Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Er schalt sie zärtlich aus, daß sie jetzt an andere Leute
denken und auf sie Rücksicht nehmen könne, indeß er nach
der ganzen andern Welt nicht frage, da er endlich wisse,
daß Laura sein sei, so könne sie ihn doch nicht so lieb
haben wie er sie. So stritten sie sich zärtlich ein Weil-
chen und glichen darin ganz Laura's Lieblingstauben, die
auch damit abwechseln, sich zu schnäbeln und zu zanken.

Darüber kam unser Schulmeister endlich nach Hause --
ganz außer sich, weil es für ihn nun gewiß geworden,
daß er Suschen an Johannes verloren habe. Er sah
auch verstört aus -- aber die Liebenden waren zu sehr
von ihrem Glück erfüllt, als daß sie ihm gleich hätten
die Betrübniß ansehen sollen. Laura rief ihn fröhlich zu
sich, da er kam. Er antwortete mit einem verdrießlichen:
"Was giebts denn?" und gerade über diese verdrießliche
Frage mußte sie lachen und Friedrich rief fröhlich:

"Ein Brautpaar giebt's und so Gott will bald eine
Hochzeit!"

Wie vom Donner gerührt stand unser Schulmeister.
Zu jeder andern Zeit würd' er über so eine Nachricht vor
Freuden gesprungen sein -- denn er wußte, was Friedrich
für ein braver Bursche war und daß seine Schwester, de-
ren Glück ihm selbst so sehr am Herzen lag, nicht leicht
eine bessere Wahl hätte treffen können -- aber daß er ge-
rade heute und jetzt noch in seiner trüben Stimmung

Er ſchalt ſie zaͤrtlich aus, daß ſie jetzt an andere Leute
denken und auf ſie Ruͤckſicht nehmen koͤnne, indeß er nach
der ganzen andern Welt nicht frage, da er endlich wiſſe,
daß Laura ſein ſei, ſo koͤnne ſie ihn doch nicht ſo lieb
haben wie er ſie. So ſtritten ſie ſich zaͤrtlich ein Weil-
chen und glichen darin ganz Laura’s Lieblingstauben, die
auch damit abwechſeln, ſich zu ſchnaͤbeln und zu zanken.

Daruͤber kam unſer Schulmeiſter endlich nach Hauſe —
ganz außer ſich, weil es fuͤr ihn nun gewiß geworden,
daß er Suschen an Johannes verloren habe. Er ſah
auch verſtoͤrt aus — aber die Liebenden waren zu ſehr
von ihrem Gluͤck erfuͤllt, als daß ſie ihm gleich haͤtten
die Betruͤbniß anſehen ſollen. Laura rief ihn froͤhlich zu
ſich, da er kam. Er antwortete mit einem verdrießlichen:
„Was giebts denn?“ und gerade uͤber dieſe verdrießliche
Frage mußte ſie lachen und Friedrich rief froͤhlich:

„Ein Brautpaar giebt’s und ſo Gott will bald eine
Hochzeit!“

Wie vom Donner geruͤhrt ſtand unſer Schulmeiſter.
Zu jeder andern Zeit wuͤrd’ er uͤber ſo eine Nachricht vor
Freuden geſprungen ſein — denn er wußte, was Friedrich
fuͤr ein braver Burſche war und daß ſeine Schweſter, de-
ren Gluͤck ihm ſelbſt ſo ſehr am Herzen lag, nicht leicht
eine beſſere Wahl haͤtte treffen koͤnnen — aber daß er ge-
rade heute und jetzt noch in ſeiner truͤben Stimmung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0174" n="166"/>
Er &#x017F;chalt &#x017F;ie za&#x0364;rtlich aus, daß &#x017F;ie jetzt an andere Leute<lb/>
denken und auf &#x017F;ie Ru&#x0364;ck&#x017F;icht nehmen ko&#x0364;nne, indeß er nach<lb/>
der ganzen andern Welt nicht frage, da er endlich wi&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
daß Laura &#x017F;ein &#x017F;ei, &#x017F;o ko&#x0364;nne &#x017F;ie ihn doch nicht &#x017F;o lieb<lb/>
haben wie er &#x017F;ie. So &#x017F;tritten &#x017F;ie &#x017F;ich za&#x0364;rtlich ein Weil-<lb/>
chen und glichen darin ganz Laura&#x2019;s Lieblingstauben, die<lb/>
auch damit abwech&#x017F;eln, &#x017F;ich zu &#x017F;chna&#x0364;beln und zu zanken.</p><lb/>
        <p>Daru&#x0364;ber kam un&#x017F;er Schulmei&#x017F;ter endlich nach Hau&#x017F;e &#x2014;<lb/>
ganz außer &#x017F;ich, weil es fu&#x0364;r ihn nun gewiß geworden,<lb/>
daß er Suschen an Johannes verloren habe. Er &#x017F;ah<lb/>
auch ver&#x017F;to&#x0364;rt aus &#x2014; aber die Liebenden waren zu &#x017F;ehr<lb/>
von ihrem Glu&#x0364;ck erfu&#x0364;llt, als daß &#x017F;ie ihm gleich ha&#x0364;tten<lb/>
die Betru&#x0364;bniß an&#x017F;ehen &#x017F;ollen. Laura rief ihn fro&#x0364;hlich zu<lb/>
&#x017F;ich, da er kam. Er antwortete mit einem verdrießlichen:<lb/>
&#x201E;Was giebts denn?&#x201C; und gerade u&#x0364;ber die&#x017F;e verdrießliche<lb/>
Frage mußte &#x017F;ie lachen und Friedrich rief fro&#x0364;hlich:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ein Brautpaar giebt&#x2019;s und &#x017F;o Gott will bald eine<lb/>
Hochzeit!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Wie vom Donner geru&#x0364;hrt &#x017F;tand un&#x017F;er Schulmei&#x017F;ter.<lb/>
Zu jeder andern Zeit wu&#x0364;rd&#x2019; er u&#x0364;ber &#x017F;o eine Nachricht vor<lb/>
Freuden ge&#x017F;prungen &#x017F;ein &#x2014; denn er wußte, was Friedrich<lb/>
fu&#x0364;r ein braver Bur&#x017F;che war und daß &#x017F;eine Schwe&#x017F;ter, de-<lb/>
ren Glu&#x0364;ck ihm &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;ehr am Herzen lag, nicht leicht<lb/>
eine be&#x017F;&#x017F;ere Wahl ha&#x0364;tte treffen ko&#x0364;nnen &#x2014; aber daß er ge-<lb/>
rade heute und jetzt noch in &#x017F;einer tru&#x0364;ben Stimmung<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[166/0174] Er ſchalt ſie zaͤrtlich aus, daß ſie jetzt an andere Leute denken und auf ſie Ruͤckſicht nehmen koͤnne, indeß er nach der ganzen andern Welt nicht frage, da er endlich wiſſe, daß Laura ſein ſei, ſo koͤnne ſie ihn doch nicht ſo lieb haben wie er ſie. So ſtritten ſie ſich zaͤrtlich ein Weil- chen und glichen darin ganz Laura’s Lieblingstauben, die auch damit abwechſeln, ſich zu ſchnaͤbeln und zu zanken. Daruͤber kam unſer Schulmeiſter endlich nach Hauſe — ganz außer ſich, weil es fuͤr ihn nun gewiß geworden, daß er Suschen an Johannes verloren habe. Er ſah auch verſtoͤrt aus — aber die Liebenden waren zu ſehr von ihrem Gluͤck erfuͤllt, als daß ſie ihm gleich haͤtten die Betruͤbniß anſehen ſollen. Laura rief ihn froͤhlich zu ſich, da er kam. Er antwortete mit einem verdrießlichen: „Was giebts denn?“ und gerade uͤber dieſe verdrießliche Frage mußte ſie lachen und Friedrich rief froͤhlich: „Ein Brautpaar giebt’s und ſo Gott will bald eine Hochzeit!“ Wie vom Donner geruͤhrt ſtand unſer Schulmeiſter. Zu jeder andern Zeit wuͤrd’ er uͤber ſo eine Nachricht vor Freuden geſprungen ſein — denn er wußte, was Friedrich fuͤr ein braver Burſche war und daß ſeine Schweſter, de- ren Gluͤck ihm ſelbſt ſo ſehr am Herzen lag, nicht leicht eine beſſere Wahl haͤtte treffen koͤnnen — aber daß er ge- rade heute und jetzt noch in ſeiner truͤben Stimmung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/174
Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/174>, abgerufen am 03.05.2024.