Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.Die Sache ist einfach die, daß er schon in Berlin meiner Dame ihr größter Günstling war, und daß er ihr hierher nachgereist ist, um es wieder zu sein. -- Natürlich ist meine Dame durch diesen Beweis von Anhänglichkeit sehr gerührt, denn sie weiß recht gut, daß es dem Grafen an Eroberungen weiblicher Schönheiten weder jemals gefehlt hat, noch fehlen kann, da er neben allen seinen bestechenden Eigenschaften zugleich eine sehr glänzende Partie ist -- daher kommt es denn, daß sie sich von ihm sogar manche unhöfliche Sonderbarkeit gefallen läßt, die sie niemals einem andern Mann nachsehen wird. -- -- Aber es scheint, als würde Ihnen wieder unwohl? Sie zittern ja so, halten Sie sich fester an mich, damit Sie nicht etwa auf der Treppe hinsinken." Amalie zitterte allerdings heftig -- sie dachte aber immer noch, sie habe nicht recht gehört, es sei vielleicht doch noch ein Irrthum möglich, und fragte wieder: "Sie nannten den Grafen reich -- ich habe geglaubt, er sei sehr arm -- er habe in Polen Alles verloren." "Sie scheinen sehr über den Grafen unterrichtet. -- Haben Sie ihn gekannt?" "Nein, nein! -- Aber man hört doch, was die Leute reden." "Er hat sein Vermögen wieder; jetzt ist es gewiß, daß er sehr reich ist -- aber ich habe ihn manchmal darüber Die Sache ist einfach die, daß er schon in Berlin meiner Dame ihr größter Günstling war, und daß er ihr hierher nachgereist ist, um es wieder zu sein. — Natürlich ist meine Dame durch diesen Beweis von Anhänglichkeit sehr gerührt, denn sie weiß recht gut, daß es dem Grafen an Eroberungen weiblicher Schönheiten weder jemals gefehlt hat, noch fehlen kann, da er neben allen seinen bestechenden Eigenschaften zugleich eine sehr glänzende Partie ist — daher kommt es denn, daß sie sich von ihm sogar manche unhöfliche Sonderbarkeit gefallen läßt, die sie niemals einem andern Mann nachsehen wird. — — Aber es scheint, als würde Ihnen wieder unwohl? Sie zittern ja so, halten Sie sich fester an mich, damit Sie nicht etwa auf der Treppe hinsinken.“ Amalie zitterte allerdings heftig — sie dachte aber immer noch, sie habe nicht recht gehört, es sei vielleicht doch noch ein Irrthum möglich, und fragte wieder: „Sie nannten den Grafen reich — ich habe geglaubt, er sei sehr arm — er habe in Polen Alles verloren.“ „Sie scheinen sehr über den Grafen unterrichtet. — Haben Sie ihn gekannt?“ „Nein, nein! — Aber man hört doch, was die Leute reden.“ „Er hat sein Vermögen wieder; jetzt ist es gewiß, daß er sehr reich ist — aber ich habe ihn manchmal darüber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0100" n="90"/> Die Sache ist einfach die, daß er schon in Berlin meiner Dame ihr größter Günstling war, und daß er ihr hierher nachgereist ist, um es wieder zu sein. — Natürlich ist meine Dame durch diesen Beweis von Anhänglichkeit sehr gerührt, denn sie weiß recht gut, daß es dem Grafen an Eroberungen weiblicher Schönheiten weder jemals gefehlt hat, noch fehlen kann, da er neben allen seinen bestechenden Eigenschaften zugleich eine sehr glänzende Partie ist — daher kommt es denn, daß sie sich von ihm sogar manche unhöfliche Sonderbarkeit gefallen läßt, die sie niemals einem andern Mann nachsehen wird. — — Aber es scheint, als würde Ihnen wieder unwohl? Sie zittern ja so, halten Sie sich fester an mich, damit Sie nicht etwa auf der Treppe hinsinken.“</p> <p>Amalie zitterte allerdings heftig — sie dachte aber immer noch, sie habe nicht recht gehört, es sei vielleicht doch noch ein Irrthum möglich, und fragte wieder:</p> <p>„Sie nannten den Grafen reich — ich habe geglaubt, er sei sehr arm — er habe in Polen Alles verloren.“</p> <p>„Sie scheinen sehr über den Grafen unterrichtet. — Haben Sie ihn gekannt?“</p> <p>„Nein, nein! — Aber man hört doch, was die Leute reden.“</p> <p>„Er hat sein Vermögen wieder; jetzt ist es gewiß, daß er sehr reich ist — aber ich habe ihn manchmal darüber </p> </div> </body> </text> </TEI> [90/0100]
Die Sache ist einfach die, daß er schon in Berlin meiner Dame ihr größter Günstling war, und daß er ihr hierher nachgereist ist, um es wieder zu sein. — Natürlich ist meine Dame durch diesen Beweis von Anhänglichkeit sehr gerührt, denn sie weiß recht gut, daß es dem Grafen an Eroberungen weiblicher Schönheiten weder jemals gefehlt hat, noch fehlen kann, da er neben allen seinen bestechenden Eigenschaften zugleich eine sehr glänzende Partie ist — daher kommt es denn, daß sie sich von ihm sogar manche unhöfliche Sonderbarkeit gefallen läßt, die sie niemals einem andern Mann nachsehen wird. — — Aber es scheint, als würde Ihnen wieder unwohl? Sie zittern ja so, halten Sie sich fester an mich, damit Sie nicht etwa auf der Treppe hinsinken.“
Amalie zitterte allerdings heftig — sie dachte aber immer noch, sie habe nicht recht gehört, es sei vielleicht doch noch ein Irrthum möglich, und fragte wieder:
„Sie nannten den Grafen reich — ich habe geglaubt, er sei sehr arm — er habe in Polen Alles verloren.“
„Sie scheinen sehr über den Grafen unterrichtet. — Haben Sie ihn gekannt?“
„Nein, nein! — Aber man hört doch, was die Leute reden.“
„Er hat sein Vermögen wieder; jetzt ist es gewiß, daß er sehr reich ist — aber ich habe ihn manchmal darüber
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/100 |
Zitationshilfe: | Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss01_1846/100>, abgerufen am 28.07.2024. |