Heiliger, Unfehlbarer, dem blindlings zu gehorchen sei, hoch und fern über seine Gemeinde zu stellen, als mache ihn der Priesterrock zu einem ganz apparten Menschen, zu dem nur mit tiefer Ehrfurcht und Unterthänigkeit aufzusehen sei. Ja, dieser Pfarrer, obwohl jung ge- wesen in der alten Zeit und alt geworden in der neuen Zeit, hielt doch diese werth und unterwarf sich allen ihren Forderungen. Darum eben so wenig als er einen geistlichen tyrannischen Herrscher spielen wollte, maßte er sich an, der Vater seiner Gemeinde sein und diese als seine Kinder betrachten zu wollen. Dies Verhältniß wußte er recht gut, gehöre in die alte Zeit; so schön es auch damals gewesen, es wollte sich nicht mehr für die neue Zeit schicken -- denn die neue Zeit hat alles Volk mün- dig gesprochen und es für eine Entwürdigung erklärt, mündige Menschen wie Kinder betrachten zu wollen, über die irgend Einer sich erheben dürfe und sagen: ich bin euer Vater, ihr seid meine Kinder. Dies klingt zwar sehr gemüthlich, aber es steckt dahinter doch eine Be- leidigung; denn es ist als sagte der, welcher so spricht, eben nichts Anderes als: ich habe Euch recht von Her- zen lieb, aber ich weiß, daß ich gescheidter bin als Jhr und tausend Dinge allein recht beurtheilen kann, wovon Jhr nichts versteht, darum sorge Jch für Euch, die Unwissenden und Unmündigen, die Jhr Euch nicht selbst
Heiliger, Unfehlbarer, dem blindlings zu gehorchen ſei, hoch und fern uͤber ſeine Gemeinde zu ſtellen, als mache ihn der Prieſterrock zu einem ganz apparten Menſchen, zu dem nur mit tiefer Ehrfurcht und Unterthaͤnigkeit aufzuſehen ſei. Ja, dieſer Pfarrer, obwohl jung ge- weſen in der alten Zeit und alt geworden in der neuen Zeit, hielt doch dieſe werth und unterwarf ſich allen ihren Forderungen. Darum eben ſo wenig als er einen geiſtlichen tyranniſchen Herrſcher ſpielen wollte, maßte er ſich an, der Vater ſeiner Gemeinde ſein und dieſe als ſeine Kinder betrachten zu wollen. Dies Verhaͤltniß wußte er recht gut, gehoͤre in die alte Zeit; ſo ſchoͤn es auch damals geweſen, es wollte ſich nicht mehr fuͤr die neue Zeit ſchicken — denn die neue Zeit hat alles Volk muͤn- dig geſprochen und es fuͤr eine Entwuͤrdigung erklaͤrt, muͤndige Menſchen wie Kinder betrachten zu wollen, uͤber die irgend Einer ſich erheben duͤrfe und ſagen: ich bin euer Vater, ihr ſeid meine Kinder. Dies klingt zwar ſehr gemuͤthlich, aber es ſteckt dahinter doch eine Be- leidigung; denn es iſt als ſagte der, welcher ſo ſpricht, eben nichts Anderes als: ich habe Euch recht von Her- zen lieb, aber ich weiß, daß ich geſcheidter bin als Jhr und tauſend Dinge allein recht beurtheilen kann, wovon Jhr nichts verſteht, darum ſorge Jch fuͤr Euch, die Unwiſſenden und Unmuͤndigen, die Jhr Euch nicht ſelbſt
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Heiliger, Unfehlbarer, dem blindlings zu gehorchen ſei,
hoch und fern uͤber ſeine Gemeinde zu ſtellen, als mache
ihn der Prieſterrock zu einem ganz apparten Menſchen,
zu dem nur mit tiefer Ehrfurcht und Unterthaͤnigkeit
aufzuſehen ſei. Ja, dieſer Pfarrer, obwohl jung ge-
weſen in der alten Zeit und alt geworden in der neuen
Zeit, hielt doch dieſe werth und unterwarf ſich allen
ihren Forderungen. Darum eben ſo wenig als er einen
geiſtlichen tyranniſchen Herrſcher ſpielen wollte, maßte er
ſich an, der Vater ſeiner Gemeinde ſein und dieſe als
ſeine Kinder betrachten zu wollen. Dies Verhaͤltniß wußte
er recht gut, gehoͤre in die alte Zeit; ſo ſchoͤn es auch
damals geweſen, es wollte ſich nicht mehr fuͤr die neue
Zeit ſchicken — denn die neue Zeit hat alles Volk muͤn-
dig geſprochen und es fuͤr eine Entwuͤrdigung erklaͤrt,
muͤndige Menſchen wie Kinder betrachten zu wollen, uͤber
die irgend Einer ſich erheben duͤrfe und ſagen: ich bin
euer Vater, ihr ſeid meine Kinder. Dies klingt zwar
ſehr gemuͤthlich, aber es ſteckt dahinter doch eine Be-
leidigung; denn es iſt als ſagte der, welcher ſo ſpricht,
eben nichts Anderes als: ich habe Euch recht von Her-
zen lieb, aber ich weiß, daß ich geſcheidter bin als Jhr
und tauſend Dinge allein recht beurtheilen kann, wovon
Jhr nichts verſteht, darum ſorge Jch fuͤr Euch, die
Unwiſſenden und Unmuͤndigen, die Jhr Euch nicht ſelbſt
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/19>, abgerufen am 21.11.2024.
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