gar nicht geregt, darum sei sie selbst auch endlich einge- schlafen. Nun wollte sie nur aber gleich gehen und das Früh- stück zurecht machen -- es sei am Ende schon spät und die Käthe werde sich wundern, daß sie noch nicht zu Platze sei.
So ging sie, indeß Johannes aufstand.
Eigentlich war es unsrer Mutter Eva gar nicht recht, daß ihr Sohn nicht bei ihr wohnen bleiben wollte. Zum ersten Mal fühlte sie es wieder hart, daß sie kein eigen Haus mehr hatte, daß es doch eigentlich ein fremdes geworden war, in dem sie nun lebte. Sonst hätte Johannes nicht in den finstern Thurm gedurft, wo vor den Fenstern zuweilen Eulen und Käuzchen schrieen und drinnen am Ende gar Ratten und Mäuse ihr Wesen trieben. Freilich war es ihr noch lieber, er zog in den Thurm, wo er nun sein eigener Herr sein sollte und er sich bei Niemand zu bedanken hatte, als dem Gutsherrn, der ihn damit ehrte, ihm zu erlauben, was er sonst noch nie Jemand erlaubt gehabt hatte. Darauf war sie nun auch wieder stolz. Wäre er auf die Pfarre gezogen oder zu dem Richter, das waren Leute im Dorf, wo er sich am Ende viel hätte bedanken müssen und die seine Mutter nun nur so mit gelitten hätten -- aber gewiß wär' sie oft nicht recht gekommen, im Wege ge- wesen oder so. Dann hätt' es sie noch mehr nieder- gedrückt, daß er nicht bei ihr sein könne, die ihm Alles
gar nicht geregt, darum ſei ſie ſelbſt auch endlich einge- ſchlafen. Nun wollte ſie nur aber gleich gehen und das Fruͤh- ſtuͤck zurecht machen — es ſei am Ende ſchon ſpaͤt und die Kaͤthe werde ſich wundern, daß ſie noch nicht zu Platze ſei.
So ging ſie, indeß Johannes aufſtand.
Eigentlich war es unſrer Mutter Eva gar nicht recht, daß ihr Sohn nicht bei ihr wohnen bleiben wollte. Zum erſten Mal fuͤhlte ſie es wieder hart, daß ſie kein eigen Haus mehr hatte, daß es doch eigentlich ein fremdes geworden war, in dem ſie nun lebte. Sonſt haͤtte Johannes nicht in den finſtern Thurm gedurft, wo vor den Fenſtern zuweilen Eulen und Kaͤuzchen ſchrieen und drinnen am Ende gar Ratten und Maͤuſe ihr Weſen trieben. Freilich war es ihr noch lieber, er zog in den Thurm, wo er nun ſein eigener Herr ſein ſollte und er ſich bei Niemand zu bedanken hatte, als dem Gutsherrn, der ihn damit ehrte, ihm zu erlauben, was er ſonſt noch nie Jemand erlaubt gehabt hatte. Darauf war ſie nun auch wieder ſtolz. Waͤre er auf die Pfarre gezogen oder zu dem Richter, das waren Leute im Dorf, wo er ſich am Ende viel haͤtte bedanken muͤſſen und die ſeine Mutter nun nur ſo mit gelitten haͤtten — aber gewiß waͤr’ ſie oft nicht recht gekommen, im Wege ge- weſen oder ſo. Dann haͤtt’ es ſie noch mehr nieder- gedruͤckt, daß er nicht bei ihr ſein koͤnne, die ihm Alles
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gar nicht geregt, darum ſei ſie ſelbſt auch endlich einge-
ſchlafen. Nun wollte ſie nur aber gleich gehen und das Fruͤh-
ſtuͤck zurecht machen — es ſei am Ende ſchon ſpaͤt und die
Kaͤthe werde ſich wundern, daß ſie noch nicht zu Platze ſei.
So ging ſie, indeß Johannes aufſtand.
Eigentlich war es unſrer Mutter Eva gar nicht
recht, daß ihr Sohn nicht bei ihr wohnen bleiben wollte.
Zum erſten Mal fuͤhlte ſie es wieder hart, daß ſie kein
eigen Haus mehr hatte, daß es doch eigentlich ein
fremdes geworden war, in dem ſie nun lebte. Sonſt
haͤtte Johannes nicht in den finſtern Thurm gedurft,
wo vor den Fenſtern zuweilen Eulen und Kaͤuzchen
ſchrieen und drinnen am Ende gar Ratten und Maͤuſe ihr
Weſen trieben. Freilich war es ihr noch lieber, er zog
in den Thurm, wo er nun ſein eigener Herr ſein ſollte
und er ſich bei Niemand zu bedanken hatte, als dem
Gutsherrn, der ihn damit ehrte, ihm zu erlauben, was
er ſonſt noch nie Jemand erlaubt gehabt hatte. Darauf
war ſie nun auch wieder ſtolz. Waͤre er auf die Pfarre
gezogen oder zu dem Richter, das waren Leute im Dorf,
wo er ſich am Ende viel haͤtte bedanken muͤſſen und die
ſeine Mutter nun nur ſo mit gelitten haͤtten — aber
gewiß waͤr’ ſie oft nicht recht gekommen, im Wege ge-
weſen oder ſo. Dann haͤtt’ es ſie noch mehr nieder-
gedruͤckt, daß er nicht bei ihr ſein koͤnne, die ihm Alles
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/74>, abgerufen am 05.12.2024.
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