Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Aber wie sie Euerm Johannes nachgelaufen ist, wie er
nur den ersten Fußtritt hierher gesetzt hat, das könnt Jhr
doch selber sehen, wenn Jhr nicht mit aller Gewalt blind
sein wollt. Am Grabe Eures Seligen hat sie angefan-
gen, gleich um sich bei Euch sowohl, wie bei Eurem Sohn
einzuschmeicheln."

"Das ist nun eine gräuliche Lästerung!" rief Eva
und ihre Stimme zitterte, so war sie innerlich böse und
aufgebracht über Juliens Reden. Aber weiter wußte sie
doch im Augenblick Nichts darauf zu sagen. "Laßt mich
mit solchen Reden ungeschoren!" fuhr sie fort. "Jhr thut
ja sonst, als wäret Jhr viel zu gut, mit mir armen alten
Frau zu reden und wißt Jhr mir nichts Besseres zu sa-
gen als solchen bösen Leumund, so hättet Jhr mich nicht
an das Gartengeländer zu rufen brauchen." Und damit
trat Mutter Eva von dem Zaun, über den hinweg sie
mit Julien gesprochen hatte, zurück und ließ diese allein
draußen stehen. Julie rief ihr noch triumphirend nach:
"Der Glaube wird Euch schon noch in die Hände kom-
men und Jhr werdet bald einsehen, wer besser ist und es ehr-
licher mit Euch meint, ich, die Jhr jetzt schmählich zurecht-
weisen wollt oder das saubere Suschen, das geschickt zu
lügen und wie eine Katze zu schmeicheln versteht!" Da-
mit ging sie ärgerlich weiter und hatte noch den Verdruß,
zu sehen, wie eben Johannes in den Garten zu seiner

Aber wie ſie Euerm Johannes nachgelaufen iſt, wie er
nur den erſten Fußtritt hierher geſetzt hat, das koͤnnt Jhr
doch ſelber ſehen, wenn Jhr nicht mit aller Gewalt blind
ſein wollt. Am Grabe Eures Seligen hat ſie angefan-
gen, gleich um ſich bei Euch ſowohl, wie bei Eurem Sohn
einzuſchmeicheln.“

„Das iſt nun eine graͤuliche Laͤſterung!“ rief Eva
und ihre Stimme zitterte, ſo war ſie innerlich boͤſe und
aufgebracht uͤber Juliens Reden. Aber weiter wußte ſie
doch im Augenblick Nichts darauf zu ſagen. „Laßt mich
mit ſolchen Reden ungeſchoren!“ fuhr ſie fort. „Jhr thut
ja ſonſt, als waͤret Jhr viel zu gut, mit mir armen alten
Frau zu reden und wißt Jhr mir nichts Beſſeres zu ſa-
gen als ſolchen boͤſen Leumund, ſo haͤttet Jhr mich nicht
an das Gartengelaͤnder zu rufen brauchen.“ Und damit
trat Mutter Eva von dem Zaun, uͤber den hinweg ſie
mit Julien geſprochen hatte, zuruͤck und ließ dieſe allein
draußen ſtehen. Julie rief ihr noch triumphirend nach:
„Der Glaube wird Euch ſchon noch in die Haͤnde kom-
men und Jhr werdet bald einſehen, wer beſſer iſt und es ehr-
licher mit Euch meint, ich, die Jhr jetzt ſchmaͤhlich zurecht-
weiſen wollt oder das ſaubere Suschen, das geſchickt zu
luͤgen und wie eine Katze zu ſchmeicheln verſteht!“ Da-
mit ging ſie aͤrgerlich weiter und hatte noch den Verdruß,
zu ſehen, wie eben Johannes in den Garten zu ſeiner

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0184" n="176"/>
Aber wie &#x017F;ie Euerm Johannes nachgelaufen i&#x017F;t, wie er<lb/>
nur den er&#x017F;ten Fußtritt hierher ge&#x017F;etzt hat, das ko&#x0364;nnt Jhr<lb/>
doch &#x017F;elber &#x017F;ehen, wenn Jhr nicht mit aller Gewalt blind<lb/>
&#x017F;ein wollt. Am Grabe Eures Seligen hat &#x017F;ie angefan-<lb/>
gen, gleich um &#x017F;ich bei Euch &#x017F;owohl, wie bei Eurem Sohn<lb/>
einzu&#x017F;chmeicheln.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das i&#x017F;t nun eine gra&#x0364;uliche La&#x0364;&#x017F;terung!&#x201C; rief Eva<lb/>
und ihre Stimme zitterte, &#x017F;o war &#x017F;ie innerlich bo&#x0364;&#x017F;e und<lb/>
aufgebracht u&#x0364;ber Juliens Reden. Aber weiter wußte &#x017F;ie<lb/>
doch im Augenblick Nichts darauf zu &#x017F;agen. &#x201E;Laßt mich<lb/>
mit &#x017F;olchen Reden unge&#x017F;choren!&#x201C; fuhr &#x017F;ie fort. &#x201E;Jhr thut<lb/>
ja &#x017F;on&#x017F;t, als wa&#x0364;ret Jhr viel zu gut, mit mir armen alten<lb/>
Frau zu reden und wißt Jhr mir nichts Be&#x017F;&#x017F;eres zu &#x017F;a-<lb/>
gen als &#x017F;olchen bo&#x0364;&#x017F;en Leumund, &#x017F;o ha&#x0364;ttet Jhr mich nicht<lb/>
an das Gartengela&#x0364;nder zu rufen brauchen.&#x201C; Und damit<lb/>
trat Mutter Eva von dem Zaun, u&#x0364;ber den hinweg &#x017F;ie<lb/>
mit Julien ge&#x017F;prochen hatte, zuru&#x0364;ck und ließ die&#x017F;e allein<lb/>
draußen &#x017F;tehen. Julie rief ihr noch triumphirend nach:<lb/>
&#x201E;Der Glaube wird Euch &#x017F;chon noch in die Ha&#x0364;nde kom-<lb/>
men und Jhr werdet bald ein&#x017F;ehen, wer be&#x017F;&#x017F;er i&#x017F;t und es ehr-<lb/>
licher mit Euch meint, ich, die Jhr jetzt &#x017F;chma&#x0364;hlich zurecht-<lb/>
wei&#x017F;en wollt oder das &#x017F;aubere Suschen, das ge&#x017F;chickt zu<lb/>
lu&#x0364;gen und wie eine Katze zu &#x017F;chmeicheln ver&#x017F;teht!&#x201C; Da-<lb/>
mit ging &#x017F;ie a&#x0364;rgerlich weiter und hatte noch den Verdruß,<lb/>
zu &#x017F;ehen, wie eben Johannes in den Garten zu &#x017F;einer<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0184] Aber wie ſie Euerm Johannes nachgelaufen iſt, wie er nur den erſten Fußtritt hierher geſetzt hat, das koͤnnt Jhr doch ſelber ſehen, wenn Jhr nicht mit aller Gewalt blind ſein wollt. Am Grabe Eures Seligen hat ſie angefan- gen, gleich um ſich bei Euch ſowohl, wie bei Eurem Sohn einzuſchmeicheln.“ „Das iſt nun eine graͤuliche Laͤſterung!“ rief Eva und ihre Stimme zitterte, ſo war ſie innerlich boͤſe und aufgebracht uͤber Juliens Reden. Aber weiter wußte ſie doch im Augenblick Nichts darauf zu ſagen. „Laßt mich mit ſolchen Reden ungeſchoren!“ fuhr ſie fort. „Jhr thut ja ſonſt, als waͤret Jhr viel zu gut, mit mir armen alten Frau zu reden und wißt Jhr mir nichts Beſſeres zu ſa- gen als ſolchen boͤſen Leumund, ſo haͤttet Jhr mich nicht an das Gartengelaͤnder zu rufen brauchen.“ Und damit trat Mutter Eva von dem Zaun, uͤber den hinweg ſie mit Julien geſprochen hatte, zuruͤck und ließ dieſe allein draußen ſtehen. Julie rief ihr noch triumphirend nach: „Der Glaube wird Euch ſchon noch in die Haͤnde kom- men und Jhr werdet bald einſehen, wer beſſer iſt und es ehr- licher mit Euch meint, ich, die Jhr jetzt ſchmaͤhlich zurecht- weiſen wollt oder das ſaubere Suschen, das geſchickt zu luͤgen und wie eine Katze zu ſchmeicheln verſteht!“ Da- mit ging ſie aͤrgerlich weiter und hatte noch den Verdruß, zu ſehen, wie eben Johannes in den Garten zu ſeiner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/184
Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/184>, abgerufen am 03.05.2024.