Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Alles noch einmal. Er ist gestern zu aufgeregt ge-
wesen, am Ende könn' er sich doch getäuscht haben,
meint er. Wenn er ein Mädchen wiedersehe, mit dem
er aufgewachsen -- es würde am Ende gerade so ein
zärtliches, fröhliches Wiedersehen geben, wie das zwischen
jenen beiden. Nein, er will nicht vorschnell urtheilen,
er hat gestern Alles zu argwöhnisch, wie mit einer trüben
Brille angesehen, er will Alles vergessen; er macht sich
jetzt Vorwürfe, daß er gestern zuletzt so still neben Sus-
chen gewesen und daß er einen so frostigen Abschied von
ihr genommen. Das will er heut' Abend Alles wieder
gut machen. Vielleicht sitzt sie vor der Hausthür oder
im Garten, da will er sie sprechen, wieder herzlich und
freundlich sein, wie er immer gewesen, vielleicht ist auch
sie wieder so. -- Da mußte er nun just dazu kommen,
wie Johannes bei ihr steht und ihr für die Bekränzung
des Grabes dankt, wie sie der Dank in Verlegenheit
bringt, wie jeder, und sie ihn ablehnen will, indem
sie beschämt die Augen niederschlägt -- -- wovon die
Rede ist, weiß er gar nicht, er deutet dies Händefassen
und Erröthen noch anders und stürzt außer sich an dem
Paar vorüber. Abends, wie Laura nach Hause kommt
und ihn harmlos fragt, warum er denn vorhin so vor-
beigelaufen, antwortet er nur: "Jch wollte den Herrn
Johannes nicht stören, der etwas Wichtiges mit

Alles noch einmal. Er iſt geſtern zu aufgeregt ge-
weſen, am Ende koͤnn’ er ſich doch getaͤuſcht haben,
meint er. Wenn er ein Maͤdchen wiederſehe, mit dem
er aufgewachſen — es wuͤrde am Ende gerade ſo ein
zaͤrtliches, froͤhliches Wiederſehen geben, wie das zwiſchen
jenen beiden. Nein, er will nicht vorſchnell urtheilen,
er hat geſtern Alles zu argwoͤhniſch, wie mit einer truͤben
Brille angeſehen, er will Alles vergeſſen; er macht ſich
jetzt Vorwuͤrfe, daß er geſtern zuletzt ſo ſtill neben Sus-
chen geweſen und daß er einen ſo froſtigen Abſchied von
ihr genommen. Das will er heut’ Abend Alles wieder
gut machen. Vielleicht ſitzt ſie vor der Hausthuͤr oder
im Garten, da will er ſie ſprechen, wieder herzlich und
freundlich ſein, wie er immer geweſen, vielleicht iſt auch
ſie wieder ſo. — Da mußte er nun juſt dazu kommen,
wie Johannes bei ihr ſteht und ihr fuͤr die Bekraͤnzung
des Grabes dankt, wie ſie der Dank in Verlegenheit
bringt, wie jeder, und ſie ihn ablehnen will, indem
ſie beſchaͤmt die Augen niederſchlaͤgt — — wovon die
Rede iſt, weiß er gar nicht, er deutet dies Haͤndefaſſen
und Erroͤthen noch anders und ſtuͤrzt außer ſich an dem
Paar voruͤber. Abends, wie Laura nach Hauſe kommt
und ihn harmlos fragt, warum er denn vorhin ſo vor-
beigelaufen, antwortet er nur: „Jch wollte den Herrn
Johannes nicht ſtoͤren, der etwas Wichtiges mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0104" n="96"/>
Alles noch einmal. Er i&#x017F;t ge&#x017F;tern zu aufgeregt ge-<lb/>
we&#x017F;en, am Ende ko&#x0364;nn&#x2019; er &#x017F;ich doch geta&#x0364;u&#x017F;cht haben,<lb/>
meint er. Wenn er ein Ma&#x0364;dchen wieder&#x017F;ehe, mit dem<lb/>
er aufgewach&#x017F;en &#x2014; es wu&#x0364;rde am Ende gerade &#x017F;o ein<lb/>
za&#x0364;rtliches, fro&#x0364;hliches Wieder&#x017F;ehen geben, wie das zwi&#x017F;chen<lb/>
jenen beiden. Nein, er will nicht vor&#x017F;chnell urtheilen,<lb/>
er hat ge&#x017F;tern Alles zu argwo&#x0364;hni&#x017F;ch, wie mit einer tru&#x0364;ben<lb/>
Brille ange&#x017F;ehen, er will Alles verge&#x017F;&#x017F;en; er macht &#x017F;ich<lb/>
jetzt Vorwu&#x0364;rfe, daß er ge&#x017F;tern zuletzt &#x017F;o &#x017F;till neben Sus-<lb/>
chen gewe&#x017F;en und daß er einen &#x017F;o fro&#x017F;tigen Ab&#x017F;chied von<lb/>
ihr genommen. Das will er heut&#x2019; Abend Alles wieder<lb/>
gut machen. Vielleicht &#x017F;itzt &#x017F;ie vor der Hausthu&#x0364;r oder<lb/>
im Garten, da will er &#x017F;ie &#x017F;prechen, wieder herzlich und<lb/>
freundlich &#x017F;ein, wie er immer gewe&#x017F;en, vielleicht i&#x017F;t auch<lb/>
&#x017F;ie wieder &#x017F;o. &#x2014; Da mußte er nun ju&#x017F;t dazu kommen,<lb/>
wie Johannes bei ihr &#x017F;teht und ihr fu&#x0364;r die Bekra&#x0364;nzung<lb/>
des Grabes dankt, wie &#x017F;ie der Dank in Verlegenheit<lb/>
bringt, wie jeder, und &#x017F;ie ihn ablehnen will, indem<lb/>
&#x017F;ie be&#x017F;cha&#x0364;mt die Augen nieder&#x017F;chla&#x0364;gt &#x2014; &#x2014; wovon die<lb/>
Rede i&#x017F;t, weiß er gar nicht, er deutet dies Ha&#x0364;ndefa&#x017F;&#x017F;en<lb/>
und Erro&#x0364;then noch anders und &#x017F;tu&#x0364;rzt außer &#x017F;ich an dem<lb/>
Paar voru&#x0364;ber. Abends, wie Laura nach Hau&#x017F;e kommt<lb/>
und ihn harmlos fragt, warum er denn vorhin &#x017F;o vor-<lb/>
beigelaufen, antwortet er nur: &#x201E;Jch wollte den Herrn<lb/>
Johannes nicht &#x017F;to&#x0364;ren, der etwas Wichtiges mit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0104] Alles noch einmal. Er iſt geſtern zu aufgeregt ge- weſen, am Ende koͤnn’ er ſich doch getaͤuſcht haben, meint er. Wenn er ein Maͤdchen wiederſehe, mit dem er aufgewachſen — es wuͤrde am Ende gerade ſo ein zaͤrtliches, froͤhliches Wiederſehen geben, wie das zwiſchen jenen beiden. Nein, er will nicht vorſchnell urtheilen, er hat geſtern Alles zu argwoͤhniſch, wie mit einer truͤben Brille angeſehen, er will Alles vergeſſen; er macht ſich jetzt Vorwuͤrfe, daß er geſtern zuletzt ſo ſtill neben Sus- chen geweſen und daß er einen ſo froſtigen Abſchied von ihr genommen. Das will er heut’ Abend Alles wieder gut machen. Vielleicht ſitzt ſie vor der Hausthuͤr oder im Garten, da will er ſie ſprechen, wieder herzlich und freundlich ſein, wie er immer geweſen, vielleicht iſt auch ſie wieder ſo. — Da mußte er nun juſt dazu kommen, wie Johannes bei ihr ſteht und ihr fuͤr die Bekraͤnzung des Grabes dankt, wie ſie der Dank in Verlegenheit bringt, wie jeder, und ſie ihn ablehnen will, indem ſie beſchaͤmt die Augen niederſchlaͤgt — — wovon die Rede iſt, weiß er gar nicht, er deutet dies Haͤndefaſſen und Erroͤthen noch anders und ſtuͤrzt außer ſich an dem Paar voruͤber. Abends, wie Laura nach Hauſe kommt und ihn harmlos fragt, warum er denn vorhin ſo vor- beigelaufen, antwortet er nur: „Jch wollte den Herrn Johannes nicht ſtoͤren, der etwas Wichtiges mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/104
Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/104>, abgerufen am 05.12.2024.