hab' ich jetzt gar nicht einmal gedacht -- aber komm nur mit heraus aus den Schoten --"
"Wenn Du mir sagst, was Du eigentlich jetzt auf dem Herzen hast, Mutter!" rief Johannes und sie bei der Hand fassend, zog er sie ein Stück mit sich fort, bis zu einer Brettbank, auf die sich beide setzten: "Nun beichte."
"Ja," fing Mutter Eva mit niedergeschlagenen Au- gen an. "Du hast mir immer so viel von Deinen gro- ßen Städten erzählt und den ganzen Jahren daher, aber niemals hast Du mir was von einem Schatz gesagt und sonst seid Jhr jungen Bursche doch immer schnell ge- nug da!"
Johannes schüttelte die hellen Locken aus seiner Stirn und sah traurig vor sich nieder, seine Mutter aber fragt er: "Wie kommst Du denn darauf?"
"Wie man nun so auf Allerlei kommt, wenn man seine alten Gedanken zusammennimmt," sagte Mutter Eva, "aber ich sehe schon, Du hast keine Lust, mir zu ant- worten!"
"Warum auch nicht?" fiel Johannes ein, "es ist ja so menschlich als es schmerzlich ist." Er brach eine Ro- senknospe, die eben aufblühen wollte, von einem nahen Strauch und sie seiner Mutter hingebend sagte er: "Sieh, so war meine Aurora, so schön und jung -- aber auch gebrochen, wie diese -- sie verblühte schnell an mei-
hab’ ich jetzt gar nicht einmal gedacht — aber komm nur mit heraus aus den Schoten —“
„Wenn Du mir ſagſt, was Du eigentlich jetzt auf dem Herzen haſt, Mutter!“ rief Johannes und ſie bei der Hand faſſend, zog er ſie ein Stuͤck mit ſich fort, bis zu einer Brettbank, auf die ſich beide ſetzten: „Nun beichte.“
„Ja,“ fing Mutter Eva mit niedergeſchlagenen Au- gen an. „Du haſt mir immer ſo viel von Deinen gro- ßen Staͤdten erzaͤhlt und den ganzen Jahren daher, aber niemals haſt Du mir was von einem Schatz geſagt und ſonſt ſeid Jhr jungen Burſche doch immer ſchnell ge- nug da!“
Johannes ſchuͤttelte die hellen Locken aus ſeiner Stirn und ſah traurig vor ſich nieder, ſeine Mutter aber fragt er: „Wie kommſt Du denn darauf?“
„Wie man nun ſo auf Allerlei kommt, wenn man ſeine alten Gedanken zuſammennimmt,“ ſagte Mutter Eva, „aber ich ſehe ſchon, Du haſt keine Luſt, mir zu ant- worten!“
„Warum auch nicht?“ fiel Johannes ein, „es iſt ja ſo menſchlich als es ſchmerzlich iſt.“ Er brach eine Ro- ſenknospe, die eben aufbluͤhen wollte, von einem nahen Strauch und ſie ſeiner Mutter hingebend ſagte er: „Sieh, ſo war meine Aurora, ſo ſchoͤn und jung — aber auch gebrochen, wie dieſe — ſie verbluͤhte ſchnell an mei-
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hab’ ich jetzt gar nicht einmal gedacht — aber komm nur
mit heraus aus den Schoten —“
„Wenn Du mir ſagſt, was Du eigentlich jetzt auf
dem Herzen haſt, Mutter!“ rief Johannes und ſie bei der
Hand faſſend, zog er ſie ein Stuͤck mit ſich fort, bis zu
einer Brettbank, auf die ſich beide ſetzten: „Nun beichte.“
„Ja,“ fing Mutter Eva mit niedergeſchlagenen Au-
gen an. „Du haſt mir immer ſo viel von Deinen gro-
ßen Staͤdten erzaͤhlt und den ganzen Jahren daher, aber
niemals haſt Du mir was von einem Schatz geſagt und
ſonſt ſeid Jhr jungen Burſche doch immer ſchnell ge-
nug da!“
Johannes ſchuͤttelte die hellen Locken aus ſeiner Stirn
und ſah traurig vor ſich nieder, ſeine Mutter aber fragt
er: „Wie kommſt Du denn darauf?“
„Wie man nun ſo auf Allerlei kommt, wenn man
ſeine alten Gedanken zuſammennimmt,“ ſagte Mutter Eva,
„aber ich ſehe ſchon, Du haſt keine Luſt, mir zu ant-
worten!“
„Warum auch nicht?“ fiel Johannes ein, „es iſt ja
ſo menſchlich als es ſchmerzlich iſt.“ Er brach eine Ro-
ſenknospe, die eben aufbluͤhen wollte, von einem nahen
Strauch und ſie ſeiner Mutter hingebend ſagte er: „Sieh,
ſo war meine Aurora, ſo ſchoͤn und jung — aber auch
gebrochen, wie dieſe — ſie verbluͤhte ſchnell an mei-
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/189>, abgerufen am 16.07.2024.
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