Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846."Ich verspreche," sägte sie gerührt und drückte ihm die Hand. "Wenn ich Deinen Aufenthalt weiß so werde ich Dir zuweilen von Anna schreiben -- und sobald sie es selbst kann, will ich sie lehren, den ersten Brief an ihren Vater zu schreiben." "So scheide ich ruhiger," sagte er, "aber nun muß es sein -- der Wagen wartet unten. -- Lebe wohl, Amalie, lebe wohl, Anna!" Und er küßte das Kind noch ein Mal -- es zuckte leise im Schlaf zusammen, aber schlief dennoch ruhig und ahnungslos fort. Thalheim eilte die Treppe hinab, und sprang in den Wagen, in welchem Graf Osten ihn auf sein Gut, wo sein Sohn des Reisebegleiters wartete, abholen ließ. Es war ihm seltsam zu Muthe, unendlich traurig und unendlich leicht zugleich -- er hatte nun die Trennung hinter sich, mit all' ihrem Weh, und ein neues Leben vor sich -- aber er hatte sich auch aus alten Banden gerissen, die ihn einst beglückt hatten -- und immer mußte er wieder an seine kleine Tochter denken, und wie leicht Amalie sie falsch erziehen könnte -- da wurde ihm bang und traurig zu Sinn. Elisabeth hatte die Stunde von Thalheims Abreise erfahren. Sie fühlte nur, daß sie ihn noch ein Mal sehen müsse -- weiter war sie sich in Nichts klar, aber dies Eine war bei ihr unumstößlichste Gewißheit geworden. „Ich verspreche,“ sägte sie gerührt und drückte ihm die Hand. „Wenn ich Deinen Aufenthalt weiß so werde ich Dir zuweilen von Anna schreiben — und sobald sie es selbst kann, will ich sie lehren, den ersten Brief an ihren Vater zu schreiben.“ „So scheide ich ruhiger,“ sagte er, „aber nun muß es sein — der Wagen wartet unten. — Lebe wohl, Amalie, lebe wohl, Anna!“ Und er küßte das Kind noch ein Mal — es zuckte leise im Schlaf zusammen, aber schlief dennoch ruhig und ahnungslos fort. Thalheim eilte die Treppe hinab, und sprang in den Wagen, in welchem Graf Osten ihn auf sein Gut, wo sein Sohn des Reisebegleiters wartete, abholen ließ. Es war ihm seltsam zu Muthe, unendlich traurig und unendlich leicht zugleich — er hatte nun die Trennung hinter sich, mit all’ ihrem Weh, und ein neues Leben vor sich — aber er hatte sich auch aus alten Banden gerissen, die ihn einst beglückt hatten — und immer mußte er wieder an seine kleine Tochter denken, und wie leicht Amalie sie falsch erziehen könnte — da wurde ihm bang und traurig zu Sinn. Elisabeth hatte die Stunde von Thalheims Abreise erfahren. Sie fühlte nur, daß sie ihn noch ein Mal sehen müsse — weiter war sie sich in Nichts klar, aber dies Eine war bei ihr unumstößlichste Gewißheit geworden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0114" n="104"/> <p> „Ich verspreche,“ sägte sie gerührt und drückte ihm die Hand. „Wenn ich Deinen Aufenthalt weiß so werde ich Dir zuweilen von Anna schreiben — und sobald sie es selbst kann, will ich sie lehren, den ersten Brief an ihren Vater zu schreiben.“</p> <p>„So scheide ich ruhiger,“ sagte er, „aber nun muß es sein — der Wagen wartet unten. — Lebe wohl, Amalie, lebe wohl, Anna!“ Und er küßte das Kind noch ein Mal — es zuckte leise im Schlaf zusammen, aber schlief dennoch ruhig und ahnungslos fort.</p> <p>Thalheim eilte die Treppe hinab, und sprang in den Wagen, in welchem Graf Osten ihn auf sein Gut, wo sein Sohn des Reisebegleiters wartete, abholen ließ.</p> <p>Es war ihm seltsam zu Muthe, unendlich traurig und unendlich leicht zugleich — er hatte nun die Trennung hinter sich, mit all’ ihrem Weh, und ein neues Leben vor sich — aber er hatte sich auch aus alten Banden gerissen, die ihn einst beglückt hatten — und immer mußte er wieder an seine kleine Tochter denken, und wie leicht Amalie sie falsch erziehen könnte — da wurde ihm bang und traurig zu Sinn.</p> <p>Elisabeth hatte die Stunde von Thalheims Abreise erfahren. Sie fühlte nur, daß sie ihn noch ein Mal sehen müsse — weiter war sie sich in Nichts klar, aber dies Eine war bei ihr unumstößlichste Gewißheit geworden.</p> </div> </body> </text> </TEI> [104/0114]
„Ich verspreche,“ sägte sie gerührt und drückte ihm die Hand. „Wenn ich Deinen Aufenthalt weiß so werde ich Dir zuweilen von Anna schreiben — und sobald sie es selbst kann, will ich sie lehren, den ersten Brief an ihren Vater zu schreiben.“
„So scheide ich ruhiger,“ sagte er, „aber nun muß es sein — der Wagen wartet unten. — Lebe wohl, Amalie, lebe wohl, Anna!“ Und er küßte das Kind noch ein Mal — es zuckte leise im Schlaf zusammen, aber schlief dennoch ruhig und ahnungslos fort.
Thalheim eilte die Treppe hinab, und sprang in den Wagen, in welchem Graf Osten ihn auf sein Gut, wo sein Sohn des Reisebegleiters wartete, abholen ließ.
Es war ihm seltsam zu Muthe, unendlich traurig und unendlich leicht zugleich — er hatte nun die Trennung hinter sich, mit all’ ihrem Weh, und ein neues Leben vor sich — aber er hatte sich auch aus alten Banden gerissen, die ihn einst beglückt hatten — und immer mußte er wieder an seine kleine Tochter denken, und wie leicht Amalie sie falsch erziehen könnte — da wurde ihm bang und traurig zu Sinn.
Elisabeth hatte die Stunde von Thalheims Abreise erfahren. Sie fühlte nur, daß sie ihn noch ein Mal sehen müsse — weiter war sie sich in Nichts klar, aber dies Eine war bei ihr unumstößlichste Gewißheit geworden.
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Zitationshilfe: | Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/114>, abgerufen am 23.07.2024. |