nicht von Andern gehört, es hat sich's noch Keiner ge- traut -- nun, wobei etwas nicht zu getrauen ist, da muß es doch nicht so ganz mit rechten Dingen zugehen."
"Nein Mutter," antwortete Johannes zuversichtlich, "das ist nun eben das Schlimme dieses sich nicht ge- trauen. Keiner will den Anfang machen und darum allein kann's oft nie zu Etwas kommen. -- Aber laß das nur gut sein und mach' Dir das Leben nicht schwer mit unnützen Sorgen." --
Die jungen Leute kamen nun überein, eine Liedertafel zu bilden und alle Sonntag Nachmittage auf der Burg zusammen zu kommen und zu singen im ganzen Chor. Dazwischen noch wollte der Schulmeister ein paarmal wöchentlich Abends in seiner Stube Uebungen mit Ein- zelnen vornehmen. Er ward zum Leiter des Ganzen er- nannt. Jn der heitersten Stimmung blieben Alle noch lange bei einander, dann zogen sie singend heim durch's Dorf. Als sie so spät bei der Schenke vorüber kamen, machte der Wirth ein grämliches Gesicht, denn Viele von den Burschen waren sonst zu ihm in die Schenke gekommen und heute waren sie alle ausgeblieben und kam auch jetzt Keiner. Christlieb redete laut zu ihm über die "Brüllerei", wie er nun einmal den Männergesang nannte am späten Abend und daß dies eigentlich nicht zu dulden
nicht von Andern gehoͤrt, es hat ſich’s noch Keiner ge- traut — nun, wobei etwas nicht zu getrauen iſt, da muß es doch nicht ſo ganz mit rechten Dingen zugehen.“
„Nein Mutter,“ antwortete Johannes zuverſichtlich, „das iſt nun eben das Schlimme dieſes ſich nicht ge- trauen. Keiner will den Anfang machen und darum allein kann’s oft nie zu Etwas kommen. — Aber laß das nur gut ſein und mach’ Dir das Leben nicht ſchwer mit unnuͤtzen Sorgen.“ —
Die jungen Leute kamen nun uͤberein, eine Liedertafel zu bilden und alle Sonntag Nachmittage auf der Burg zuſammen zu kommen und zu ſingen im ganzen Chor. Dazwiſchen noch wollte der Schulmeiſter ein paarmal woͤchentlich Abends in ſeiner Stube Uebungen mit Ein- zelnen vornehmen. Er ward zum Leiter des Ganzen er- nannt. Jn der heiterſten Stimmung blieben Alle noch lange bei einander, dann zogen ſie ſingend heim durch’s Dorf. Als ſie ſo ſpaͤt bei der Schenke voruͤber kamen, machte der Wirth ein graͤmliches Geſicht, denn Viele von den Burſchen waren ſonſt zu ihm in die Schenke gekommen und heute waren ſie alle ausgeblieben und kam auch jetzt Keiner. Chriſtlieb redete laut zu ihm uͤber die „Bruͤllerei“, wie er nun einmal den Maͤnnergeſang nannte am ſpaͤten Abend und daß dies eigentlich nicht zu dulden
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nicht von Andern gehoͤrt, es hat ſich’s noch Keiner ge-
traut — nun, wobei etwas nicht zu getrauen iſt, da muß
es doch nicht ſo ganz mit rechten Dingen zugehen.“
„Nein Mutter,“ antwortete Johannes zuverſichtlich,
„das iſt nun eben das Schlimme dieſes ſich nicht ge-
trauen. Keiner will den Anfang machen und darum
allein kann’s oft nie zu Etwas kommen. — Aber laß das
nur gut ſein und mach’ Dir das Leben nicht ſchwer mit
unnuͤtzen Sorgen.“ —
Die jungen Leute kamen nun uͤberein, eine Liedertafel
zu bilden und alle Sonntag Nachmittage auf der Burg
zuſammen zu kommen und zu ſingen im ganzen Chor.
Dazwiſchen noch wollte der Schulmeiſter ein paarmal
woͤchentlich Abends in ſeiner Stube Uebungen mit Ein-
zelnen vornehmen. Er ward zum Leiter des Ganzen er-
nannt. Jn der heiterſten Stimmung blieben Alle noch
lange bei einander, dann zogen ſie ſingend heim durch’s
Dorf. Als ſie ſo ſpaͤt bei der Schenke voruͤber kamen,
machte der Wirth ein graͤmliches Geſicht, denn Viele
von den Burſchen waren ſonſt zu ihm in die Schenke
gekommen und heute waren ſie alle ausgeblieben und kam
auch jetzt Keiner. Chriſtlieb redete laut zu ihm uͤber die
„Bruͤllerei“, wie er nun einmal den Maͤnnergeſang nannte
am ſpaͤten Abend und daß dies eigentlich nicht zu dulden
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/158>, abgerufen am 03.05.2024.
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