Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Entsagung und Muth. -- Alles das thut uns auch Noth,
wenn wir ihm nachfolgen und würdig verehren wollen,
d. h., wenn er uns ein Beispiel sein soll, wie man käm-
pfen muß mit der Gemeinheit und dem Krämersinne vie-
ler Menschen, die nichts Höheres kennen, als sinnliches
Wohlleben, die Einer den Andern verachten oder verehren
um irdisch Gut, und unter sich einen Unterschied machen
wollen von Hoch und Niedrig, den Nichts bestimmt, als
der Zufall der Geburt oder des Reichthums an Geld und
Land. Ja, mit dieser Gemeinheit wollen wir kämpfen
und ihr Trotz bieten, wie es Johannes gethan. Hören
wir aber auch auf seinen Spruch: "Thut Buße, bis das
Alte neu geworden! thut Buße, denn das Himmelreich
ist nahe herbeigekommen!" Aber die Buße, die er verlangt,
ist nicht etwa die, welche Kopfhänger oder frömmelnde
Strafprediger uns auferlegen möchten -- es ist die, welche
jede Zeit, aber eine große, wie die damalige und wie die
unsre auch werden wird, ja eigentlich schon ist, von uns
fordert: die Buße, das Alte abzuthun und dem Neuen zu
dienen. Die alten Gewohnheiten, wenn sie schlecht und
unbrauchbar geworden sind, müssen wir von uns thun,
weil sonst nie die bessere Erkenntniß und mit ihr der
Fortschritt sich Bahn brechen kann und wir dann Alle
immer und mit uns alle Menschen stehen bleiben, wo
wir einmal standen. Das darf aber nicht sein, denn

Entſagung und Muth. — Alles das thut uns auch Noth,
wenn wir ihm nachfolgen und wuͤrdig verehren wollen,
d. h., wenn er uns ein Beiſpiel ſein ſoll, wie man kaͤm-
pfen muß mit der Gemeinheit und dem Kraͤmerſinne vie-
ler Menſchen, die nichts Hoͤheres kennen, als ſinnliches
Wohlleben, die Einer den Andern verachten oder verehren
um irdiſch Gut, und unter ſich einen Unterſchied machen
wollen von Hoch und Niedrig, den Nichts beſtimmt, als
der Zufall der Geburt oder des Reichthums an Geld und
Land. Ja, mit dieſer Gemeinheit wollen wir kaͤmpfen
und ihr Trotz bieten, wie es Johannes gethan. Hoͤren
wir aber auch auf ſeinen Spruch: „Thut Buße, bis das
Alte neu geworden! thut Buße, denn das Himmelreich
iſt nahe herbeigekommen!“ Aber die Buße, die er verlangt,
iſt nicht etwa die, welche Kopfhaͤnger oder froͤmmelnde
Strafprediger uns auferlegen moͤchten — es iſt die, welche
jede Zeit, aber eine große, wie die damalige und wie die
unſre auch werden wird, ja eigentlich ſchon iſt, von uns
fordert: die Buße, das Alte abzuthun und dem Neuen zu
dienen. Die alten Gewohnheiten, wenn ſie ſchlecht und
unbrauchbar geworden ſind, muͤſſen wir von uns thun,
weil ſonſt nie die beſſere Erkenntniß und mit ihr der
Fortſchritt ſich Bahn brechen kann und wir dann Alle
immer und mit uns alle Menſchen ſtehen bleiben, wo
wir einmal ſtanden. Das darf aber nicht ſein, denn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0215" n="207"/>
Ent&#x017F;agung und Muth. &#x2014; Alles das thut uns auch Noth,<lb/>
wenn wir ihm nachfolgen und wu&#x0364;rdig verehren wollen,<lb/>
d. h., wenn er uns ein Bei&#x017F;piel &#x017F;ein &#x017F;oll, wie man ka&#x0364;m-<lb/>
pfen muß mit der Gemeinheit und dem Kra&#x0364;mer&#x017F;inne vie-<lb/>
ler Men&#x017F;chen, die nichts Ho&#x0364;heres kennen, als &#x017F;innliches<lb/>
Wohlleben, die Einer den Andern verachten oder verehren<lb/>
um irdi&#x017F;ch Gut, und unter &#x017F;ich einen Unter&#x017F;chied machen<lb/>
wollen von Hoch und Niedrig, den Nichts be&#x017F;timmt, als<lb/>
der Zufall der Geburt oder des Reichthums an Geld und<lb/>
Land. Ja, mit die&#x017F;er Gemeinheit wollen wir ka&#x0364;mpfen<lb/>
und ihr Trotz bieten, wie es Johannes gethan. Ho&#x0364;ren<lb/>
wir aber auch auf &#x017F;einen Spruch: &#x201E;Thut Buße, bis das<lb/>
Alte neu geworden! thut Buße, denn das Himmelreich<lb/>
i&#x017F;t nahe herbeigekommen!&#x201C; Aber die Buße, die er verlangt,<lb/>
i&#x017F;t nicht etwa die, welche Kopfha&#x0364;nger oder fro&#x0364;mmelnde<lb/>
Strafprediger uns auferlegen mo&#x0364;chten &#x2014; es i&#x017F;t die, welche<lb/>
jede Zeit, aber eine große, wie die damalige und wie die<lb/>
un&#x017F;re auch werden wird, ja eigentlich &#x017F;chon i&#x017F;t, von uns<lb/>
fordert: die Buße, das Alte abzuthun und dem Neuen zu<lb/>
dienen. Die alten Gewohnheiten, wenn &#x017F;ie &#x017F;chlecht und<lb/>
unbrauchbar geworden &#x017F;ind, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir von uns thun,<lb/>
weil &#x017F;on&#x017F;t nie die be&#x017F;&#x017F;ere Erkenntniß und mit ihr der<lb/>
Fort&#x017F;chritt &#x017F;ich Bahn brechen kann und wir dann Alle<lb/>
immer und mit uns alle Men&#x017F;chen &#x017F;tehen bleiben, wo<lb/>
wir einmal &#x017F;tanden. Das darf aber nicht &#x017F;ein, denn<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[207/0215] Entſagung und Muth. — Alles das thut uns auch Noth, wenn wir ihm nachfolgen und wuͤrdig verehren wollen, d. h., wenn er uns ein Beiſpiel ſein ſoll, wie man kaͤm- pfen muß mit der Gemeinheit und dem Kraͤmerſinne vie- ler Menſchen, die nichts Hoͤheres kennen, als ſinnliches Wohlleben, die Einer den Andern verachten oder verehren um irdiſch Gut, und unter ſich einen Unterſchied machen wollen von Hoch und Niedrig, den Nichts beſtimmt, als der Zufall der Geburt oder des Reichthums an Geld und Land. Ja, mit dieſer Gemeinheit wollen wir kaͤmpfen und ihr Trotz bieten, wie es Johannes gethan. Hoͤren wir aber auch auf ſeinen Spruch: „Thut Buße, bis das Alte neu geworden! thut Buße, denn das Himmelreich iſt nahe herbeigekommen!“ Aber die Buße, die er verlangt, iſt nicht etwa die, welche Kopfhaͤnger oder froͤmmelnde Strafprediger uns auferlegen moͤchten — es iſt die, welche jede Zeit, aber eine große, wie die damalige und wie die unſre auch werden wird, ja eigentlich ſchon iſt, von uns fordert: die Buße, das Alte abzuthun und dem Neuen zu dienen. Die alten Gewohnheiten, wenn ſie ſchlecht und unbrauchbar geworden ſind, muͤſſen wir von uns thun, weil ſonſt nie die beſſere Erkenntniß und mit ihr der Fortſchritt ſich Bahn brechen kann und wir dann Alle immer und mit uns alle Menſchen ſtehen bleiben, wo wir einmal ſtanden. Das darf aber nicht ſein, denn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/215
Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/215>, abgerufen am 04.05.2024.