Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.ihrer Wiedervereinigung thun müsse. Sie wußte, daß dies ihre Eltern kränken würde, aber länger, fühlte sie, durfte sie es ihnen nicht ersparen. Aber als sie sich anschickte in die Fabrik zu gehen, sagte sie noch nicht, wohin sie ihre Schritte lenkte. Es war ein Sonntag Nachmittag. In der Fabrik ward gefeiert. Elisabeth hatte deshalb absichtlich diesen Tag gewählt, weil sie da weniger glaubte jenes Getreibe roher und lärmender Arbeiter dort zu finden, welches ihr so lästig war, und für das sie eben so viel Furcht als Abscheu empfand. Sie ging allein durch den Park, an welchen bereits die ersten Fabrikgebäude grenzten. Es war ein kalter, heller Wintertag, denn seit Weihnachten war der Winter in seiner ganzen empfindlichen Strenge gekommen, eine große Menge Schnee war gefallen, und von einer spätern festen Eiskruste überzogen, lag er undurchdringlich über den Fluren. Die Sonne schien hell, aber ihr Strahl vermogte nicht, auch nur einen Thautropfen hervor zu locken. Auf den Tannen im Wald lagen die weißen Flocken wie dichte Federdecken, krächzende Krähen flogen darüber hin, und ihr Geschrei war der einzige Laut, welcher die winterliche Todtenstille störte. Nur Elisabeths Pelzstiefelchen hörte man auf den halb ganz verschneiten Wegen knarren, auf welchen man keine andere ihrer Wiedervereinigung thun müsse. Sie wußte, daß dies ihre Eltern kränken würde, aber länger, fühlte sie, durfte sie es ihnen nicht ersparen. Aber als sie sich anschickte in die Fabrik zu gehen, sagte sie noch nicht, wohin sie ihre Schritte lenkte. Es war ein Sonntag Nachmittag. In der Fabrik ward gefeiert. Elisabeth hatte deshalb absichtlich diesen Tag gewählt, weil sie da weniger glaubte jenes Getreibe roher und lärmender Arbeiter dort zu finden, welches ihr so lästig war, und für das sie eben so viel Furcht als Abscheu empfand. Sie ging allein durch den Park, an welchen bereits die ersten Fabrikgebäude grenzten. Es war ein kalter, heller Wintertag, denn seit Weihnachten war der Winter in seiner ganzen empfindlichen Strenge gekommen, eine große Menge Schnee war gefallen, und von einer spätern festen Eiskruste überzogen, lag er undurchdringlich über den Fluren. Die Sonne schien hell, aber ihr Strahl vermogte nicht, auch nur einen Thautropfen hervor zu locken. Auf den Tannen im Wald lagen die weißen Flocken wie dichte Federdecken, krächzende Krähen flogen darüber hin, und ihr Geschrei war der einzige Laut, welcher die winterliche Todtenstille störte. Nur Elisabeths Pelzstiefelchen hörte man auf den halb ganz verschneiten Wegen knarren, auf welchen man keine andere <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0143" n="133"/> ihrer Wiedervereinigung thun müsse. Sie wußte, daß dies ihre Eltern kränken würde, aber länger, fühlte sie, durfte sie es ihnen nicht ersparen. Aber als sie sich anschickte in die Fabrik zu gehen, sagte sie noch nicht, wohin sie ihre Schritte lenkte.</p> <p>Es war ein Sonntag Nachmittag. In der Fabrik ward gefeiert. Elisabeth hatte deshalb absichtlich diesen Tag gewählt, weil sie da weniger glaubte jenes Getreibe roher und lärmender Arbeiter dort zu finden, welches ihr so lästig war, und für das sie eben so viel Furcht als Abscheu empfand.</p> <p>Sie ging allein durch den Park, an welchen bereits die ersten Fabrikgebäude grenzten. Es war ein kalter, heller Wintertag, denn seit Weihnachten war der Winter in seiner ganzen empfindlichen Strenge gekommen, eine große Menge Schnee war gefallen, und von einer spätern festen Eiskruste überzogen, lag er undurchdringlich über den Fluren. Die Sonne schien hell, aber ihr Strahl vermogte nicht, auch nur einen Thautropfen hervor zu locken. Auf den Tannen im Wald lagen die weißen Flocken wie dichte Federdecken, krächzende Krähen flogen darüber hin, und ihr Geschrei war der einzige Laut, welcher die winterliche Todtenstille störte. Nur Elisabeths Pelzstiefelchen hörte man auf den halb ganz verschneiten Wegen knarren, auf welchen man keine andere </p> </div> </body> </text> </TEI> [133/0143]
ihrer Wiedervereinigung thun müsse. Sie wußte, daß dies ihre Eltern kränken würde, aber länger, fühlte sie, durfte sie es ihnen nicht ersparen. Aber als sie sich anschickte in die Fabrik zu gehen, sagte sie noch nicht, wohin sie ihre Schritte lenkte.
Es war ein Sonntag Nachmittag. In der Fabrik ward gefeiert. Elisabeth hatte deshalb absichtlich diesen Tag gewählt, weil sie da weniger glaubte jenes Getreibe roher und lärmender Arbeiter dort zu finden, welches ihr so lästig war, und für das sie eben so viel Furcht als Abscheu empfand.
Sie ging allein durch den Park, an welchen bereits die ersten Fabrikgebäude grenzten. Es war ein kalter, heller Wintertag, denn seit Weihnachten war der Winter in seiner ganzen empfindlichen Strenge gekommen, eine große Menge Schnee war gefallen, und von einer spätern festen Eiskruste überzogen, lag er undurchdringlich über den Fluren. Die Sonne schien hell, aber ihr Strahl vermogte nicht, auch nur einen Thautropfen hervor zu locken. Auf den Tannen im Wald lagen die weißen Flocken wie dichte Federdecken, krächzende Krähen flogen darüber hin, und ihr Geschrei war der einzige Laut, welcher die winterliche Todtenstille störte. Nur Elisabeths Pelzstiefelchen hörte man auf den halb ganz verschneiten Wegen knarren, auf welchen man keine andere
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Zitationshilfe: | Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/143>, abgerufen am 23.07.2024. |