Aber wie sie Euerm Johannes nachgelaufen ist, wie er nur den ersten Fußtritt hierher gesetzt hat, das könnt Jhr doch selber sehen, wenn Jhr nicht mit aller Gewalt blind sein wollt. Am Grabe Eures Seligen hat sie angefan- gen, gleich um sich bei Euch sowohl, wie bei Eurem Sohn einzuschmeicheln."
"Das ist nun eine gräuliche Lästerung!" rief Eva und ihre Stimme zitterte, so war sie innerlich böse und aufgebracht über Juliens Reden. Aber weiter wußte sie doch im Augenblick Nichts darauf zu sagen. "Laßt mich mit solchen Reden ungeschoren!" fuhr sie fort. "Jhr thut ja sonst, als wäret Jhr viel zu gut, mit mir armen alten Frau zu reden und wißt Jhr mir nichts Besseres zu sa- gen als solchen bösen Leumund, so hättet Jhr mich nicht an das Gartengeländer zu rufen brauchen." Und damit trat Mutter Eva von dem Zaun, über den hinweg sie mit Julien gesprochen hatte, zurück und ließ diese allein draußen stehen. Julie rief ihr noch triumphirend nach: "Der Glaube wird Euch schon noch in die Hände kom- men und Jhr werdet bald einsehen, wer besser ist und es ehr- licher mit Euch meint, ich, die Jhr jetzt schmählich zurecht- weisen wollt oder das saubere Suschen, das geschickt zu lügen und wie eine Katze zu schmeicheln versteht!" Da- mit ging sie ärgerlich weiter und hatte noch den Verdruß, zu sehen, wie eben Johannes in den Garten zu seiner
Aber wie ſie Euerm Johannes nachgelaufen iſt, wie er nur den erſten Fußtritt hierher geſetzt hat, das koͤnnt Jhr doch ſelber ſehen, wenn Jhr nicht mit aller Gewalt blind ſein wollt. Am Grabe Eures Seligen hat ſie angefan- gen, gleich um ſich bei Euch ſowohl, wie bei Eurem Sohn einzuſchmeicheln.“
„Das iſt nun eine graͤuliche Laͤſterung!“ rief Eva und ihre Stimme zitterte, ſo war ſie innerlich boͤſe und aufgebracht uͤber Juliens Reden. Aber weiter wußte ſie doch im Augenblick Nichts darauf zu ſagen. „Laßt mich mit ſolchen Reden ungeſchoren!“ fuhr ſie fort. „Jhr thut ja ſonſt, als waͤret Jhr viel zu gut, mit mir armen alten Frau zu reden und wißt Jhr mir nichts Beſſeres zu ſa- gen als ſolchen boͤſen Leumund, ſo haͤttet Jhr mich nicht an das Gartengelaͤnder zu rufen brauchen.“ Und damit trat Mutter Eva von dem Zaun, uͤber den hinweg ſie mit Julien geſprochen hatte, zuruͤck und ließ dieſe allein draußen ſtehen. Julie rief ihr noch triumphirend nach: „Der Glaube wird Euch ſchon noch in die Haͤnde kom- men und Jhr werdet bald einſehen, wer beſſer iſt und es ehr- licher mit Euch meint, ich, die Jhr jetzt ſchmaͤhlich zurecht- weiſen wollt oder das ſaubere Suschen, das geſchickt zu luͤgen und wie eine Katze zu ſchmeicheln verſteht!“ Da- mit ging ſie aͤrgerlich weiter und hatte noch den Verdruß, zu ſehen, wie eben Johannes in den Garten zu ſeiner
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Aber wie ſie Euerm Johannes nachgelaufen iſt, wie er
nur den erſten Fußtritt hierher geſetzt hat, das koͤnnt Jhr
doch ſelber ſehen, wenn Jhr nicht mit aller Gewalt blind
ſein wollt. Am Grabe Eures Seligen hat ſie angefan-
gen, gleich um ſich bei Euch ſowohl, wie bei Eurem Sohn
einzuſchmeicheln.“
„Das iſt nun eine graͤuliche Laͤſterung!“ rief Eva
und ihre Stimme zitterte, ſo war ſie innerlich boͤſe und
aufgebracht uͤber Juliens Reden. Aber weiter wußte ſie
doch im Augenblick Nichts darauf zu ſagen. „Laßt mich
mit ſolchen Reden ungeſchoren!“ fuhr ſie fort. „Jhr thut
ja ſonſt, als waͤret Jhr viel zu gut, mit mir armen alten
Frau zu reden und wißt Jhr mir nichts Beſſeres zu ſa-
gen als ſolchen boͤſen Leumund, ſo haͤttet Jhr mich nicht
an das Gartengelaͤnder zu rufen brauchen.“ Und damit
trat Mutter Eva von dem Zaun, uͤber den hinweg ſie
mit Julien geſprochen hatte, zuruͤck und ließ dieſe allein
draußen ſtehen. Julie rief ihr noch triumphirend nach:
„Der Glaube wird Euch ſchon noch in die Haͤnde kom-
men und Jhr werdet bald einſehen, wer beſſer iſt und es ehr-
licher mit Euch meint, ich, die Jhr jetzt ſchmaͤhlich zurecht-
weiſen wollt oder das ſaubere Suschen, das geſchickt zu
luͤgen und wie eine Katze zu ſchmeicheln verſteht!“ Da-
mit ging ſie aͤrgerlich weiter und hatte noch den Verdruß,
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/184>, abgerufen am 25.11.2024.
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