zugleich, daß man sie entdeckte, sich drollig genug aus- nahm -- unser Schulmeister aber lächelte nur betrübt vor sich nieder.
"Sie beißt," sagte Laura, "wenn man sie anfassen will. Jch ging vorhin hier herein, weil ich dachte, wenn man einmal alle Winkel durchsucht, kann ich auch in die- sen schauen -- und just da wo ich zuletzt hinsehe, muß sie sitzen, so geht's gewöhnlich! -- Sie hat sich hier ein Nest gebaut und eine Menge Eier unter sich, wahrschein- lich hat sie schon manchmal hierher gelegt und unsere Hühner haben auch hier und da Eins dazu gegeben. Jch meine, wir lassen sie sitzen, denn sie wird auf kein anderes Nest gehen mögen und die Eier hier sind wohl schon angebrütet -- bei uns weiß sie Suschen gut auf- gehoben -- aber sagen müssen wir's ihr heut' Abend noch und zeigen, daß sie da ist -- gehst Du vielleicht hin zum Richter?" fragte sie ihren Bruder.
Dieser antwortete: "Johannes geht wohl hin und sagt es mit --"
"Jn der That", erwiderte Johannes unbefangen, "würde mir das ein Wenig zu spät werden, ich habe noch meinem Mütterlein zu kommen versprochen und die geht immer zeitig schlafen, ich kann sie nicht warten lassen."
Unser Schulmeister war ein Wenig verwundert und
zugleich, daß man ſie entdeckte, ſich drollig genug aus- nahm — unſer Schulmeiſter aber laͤchelte nur betruͤbt vor ſich nieder.
„Sie beißt,“ ſagte Laura, „wenn man ſie anfaſſen will. Jch ging vorhin hier herein, weil ich dachte, wenn man einmal alle Winkel durchſucht, kann ich auch in die- ſen ſchauen — und juſt da wo ich zuletzt hinſehe, muß ſie ſitzen, ſo geht’s gewoͤhnlich! — Sie hat ſich hier ein Neſt gebaut und eine Menge Eier unter ſich, wahrſchein- lich hat ſie ſchon manchmal hierher gelegt und unſere Huͤhner haben auch hier und da Eins dazu gegeben. Jch meine, wir laſſen ſie ſitzen, denn ſie wird auf kein anderes Neſt gehen moͤgen und die Eier hier ſind wohl ſchon angebruͤtet — bei uns weiß ſie Suschen gut auf- gehoben — aber ſagen muͤſſen wir’s ihr heut’ Abend noch und zeigen, daß ſie da iſt — gehſt Du vielleicht hin zum Richter?“ fragte ſie ihren Bruder.
Dieſer antwortete: „Johannes geht wohl hin und ſagt es mit —“
„Jn der That“, erwiderte Johannes unbefangen, „wuͤrde mir das ein Wenig zu ſpaͤt werden, ich habe noch meinem Muͤtterlein zu kommen verſprochen und die geht immer zeitig ſchlafen, ich kann ſie nicht warten laſſen.“
Unſer Schulmeiſter war ein Wenig verwundert und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0130"n="122"/>
zugleich, daß man ſie entdeckte, ſich drollig genug aus-<lb/>
nahm — unſer Schulmeiſter aber laͤchelte nur betruͤbt<lb/>
vor ſich nieder.</p><lb/><p>„Sie beißt,“ſagte Laura, „wenn man ſie anfaſſen<lb/>
will. Jch ging vorhin hier herein, weil ich dachte, wenn<lb/>
man einmal alle Winkel durchſucht, kann ich auch in die-<lb/>ſen ſchauen — und juſt da wo ich zuletzt hinſehe, muß<lb/>ſie ſitzen, ſo geht’s gewoͤhnlich! — Sie hat ſich hier ein<lb/>
Neſt gebaut und eine Menge Eier unter ſich, wahrſchein-<lb/>
lich hat ſie ſchon manchmal hierher gelegt und unſere<lb/>
Huͤhner haben auch hier und da Eins dazu gegeben.<lb/>
Jch meine, wir laſſen ſie ſitzen, denn ſie wird auf kein<lb/>
anderes Neſt gehen moͤgen und die Eier hier ſind wohl<lb/>ſchon angebruͤtet — bei uns weiß ſie Suschen gut auf-<lb/>
gehoben — aber ſagen muͤſſen wir’s ihr heut’ Abend noch<lb/>
und zeigen, daß ſie da iſt — gehſt Du vielleicht hin zum<lb/>
Richter?“ fragte ſie ihren Bruder.</p><lb/><p>Dieſer antwortete: „Johannes geht wohl hin und<lb/>ſagt es mit —“</p><lb/><p>„Jn der That“, erwiderte Johannes unbefangen,<lb/>„wuͤrde mir das ein Wenig zu ſpaͤt werden, ich habe<lb/>
noch meinem Muͤtterlein zu kommen verſprochen und<lb/>
die geht immer zeitig ſchlafen, ich kann ſie nicht warten<lb/>
laſſen.“</p><lb/><p>Unſer Schulmeiſter war ein Wenig verwundert und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[122/0130]
zugleich, daß man ſie entdeckte, ſich drollig genug aus-
nahm — unſer Schulmeiſter aber laͤchelte nur betruͤbt
vor ſich nieder.
„Sie beißt,“ ſagte Laura, „wenn man ſie anfaſſen
will. Jch ging vorhin hier herein, weil ich dachte, wenn
man einmal alle Winkel durchſucht, kann ich auch in die-
ſen ſchauen — und juſt da wo ich zuletzt hinſehe, muß
ſie ſitzen, ſo geht’s gewoͤhnlich! — Sie hat ſich hier ein
Neſt gebaut und eine Menge Eier unter ſich, wahrſchein-
lich hat ſie ſchon manchmal hierher gelegt und unſere
Huͤhner haben auch hier und da Eins dazu gegeben.
Jch meine, wir laſſen ſie ſitzen, denn ſie wird auf kein
anderes Neſt gehen moͤgen und die Eier hier ſind wohl
ſchon angebruͤtet — bei uns weiß ſie Suschen gut auf-
gehoben — aber ſagen muͤſſen wir’s ihr heut’ Abend noch
und zeigen, daß ſie da iſt — gehſt Du vielleicht hin zum
Richter?“ fragte ſie ihren Bruder.
Dieſer antwortete: „Johannes geht wohl hin und
ſagt es mit —“
„Jn der That“, erwiderte Johannes unbefangen,
„wuͤrde mir das ein Wenig zu ſpaͤt werden, ich habe
noch meinem Muͤtterlein zu kommen verſprochen und
die geht immer zeitig ſchlafen, ich kann ſie nicht warten
laſſen.“
Unſer Schulmeiſter war ein Wenig verwundert und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/130>, abgerufen am 30.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.