"Das erschreck' Euch nur nicht!" fuhr Johannes fort, "ich hab' ihm Aehnliches in's Gesicht gesagt -- und was meint Jhr, was er darauf that?"
"Nun, das kann ich nicht wissen -- wenn ich so was gesagt hätte, könnt' ich darauf rechnen, eine Ohr- feige bekommen zu haben -- ich weiß nicht, ob er vor Jhren langen Haaren mehr Respekt hat, als vor meinen grauen, kurzen --" meinte der Vogt.
"Da wär' er schön angekommen! -- die Ohrfeige hätt' ich ihm auf der Stelle wieder gegeben --" lachte Johannes.
"Ach, das würden Sie doch nicht gethan haben -- gerade ihm! er ist unser Herr und Sie sind von seinem Dorfe --" Aber diese Worte des Vogts unterbrach Jo- hannes schnell:
"Was, Herr! wir sind keine Leibeignen mehr! wer auf diesem Dorfe geboren ist, ist doch wahrhaftig nicht des Grafen Knecht! Selbst unsre Frohn- und Zehnten- lasten sind abgelöst, schlimm genug, daß wir ihm im- mer noch Lehensleute sind, aber das giebt ihm kein Recht, uns wie Unterthanen zu behandeln und selbst Unterthanen dürfen heutzutage nicht mehr roh und grob behandelt werden! -- Aber davon sprechen wir schon noch. Jch wollt' erzählen, was der Graf that, nach- dem ich ihn wie meines Gleichen behandelte -- er gab
„Das erſchreck’ Euch nur nicht!“ fuhr Johannes fort, „ich hab’ ihm Aehnliches in’s Geſicht geſagt — und was meint Jhr, was er darauf that?“
„Nun, das kann ich nicht wiſſen — wenn ich ſo was geſagt haͤtte, koͤnnt’ ich darauf rechnen, eine Ohr- feige bekommen zu haben — ich weiß nicht, ob er vor Jhren langen Haaren mehr Reſpekt hat, als vor meinen grauen, kurzen —“ meinte der Vogt.
„Da waͤr’ er ſchoͤn angekommen! — die Ohrfeige haͤtt’ ich ihm auf der Stelle wieder gegeben —“ lachte Johannes.
„Ach, das wuͤrden Sie doch nicht gethan haben — gerade ihm! er iſt unſer Herr und Sie ſind von ſeinem Dorfe —“ Aber dieſe Worte des Vogts unterbrach Jo- hannes ſchnell:
„Was, Herr! wir ſind keine Leibeignen mehr! wer auf dieſem Dorfe geboren iſt, iſt doch wahrhaftig nicht des Grafen Knecht! Selbſt unſre Frohn- und Zehnten- laſten ſind abgeloͤſt, ſchlimm genug, daß wir ihm im- mer noch Lehensleute ſind, aber das giebt ihm kein Recht, uns wie Unterthanen zu behandeln und ſelbſt Unterthanen duͤrfen heutzutage nicht mehr roh und grob behandelt werden! — Aber davon ſprechen wir ſchon noch. Jch wollt’ erzaͤhlen, was der Graf that, nach- dem ich ihn wie meines Gleichen behandelte — er gab
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0083"n="75"/><p>„Das erſchreck’ Euch nur nicht!“ fuhr Johannes<lb/>
fort, „ich hab’ ihm Aehnliches in’s Geſicht geſagt —<lb/>
und was meint Jhr, was er darauf that?“</p><lb/><p>„Nun, das kann ich nicht wiſſen — wenn ich ſo<lb/>
was geſagt haͤtte, koͤnnt’ ich darauf rechnen, eine Ohr-<lb/>
feige bekommen zu haben — ich weiß nicht, ob er vor<lb/>
Jhren langen Haaren mehr Reſpekt hat, als vor meinen<lb/>
grauen, kurzen —“ meinte der Vogt.</p><lb/><p>„Da waͤr’ er ſchoͤn angekommen! — die Ohrfeige<lb/>
haͤtt’ ich ihm auf der Stelle wieder gegeben —“ lachte<lb/>
Johannes.</p><lb/><p>„Ach, das wuͤrden Sie doch nicht gethan haben —<lb/>
gerade ihm! er iſt unſer Herr und Sie ſind von ſeinem<lb/>
Dorfe —“ Aber dieſe Worte des Vogts unterbrach Jo-<lb/>
hannes ſchnell:</p><lb/><p>„Was, Herr! wir ſind keine Leibeignen mehr! wer<lb/>
auf dieſem Dorfe geboren iſt, iſt doch wahrhaftig nicht<lb/>
des Grafen Knecht! Selbſt unſre Frohn- und Zehnten-<lb/>
laſten ſind abgeloͤſt, ſchlimm genug, daß wir ihm im-<lb/>
mer noch Lehensleute ſind, aber das giebt ihm kein<lb/>
Recht, uns wie Unterthanen zu behandeln und ſelbſt<lb/>
Unterthanen duͤrfen heutzutage nicht mehr roh und grob<lb/>
behandelt werden! — Aber davon ſprechen wir ſchon<lb/>
noch. Jch wollt’ erzaͤhlen, was der Graf that, nach-<lb/>
dem ich ihn wie meines Gleichen behandelte — er gab<lb/></p></div></body></text></TEI>
[75/0083]
„Das erſchreck’ Euch nur nicht!“ fuhr Johannes
fort, „ich hab’ ihm Aehnliches in’s Geſicht geſagt —
und was meint Jhr, was er darauf that?“
„Nun, das kann ich nicht wiſſen — wenn ich ſo
was geſagt haͤtte, koͤnnt’ ich darauf rechnen, eine Ohr-
feige bekommen zu haben — ich weiß nicht, ob er vor
Jhren langen Haaren mehr Reſpekt hat, als vor meinen
grauen, kurzen —“ meinte der Vogt.
„Da waͤr’ er ſchoͤn angekommen! — die Ohrfeige
haͤtt’ ich ihm auf der Stelle wieder gegeben —“ lachte
Johannes.
„Ach, das wuͤrden Sie doch nicht gethan haben —
gerade ihm! er iſt unſer Herr und Sie ſind von ſeinem
Dorfe —“ Aber dieſe Worte des Vogts unterbrach Jo-
hannes ſchnell:
„Was, Herr! wir ſind keine Leibeignen mehr! wer
auf dieſem Dorfe geboren iſt, iſt doch wahrhaftig nicht
des Grafen Knecht! Selbſt unſre Frohn- und Zehnten-
laſten ſind abgeloͤſt, ſchlimm genug, daß wir ihm im-
mer noch Lehensleute ſind, aber das giebt ihm kein
Recht, uns wie Unterthanen zu behandeln und ſelbſt
Unterthanen duͤrfen heutzutage nicht mehr roh und grob
behandelt werden! — Aber davon ſprechen wir ſchon
noch. Jch wollt’ erzaͤhlen, was der Graf that, nach-
dem ich ihn wie meines Gleichen behandelte — er gab
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/83>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.