Etwa gegen dreißig junge Burschen waren hier ver- sammelt, darunter unser Schulmeister, Johannes, Fried- rich und der Knecht Jacob. Sie grüßten Alle den Pfar- rer ehrerbietig, der in ihre Mitte trat und Allen freund- lich zunickte: "Das habt Jhr brav gesungen!" sagte er, "wir kamen herauf, wie das Lied eben erst begann, da wir aber nicht stören wollten, blieben wir draußen stehen -- nun thut auch jetzt nicht als ob ich da wäre und singt weiter, ich hab' meine ganze Freude an so einem Männer- chor. Gewiß macht es Euch auch Allen Freude, so mit einander zu singen?"
"Ja, das Herz geht einem ordentlich dabei auf," sagte Friedrich.
"Es ist, als würde man ein ganz anderer Mensch wenn man so singt," meinte ein Andrer. --
"Man vergißt alle Sorgen darüber," sagte der Knecht Jacob und seufzte dabei tief, als wolle er auch damit Alles abschütteln was ihn immer so niederdrückte.
Und so hatten noch Viele Etwas zum Lobe dieses Gesanges vorzubringen.
"Seht," nahm der Pfarrer wieder das Wort, "so klug hättet Jhr nun lange schon sein können und Euch die Freude bereiten; wie viel edler ist sie doch als Kartenspie- len und Trinken und Jhr werdet sie immer mehr schätzen
„Bravo!“ ſagte unſer Pfarrer laut.
Etwa gegen dreißig junge Burſchen waren hier ver- ſammelt, darunter unſer Schulmeiſter, Johannes, Fried- rich und der Knecht Jacob. Sie gruͤßten Alle den Pfar- rer ehrerbietig, der in ihre Mitte trat und Allen freund- lich zunickte: „Das habt Jhr brav geſungen!“ ſagte er, „wir kamen herauf, wie das Lied eben erſt begann, da wir aber nicht ſtoͤren wollten, blieben wir draußen ſtehen — nun thut auch jetzt nicht als ob ich da waͤre und ſingt weiter, ich hab’ meine ganze Freude an ſo einem Maͤnner- chor. Gewiß macht es Euch auch Allen Freude, ſo mit einander zu ſingen?“
„Ja, das Herz geht einem ordentlich dabei auf,“ ſagte Friedrich.
„Es iſt, als wuͤrde man ein ganz anderer Menſch wenn man ſo ſingt,“ meinte ein Andrer. —
„Man vergißt alle Sorgen daruͤber,“ ſagte der Knecht Jacob und ſeufzte dabei tief, als wolle er auch damit Alles abſchuͤtteln was ihn immer ſo niederdruͤckte.
Und ſo hatten noch Viele Etwas zum Lobe dieſes Geſanges vorzubringen.
„Seht,“ nahm der Pfarrer wieder das Wort, „ſo klug haͤttet Jhr nun lange ſchon ſein koͤnnen und Euch die Freude bereiten; wie viel edler iſt ſie doch als Kartenſpie- len und Trinken und Jhr werdet ſie immer mehr ſchaͤtzen
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„Bravo!“ ſagte unſer Pfarrer laut.
Etwa gegen dreißig junge Burſchen waren hier ver-
ſammelt, darunter unſer Schulmeiſter, Johannes, Fried-
rich und der Knecht Jacob. Sie gruͤßten Alle den Pfar-
rer ehrerbietig, der in ihre Mitte trat und Allen freund-
lich zunickte: „Das habt Jhr brav geſungen!“ ſagte er,
„wir kamen herauf, wie das Lied eben erſt begann, da wir
aber nicht ſtoͤren wollten, blieben wir draußen ſtehen —
nun thut auch jetzt nicht als ob ich da waͤre und ſingt
weiter, ich hab’ meine ganze Freude an ſo einem Maͤnner-
chor. Gewiß macht es Euch auch Allen Freude, ſo mit
einander zu ſingen?“
„Ja, das Herz geht einem ordentlich dabei auf,“
ſagte Friedrich.
„Es iſt, als wuͤrde man ein ganz anderer Menſch
wenn man ſo ſingt,“ meinte ein Andrer. —
„Man vergißt alle Sorgen daruͤber,“ ſagte der Knecht
Jacob und ſeufzte dabei tief, als wolle er auch damit
Alles abſchuͤtteln was ihn immer ſo niederdruͤckte.
Und ſo hatten noch Viele Etwas zum Lobe dieſes
Geſanges vorzubringen.
„Seht,“ nahm der Pfarrer wieder das Wort, „ſo klug
haͤttet Jhr nun lange ſchon ſein koͤnnen und Euch die
Freude bereiten; wie viel edler iſt ſie doch als Kartenſpie-
len und Trinken und Jhr werdet ſie immer mehr ſchaͤtzen
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/151>, abgerufen am 16.07.2024.
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