Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.zu lassen, weil Sie vielleicht gewaltsam daran gewöhnt werden, das Elend um sich zu sehen, weil Sie vielleicht eines Tages sich sagen werden: was ich thun kann, um die Noth zu verringern, ist nur ein Tropfen, den ich hinwegschöpfe von der Fluth des Unglücks, die Alles überschwemmt -- -- versprechen Sie mir das in dieser Stunde, wo ich Sie vielleicht zum letzten Male sehe!" "Gewiß, ich verspreche es!" sagte Pauline gefühlvoll, indem sie ihre Hand in die seinige legte, die er ihr bot. Aber Elisabeth blieb regungslos sitzen, und sah ihn starr an, keines Wortes fähig. Er fühlte diesen Blick, verstand, was er fragte, und sagte erklärend: "Ja, ich komme, um Abschied zu nehmen. Man hat mich aufgefordert, ein paar junge Leute auf Reisen zu begleiten -- ich fand es unnöthig, vorher davon zu sprechen -- ich habe den Stellvertreter gefunden, der mich bei Ihnen ersetzt, und bin nun im Begriff, in wenig Tagen abzureisen." Elisabeth war todtenblaß geworden -- sie senkte ihre Augen nieder, öffnete ihre Lippen, als ob sie sprechen wollte, brachte aber kein Wort heraus. "Auch für Sie," sagte er, indem er sich zu Elisabeth ewandte, "habe ich ein letztes Wort. Sie werden dem Lehrer eine aufrichtige Mahnung gestatten -- besonders jetzt, wo wir ohne fremde Zeugen sind, und wo ich von ihnen scheide, zu lassen, weil Sie vielleicht gewaltsam daran gewöhnt werden, das Elend um sich zu sehen, weil Sie vielleicht eines Tages sich sagen werden: was ich thun kann, um die Noth zu verringern, ist nur ein Tropfen, den ich hinwegschöpfe von der Fluth des Unglücks, die Alles überschwemmt — — versprechen Sie mir das in dieser Stunde, wo ich Sie vielleicht zum letzten Male sehe!“ „Gewiß, ich verspreche es!“ sagte Pauline gefühlvoll, indem sie ihre Hand in die seinige legte, die er ihr bot. Aber Elisabeth blieb regungslos sitzen, und sah ihn starr an, keines Wortes fähig. Er fühlte diesen Blick, verstand, was er fragte, und sagte erklärend: „Ja, ich komme, um Abschied zu nehmen. Man hat mich aufgefordert, ein paar junge Leute auf Reisen zu begleiten — ich fand es unnöthig, vorher davon zu sprechen — ich habe den Stellvertreter gefunden, der mich bei Ihnen ersetzt, und bin nun im Begriff, in wenig Tagen abzureisen.“ Elisabeth war todtenblaß geworden — sie senkte ihre Augen nieder, öffnete ihre Lippen, als ob sie sprechen wollte, brachte aber kein Wort heraus. „Auch für Sie,“ sagte er, indem er sich zu Elisabeth ewandte, „habe ich ein letztes Wort. Sie werden dem Lehrer eine aufrichtige Mahnung gestatten — besonders jetzt, wo wir ohne fremde Zeugen sind, und wo ich von ihnen scheide, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0108" n="98"/> zu lassen, weil Sie vielleicht gewaltsam daran gewöhnt werden, das Elend um sich zu sehen, weil Sie vielleicht eines Tages sich sagen werden: was ich thun kann, um die Noth zu verringern, ist nur ein Tropfen, den ich hinwegschöpfe von der Fluth des Unglücks, die Alles überschwemmt — — versprechen Sie mir das in dieser Stunde, wo ich Sie vielleicht zum letzten Male sehe!“</p> <p>„Gewiß, ich verspreche es!“ sagte Pauline gefühlvoll, indem sie ihre Hand in die seinige legte, die er ihr bot.</p> <p>Aber Elisabeth blieb regungslos sitzen, und sah ihn starr an, keines Wortes fähig.</p> <p>Er fühlte diesen Blick, verstand, was er fragte, und sagte erklärend: „Ja, ich komme, um Abschied zu nehmen. Man hat mich aufgefordert, ein paar junge Leute auf Reisen zu begleiten — ich fand es unnöthig, vorher davon zu sprechen — ich habe den Stellvertreter gefunden, der mich bei Ihnen ersetzt, und bin nun im Begriff, in wenig Tagen abzureisen.“</p> <p>Elisabeth war todtenblaß geworden — sie senkte ihre Augen nieder, öffnete ihre Lippen, als ob sie sprechen wollte, brachte aber kein Wort heraus.</p> <p>„Auch für Sie,“ sagte er, indem er sich zu Elisabeth ewandte, „habe ich ein letztes Wort. Sie werden dem Lehrer eine aufrichtige Mahnung gestatten — besonders jetzt, wo wir ohne fremde Zeugen sind, und wo ich von ihnen scheide, </p> </div> </body> </text> </TEI> [98/0108]
zu lassen, weil Sie vielleicht gewaltsam daran gewöhnt werden, das Elend um sich zu sehen, weil Sie vielleicht eines Tages sich sagen werden: was ich thun kann, um die Noth zu verringern, ist nur ein Tropfen, den ich hinwegschöpfe von der Fluth des Unglücks, die Alles überschwemmt — — versprechen Sie mir das in dieser Stunde, wo ich Sie vielleicht zum letzten Male sehe!“
„Gewiß, ich verspreche es!“ sagte Pauline gefühlvoll, indem sie ihre Hand in die seinige legte, die er ihr bot.
Aber Elisabeth blieb regungslos sitzen, und sah ihn starr an, keines Wortes fähig.
Er fühlte diesen Blick, verstand, was er fragte, und sagte erklärend: „Ja, ich komme, um Abschied zu nehmen. Man hat mich aufgefordert, ein paar junge Leute auf Reisen zu begleiten — ich fand es unnöthig, vorher davon zu sprechen — ich habe den Stellvertreter gefunden, der mich bei Ihnen ersetzt, und bin nun im Begriff, in wenig Tagen abzureisen.“
Elisabeth war todtenblaß geworden — sie senkte ihre Augen nieder, öffnete ihre Lippen, als ob sie sprechen wollte, brachte aber kein Wort heraus.
„Auch für Sie,“ sagte er, indem er sich zu Elisabeth ewandte, „habe ich ein letztes Wort. Sie werden dem Lehrer eine aufrichtige Mahnung gestatten — besonders jetzt, wo wir ohne fremde Zeugen sind, und wo ich von ihnen scheide,
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