auf ihren vorigen Platz und sagte gleichwohl: "Jch weiß nur gar nicht, ob mein Bruder lange bleiben wird oder nicht."
"O, es wird schon nicht zu lange dauern!" antwortete Friedrich und setzte sich neben sie.
Sie erröthete und an dem Strickzeug, das sie in der Hand hielt, wollten die Finger sich nicht mehr fortbewe- gen und es überhaupt damit nicht vorwärts gehen. Er nahm es ihr aus der Hand und sagte: "Arbeiten im Zwielicht verdirbt die Augen!"
Sie ließ es sich gefallen und antwortete Nichts, aber sie fing zu zittern an, als er ihre Hand in die seinige nahm und ihr ein Wenig näher rückte, aber ohne ein Wort zu sagen. Sie wehrte es ihm nicht und so saßen sie Beide schweigend da. Sie schlug die Augen auf ihre Brust nieder, die so unruhig auf und ab ging, er ver- wendete keinen Blick von ihrer Hand, die er ganz fest hielt. So verging wieder eine lange Zeit. Endlich holte Friedrich tief Athem und begann ganz leise: "Jch wollte eigentlich --" sie wagte es jetzt, ihn anzusehen wie er sprach, aber da war vor diesem sanften fragenden Blick wieder sein ganzer Muth zum Sprechen vorbei -- er stockte, hielt inne und brachte kein Wort mehr heraus. Sie sah wieder zu Boden und ward immer unruhiger. So dauerte es eine Weile.
auf ihren vorigen Platz und ſagte gleichwohl: „Jch weiß nur gar nicht, ob mein Bruder lange bleiben wird oder nicht.“
„O, es wird ſchon nicht zu lange dauern!“ antwortete Friedrich und ſetzte ſich neben ſie.
Sie erroͤthete und an dem Strickzeug, das ſie in der Hand hielt, wollten die Finger ſich nicht mehr fortbewe- gen und es uͤberhaupt damit nicht vorwaͤrts gehen. Er nahm es ihr aus der Hand und ſagte: „Arbeiten im Zwielicht verdirbt die Augen!“
Sie ließ es ſich gefallen und antwortete Nichts, aber ſie fing zu zittern an, als er ihre Hand in die ſeinige nahm und ihr ein Wenig naͤher ruͤckte, aber ohne ein Wort zu ſagen. Sie wehrte es ihm nicht und ſo ſaßen ſie Beide ſchweigend da. Sie ſchlug die Augen auf ihre Bruſt nieder, die ſo unruhig auf und ab ging, er ver- wendete keinen Blick von ihrer Hand, die er ganz feſt hielt. So verging wieder eine lange Zeit. Endlich holte Friedrich tief Athem und begann ganz leiſe: „Jch wollte eigentlich —“ ſie wagte es jetzt, ihn anzuſehen wie er ſprach, aber da war vor dieſem ſanften fragenden Blick wieder ſein ganzer Muth zum Sprechen vorbei — er ſtockte, hielt inne und brachte kein Wort mehr heraus. Sie ſah wieder zu Boden und ward immer unruhiger. So dauerte es eine Weile.
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auf ihren vorigen Platz und ſagte gleichwohl: „Jch weiß
nur gar nicht, ob mein Bruder lange bleiben wird oder
nicht.“
„O, es wird ſchon nicht zu lange dauern!“ antwortete
Friedrich und ſetzte ſich neben ſie.
Sie erroͤthete und an dem Strickzeug, das ſie in der
Hand hielt, wollten die Finger ſich nicht mehr fortbewe-
gen und es uͤberhaupt damit nicht vorwaͤrts gehen. Er
nahm es ihr aus der Hand und ſagte: „Arbeiten im
Zwielicht verdirbt die Augen!“
Sie ließ es ſich gefallen und antwortete Nichts, aber
ſie fing zu zittern an, als er ihre Hand in die ſeinige
nahm und ihr ein Wenig naͤher ruͤckte, aber ohne ein
Wort zu ſagen. Sie wehrte es ihm nicht und ſo ſaßen
ſie Beide ſchweigend da. Sie ſchlug die Augen auf ihre
Bruſt nieder, die ſo unruhig auf und ab ging, er ver-
wendete keinen Blick von ihrer Hand, die er ganz feſt
hielt. So verging wieder eine lange Zeit. Endlich holte
Friedrich tief Athem und begann ganz leiſe: „Jch wollte
eigentlich —“ ſie wagte es jetzt, ihn anzuſehen wie er
ſprach, aber da war vor dieſem ſanften fragenden Blick
wieder ſein ganzer Muth zum Sprechen vorbei — er
ſtockte, hielt inne und brachte kein Wort mehr heraus.
Sie ſah wieder zu Boden und ward immer unruhiger.
So dauerte es eine Weile.
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/172>, abgerufen am 26.11.2024.
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