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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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gegen mit an einander gestickten bunten Tuchstreifen aus-
geschlagen. Ein paar alte eichene Sessel ohne Lehnen,
aber mit sonderbaren Schnitzereien verziert, und ein halb-
runder Tisch mit einer Marmorplatte, auf der allerhand
alterthümliches Waschgeräth stand, befanden sich noch
in der Kammer.

Unsere Mutter Eva schlug die Hände in einander
und rief aus: "Du meine Güte! Das hätt' ich nie-
mals gedacht, daß mein Johannes in einem Himmel-
bett schlafen würde, in solchem Prunkgemach -- eher
auf der Streu in der Scheuer."

"Wie's just kommt, Mutter!" antwortete Johannes,
"es mag sich ganz gut da in dem Himmelbett liegen,
aber ich hab' oft genug auch auf der Streu gelegen
und eben auch nicht schlecht geschlafen. Das ist nun
einerlei, man muß im Leben Alles mitnehmen, wie sich's
gerade trifft."

Sie gingen nach einer Weile wieder hinab in den
Burghof und die Frau Vogt war nicht minder ver-
wundert, als ihr Mann es gewesen, wie sie erfuhr, daß
Johannes im Thurm wohnen werde. Sie freute sich
aber gar sehr darüber und begann gleich eine Menge
Dinge zusammen zu suchen und zu holen, weil sie die
Wohnung oben recht fegen und reinigen wollte, ehe der
liebe Gast einzöge.

gegen mit an einander geſtickten bunten Tuchſtreifen aus-
geſchlagen. Ein paar alte eichene Seſſel ohne Lehnen,
aber mit ſonderbaren Schnitzereien verziert, und ein halb-
runder Tiſch mit einer Marmorplatte, auf der allerhand
alterthuͤmliches Waſchgeraͤth ſtand, befanden ſich noch
in der Kammer.

Unſere Mutter Eva ſchlug die Haͤnde in einander
und rief aus: „Du meine Guͤte! Das haͤtt’ ich nie-
mals gedacht, daß mein Johannes in einem Himmel-
bett ſchlafen wuͤrde, in ſolchem Prunkgemach — eher
auf der Streu in der Scheuer.“

„Wie’s juſt kommt, Mutter!“ antwortete Johannes,
„es mag ſich ganz gut da in dem Himmelbett liegen,
aber ich hab’ oft genug auch auf der Streu gelegen
und eben auch nicht ſchlecht geſchlafen. Das iſt nun
einerlei, man muß im Leben Alles mitnehmen, wie ſich’s
gerade trifft.“

Sie gingen nach einer Weile wieder hinab in den
Burghof und die Frau Vogt war nicht minder ver-
wundert, als ihr Mann es geweſen, wie ſie erfuhr, daß
Johannes im Thurm wohnen werde. Sie freute ſich
aber gar ſehr daruͤber und begann gleich eine Menge
Dinge zuſammen zu ſuchen und zu holen, weil ſie die
Wohnung oben recht fegen und reinigen wollte, ehe der
liebe Gaſt einzoͤge.

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[82/0090] gegen mit an einander geſtickten bunten Tuchſtreifen aus- geſchlagen. Ein paar alte eichene Seſſel ohne Lehnen, aber mit ſonderbaren Schnitzereien verziert, und ein halb- runder Tiſch mit einer Marmorplatte, auf der allerhand alterthuͤmliches Waſchgeraͤth ſtand, befanden ſich noch in der Kammer. Unſere Mutter Eva ſchlug die Haͤnde in einander und rief aus: „Du meine Guͤte! Das haͤtt’ ich nie- mals gedacht, daß mein Johannes in einem Himmel- bett ſchlafen wuͤrde, in ſolchem Prunkgemach — eher auf der Streu in der Scheuer.“ „Wie’s juſt kommt, Mutter!“ antwortete Johannes, „es mag ſich ganz gut da in dem Himmelbett liegen, aber ich hab’ oft genug auch auf der Streu gelegen und eben auch nicht ſchlecht geſchlafen. Das iſt nun einerlei, man muß im Leben Alles mitnehmen, wie ſich’s gerade trifft.“ Sie gingen nach einer Weile wieder hinab in den Burghof und die Frau Vogt war nicht minder ver- wundert, als ihr Mann es geweſen, wie ſie erfuhr, daß Johannes im Thurm wohnen werde. Sie freute ſich aber gar ſehr daruͤber und begann gleich eine Menge Dinge zuſammen zu ſuchen und zu holen, weil ſie die Wohnung oben recht fegen und reinigen wollte, ehe der liebe Gaſt einzoͤge.

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/90>, abgerufen am 05.12.2024.