Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

daß er, während sie in dem Schuppen bei der Henne war,
oft unruhig in der Schulstube hin und her ging, bald
nach dem Fenster, bald nach der Thür sah und Mühe
hatte, den Unterricht in gewohnter Weise fortzugeben. Er
sehnte sich so, sie wenigstens zu sehen und doch wollte er
sich's nicht merken lassen, ihr selbst nun gleich gar nicht
oder andern Leuten im Dorfe, die, wie er meinte, den ver-
schmähten Liebhaber leicht zum Besten haben könnten.
Da sah er denn meist nur von Weitem durchs Fenster,
wenn sie vorüber ging, so daß sie es gar nicht gewahr
werden konnte und den Schulkindern das Hinsehen in sol-
cher Entfernung eben auch weiter nicht auffiel. Davon
konnte nun Suschen freilich nichts ahnen und da er,
wenn er ihr im Dorf begegnete oder sie vor ihrem Thor-
weg Abends sitzen fand, wo er sonst oft mit ihr geplau-
dert hatte, immer nur mit einem ernsten Gruß vorüber
ging, wobei er halb kalt und gezwungen, halb betrübt
aussah, so wußte sie gar nicht mehr, was sie davon den-
ken sollte. Sie wußte nicht genau warum -- aber fast
jeden Abend, wenn sie allein in ihrer kleinen Kammer war
und vorm Schlafengehen das Vaterunser betete, mußte sie
weinen und betete stumm und wortlos noch eine Bitte
hinzu, bei der sie die Hände immer brünstiger vor der
unruhig wogenden Brust faltete. An jenem Sonntag
Abend war ihr's nun wieder just recht bange um's Herz.

daß er, waͤhrend ſie in dem Schuppen bei der Henne war,
oft unruhig in der Schulſtube hin und her ging, bald
nach dem Fenſter, bald nach der Thuͤr ſah und Muͤhe
hatte, den Unterricht in gewohnter Weiſe fortzugeben. Er
ſehnte ſich ſo, ſie wenigſtens zu ſehen und doch wollte er
ſich’s nicht merken laſſen, ihr ſelbſt nun gleich gar nicht
oder andern Leuten im Dorfe, die, wie er meinte, den ver-
ſchmaͤhten Liebhaber leicht zum Beſten haben koͤnnten.
Da ſah er denn meiſt nur von Weitem durchs Fenſter,
wenn ſie voruͤber ging, ſo daß ſie es gar nicht gewahr
werden konnte und den Schulkindern das Hinſehen in ſol-
cher Entfernung eben auch weiter nicht auffiel. Davon
konnte nun Suschen freilich nichts ahnen und da er,
wenn er ihr im Dorf begegnete oder ſie vor ihrem Thor-
weg Abends ſitzen fand, wo er ſonſt oft mit ihr geplau-
dert hatte, immer nur mit einem ernſten Gruß voruͤber
ging, wobei er halb kalt und gezwungen, halb betruͤbt
ausſah, ſo wußte ſie gar nicht mehr, was ſie davon den-
ken ſollte. Sie wußte nicht genau warum — aber faſt
jeden Abend, wenn ſie allein in ihrer kleinen Kammer war
und vorm Schlafengehen das Vaterunſer betete, mußte ſie
weinen und betete ſtumm und wortlos noch eine Bitte
hinzu, bei der ſie die Haͤnde immer bruͤnſtiger vor der
unruhig wogenden Bruſt faltete. An jenem Sonntag
Abend war ihr’s nun wieder juſt recht bange um’s Herz.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0165" n="157"/>
daß er, wa&#x0364;hrend &#x017F;ie in dem Schuppen bei der Henne war,<lb/>
oft unruhig in der Schul&#x017F;tube hin und her ging, bald<lb/>
nach dem Fen&#x017F;ter, bald nach der Thu&#x0364;r &#x017F;ah und Mu&#x0364;he<lb/>
hatte, den Unterricht in gewohnter Wei&#x017F;e fortzugeben. Er<lb/>
&#x017F;ehnte &#x017F;ich &#x017F;o, &#x017F;ie wenig&#x017F;tens zu &#x017F;ehen und doch wollte er<lb/>
&#x017F;ich&#x2019;s nicht merken la&#x017F;&#x017F;en, ihr &#x017F;elb&#x017F;t nun gleich gar nicht<lb/>
oder andern Leuten im Dorfe, die, wie er meinte, den ver-<lb/>
&#x017F;chma&#x0364;hten Liebhaber leicht zum Be&#x017F;ten haben ko&#x0364;nnten.<lb/>
Da &#x017F;ah er denn mei&#x017F;t nur von Weitem durchs Fen&#x017F;ter,<lb/>
wenn &#x017F;ie voru&#x0364;ber ging, &#x017F;o daß &#x017F;ie es gar nicht gewahr<lb/>
werden konnte und den Schulkindern das Hin&#x017F;ehen in &#x017F;ol-<lb/>
cher Entfernung eben auch weiter nicht auffiel. Davon<lb/>
konnte nun Suschen freilich nichts ahnen und da er,<lb/>
wenn er ihr im Dorf begegnete oder &#x017F;ie vor ihrem Thor-<lb/>
weg Abends &#x017F;itzen fand, wo er &#x017F;on&#x017F;t oft mit ihr geplau-<lb/>
dert hatte, immer nur mit einem ern&#x017F;ten Gruß voru&#x0364;ber<lb/>
ging, wobei er halb kalt und gezwungen, halb betru&#x0364;bt<lb/>
aus&#x017F;ah, &#x017F;o wußte &#x017F;ie gar nicht mehr, was &#x017F;ie davon den-<lb/>
ken &#x017F;ollte. Sie wußte nicht genau warum &#x2014; aber fa&#x017F;t<lb/>
jeden Abend, wenn &#x017F;ie allein in ihrer kleinen Kammer war<lb/>
und vorm Schlafengehen das Vaterun&#x017F;er betete, mußte &#x017F;ie<lb/>
weinen und betete &#x017F;tumm und wortlos noch eine Bitte<lb/>
hinzu, bei der &#x017F;ie die Ha&#x0364;nde immer bru&#x0364;n&#x017F;tiger vor der<lb/>
unruhig wogenden Bru&#x017F;t faltete. An jenem Sonntag<lb/>
Abend war ihr&#x2019;s nun wieder ju&#x017F;t recht bange um&#x2019;s Herz.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0165] daß er, waͤhrend ſie in dem Schuppen bei der Henne war, oft unruhig in der Schulſtube hin und her ging, bald nach dem Fenſter, bald nach der Thuͤr ſah und Muͤhe hatte, den Unterricht in gewohnter Weiſe fortzugeben. Er ſehnte ſich ſo, ſie wenigſtens zu ſehen und doch wollte er ſich’s nicht merken laſſen, ihr ſelbſt nun gleich gar nicht oder andern Leuten im Dorfe, die, wie er meinte, den ver- ſchmaͤhten Liebhaber leicht zum Beſten haben koͤnnten. Da ſah er denn meiſt nur von Weitem durchs Fenſter, wenn ſie voruͤber ging, ſo daß ſie es gar nicht gewahr werden konnte und den Schulkindern das Hinſehen in ſol- cher Entfernung eben auch weiter nicht auffiel. Davon konnte nun Suschen freilich nichts ahnen und da er, wenn er ihr im Dorf begegnete oder ſie vor ihrem Thor- weg Abends ſitzen fand, wo er ſonſt oft mit ihr geplau- dert hatte, immer nur mit einem ernſten Gruß voruͤber ging, wobei er halb kalt und gezwungen, halb betruͤbt ausſah, ſo wußte ſie gar nicht mehr, was ſie davon den- ken ſollte. Sie wußte nicht genau warum — aber faſt jeden Abend, wenn ſie allein in ihrer kleinen Kammer war und vorm Schlafengehen das Vaterunſer betete, mußte ſie weinen und betete ſtumm und wortlos noch eine Bitte hinzu, bei der ſie die Haͤnde immer bruͤnſtiger vor der unruhig wogenden Bruſt faltete. An jenem Sonntag Abend war ihr’s nun wieder juſt recht bange um’s Herz.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/165
Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/165>, abgerufen am 03.05.2024.