druck auf manche ängstliche und mißtrauische Gemüther, so daß Viele ganz kleinlaut wurden, die sonst am laute- sten Johannes Beifall geklatscht, jetzt aber ganz anders zu reden anfingen, als wie sie es vordem gethan hatten. --
Unser Pfarrer war zu Mutter Eva gegangen, so bald er nur von dem ganzen Ereigniß gehört hatte. Die Frau Pfarrerin war ihm nachgeeilt -- es war ihr, als habe man ihr den eignen Sohn gneommen. Sie hatte es ja oft ausgesprochen, daß sie den Johannes eben so lieb habe, als sei er ihr eigen Kind und daß sie es seiner Mutter Eva nicht verdenken könne, wenn sie so stolz auf ihn sei, so wenig, wie sie ihr die Angst verdachte, die sie um den Liebling ausstand. Und nun war diese Angst so plötzlich und schrecklich als gar nicht zu voreilig bestetigt worden! Die Pfarrerin wußte, was Mutter Eva em- pfinden mußte an dem, was sie, die Pfarrerin, schon selber fühlte, wie sie den Johannes so zwischen den Gendar- men hatte vorüber gehen sehen, als sie in der Pfarre am Fenster stand -- das Herz wollte ihr auch brechen und wie lieb sie ihn auch hatte: er war doch nicht ihr eigen Fleisch und Blut! Die wahre Mutter fühlt noch ganz anders als so eine mütterliche Freundin. Jo- hannes hatte in diesem Vorübergehen der Pfarrerin noch traulich zugewinkt -- sie hatte das Fenster aufgerissen und ihn angestarrt, aber vor Schreck keine Frage, kein
druck auf manche aͤngſtliche und mißtrauiſche Gemuͤther, ſo daß Viele ganz kleinlaut wurden, die ſonſt am laute- ſten Johannes Beifall geklatſcht, jetzt aber ganz anders zu reden anfingen, als wie ſie es vordem gethan hatten. —
Unſer Pfarrer war zu Mutter Eva gegangen, ſo bald er nur von dem ganzen Ereigniß gehoͤrt hatte. Die Frau Pfarrerin war ihm nachgeeilt — es war ihr, als habe man ihr den eignen Sohn gneommen. Sie hatte es ja oft ausgeſprochen, daß ſie den Johannes eben ſo lieb habe, als ſei er ihr eigen Kind und daß ſie es ſeiner Mutter Eva nicht verdenken koͤnne, wenn ſie ſo ſtolz auf ihn ſei, ſo wenig, wie ſie ihr die Angſt verdachte, die ſie um den Liebling ausſtand. Und nun war dieſe Angſt ſo ploͤtzlich und ſchrecklich als gar nicht zu voreilig beſtetigt worden! Die Pfarrerin wußte, was Mutter Eva em- pfinden mußte an dem, was ſie, die Pfarrerin, ſchon ſelber fuͤhlte, wie ſie den Johannes ſo zwiſchen den Gendar- men hatte voruͤber gehen ſehen, als ſie in der Pfarre am Fenſter ſtand — das Herz wollte ihr auch brechen und wie lieb ſie ihn auch hatte: er war doch nicht ihr eigen Fleiſch und Blut! Die wahre Mutter fuͤhlt noch ganz anders als ſo eine muͤtterliche Freundin. Jo- hannes hatte in dieſem Voruͤbergehen der Pfarrerin noch traulich zugewinkt — ſie hatte das Fenſter aufgeriſſen und ihn angeſtarrt, aber vor Schreck keine Frage, kein
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0293"n="285"/>
druck auf manche aͤngſtliche und mißtrauiſche Gemuͤther,<lb/>ſo daß Viele ganz kleinlaut wurden, die ſonſt am laute-<lb/>ſten Johannes Beifall geklatſcht, jetzt aber ganz anders<lb/>
zu reden anfingen, als wie ſie es vordem gethan hatten. —</p><lb/><p>Unſer Pfarrer war zu Mutter Eva gegangen, ſo bald<lb/>
er nur von dem ganzen Ereigniß gehoͤrt hatte. Die<lb/>
Frau Pfarrerin war ihm nachgeeilt — es war ihr, als<lb/>
habe man ihr den eignen Sohn gneommen. Sie hatte<lb/>
es ja oft ausgeſprochen, daß ſie den Johannes eben ſo<lb/>
lieb habe, als ſei er ihr eigen Kind und daß ſie es ſeiner<lb/>
Mutter Eva nicht verdenken koͤnne, wenn ſie ſo ſtolz auf<lb/>
ihn ſei, ſo wenig, wie ſie ihr die Angſt verdachte, die ſie<lb/>
um den Liebling ausſtand. Und nun war dieſe Angſt ſo<lb/>
ploͤtzlich und ſchrecklich als gar nicht zu voreilig beſtetigt<lb/>
worden! Die Pfarrerin wußte, was Mutter Eva em-<lb/>
pfinden mußte an dem, was ſie, die Pfarrerin, ſchon ſelber<lb/>
fuͤhlte, wie ſie den Johannes ſo zwiſchen den Gendar-<lb/>
men hatte voruͤber gehen ſehen, als ſie in der Pfarre<lb/>
am Fenſter ſtand — das Herz wollte ihr auch brechen<lb/>
und wie lieb ſie ihn auch hatte: er war doch nicht ihr<lb/>
eigen Fleiſch und Blut! Die wahre Mutter fuͤhlt noch<lb/>
ganz anders als ſo eine muͤtterliche Freundin. Jo-<lb/>
hannes hatte in dieſem Voruͤbergehen der Pfarrerin noch<lb/>
traulich zugewinkt —ſie hatte das Fenſter aufgeriſſen<lb/>
und ihn angeſtarrt, aber vor Schreck keine Frage, kein<lb/></p></div></body></text></TEI>
[285/0293]
druck auf manche aͤngſtliche und mißtrauiſche Gemuͤther,
ſo daß Viele ganz kleinlaut wurden, die ſonſt am laute-
ſten Johannes Beifall geklatſcht, jetzt aber ganz anders
zu reden anfingen, als wie ſie es vordem gethan hatten. —
Unſer Pfarrer war zu Mutter Eva gegangen, ſo bald
er nur von dem ganzen Ereigniß gehoͤrt hatte. Die
Frau Pfarrerin war ihm nachgeeilt — es war ihr, als
habe man ihr den eignen Sohn gneommen. Sie hatte
es ja oft ausgeſprochen, daß ſie den Johannes eben ſo
lieb habe, als ſei er ihr eigen Kind und daß ſie es ſeiner
Mutter Eva nicht verdenken koͤnne, wenn ſie ſo ſtolz auf
ihn ſei, ſo wenig, wie ſie ihr die Angſt verdachte, die ſie
um den Liebling ausſtand. Und nun war dieſe Angſt ſo
ploͤtzlich und ſchrecklich als gar nicht zu voreilig beſtetigt
worden! Die Pfarrerin wußte, was Mutter Eva em-
pfinden mußte an dem, was ſie, die Pfarrerin, ſchon ſelber
fuͤhlte, wie ſie den Johannes ſo zwiſchen den Gendar-
men hatte voruͤber gehen ſehen, als ſie in der Pfarre
am Fenſter ſtand — das Herz wollte ihr auch brechen
und wie lieb ſie ihn auch hatte: er war doch nicht ihr
eigen Fleiſch und Blut! Die wahre Mutter fuͤhlt noch
ganz anders als ſo eine muͤtterliche Freundin. Jo-
hannes hatte in dieſem Voruͤbergehen der Pfarrerin noch
traulich zugewinkt — ſie hatte das Fenſter aufgeriſſen
und ihn angeſtarrt, aber vor Schreck keine Frage, kein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/293>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.