ihrer Seite Schutz vor dieser beängstigenden Umgebung, und indem mich ein kalter Schauer überrieselte, sagte ich leise ausrufend zu ihr: ›O, mein Gott, und das sind auch Menschen, wie wir!‹“
„In diesem Augenblicke war es,“ fuhr sie weiter fort, nachdem sie einige Momente lang in sinnendem Schweigen vor sich niedergesehen hatte, „als ich Franz Thalheim zuerst sah. Er stand mir zunächst, und hatte meine unvorsichtigen Worte gehört. Er warf einen unbeschreiblichen Blick voll Schmerz und Vorwurf auf mich, vor dem ich beschämt und zitternd meine Augen senkte — er öffnete den Mund zum Sprechen, und ich fürchtete tadelnde, vielleicht rohe Worte von ihm zu hören — ich fühlte, daß ich sie verdient hatte — aber er sprach mit sanfter, bescheidener Stimme, indem er aber ganz dicht neben mich trat, daß außer Friederiken Niemand weiter hören konnte, was er sagte. ›Ja,
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Zitationshilfe: | Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/149>, abgerufen am 22.07.2024. |