nur da oben Etwas zu sehen wäre für die blöden Augen von uns Menschenkindern! --
Jm Dorfe selbst ist's aber nicht so ganz still. Da läuten eben alle Glocken den Feierabend und den Feier- tag ein. Von den Nachbardörfern klingt's auch so läu- tend herüber, daß es ein feierliches Jneinanderklingen und Tönen ist. Dabei glitzert noch der hohe vergoldete Thurmknopf der kleinen weißen Kirche wunderbar im Golde der sinkenden Sonne. Mit Eggen und Pflügen kommen die Leute vom Felde heim und in den Gehöften wie vor den Thüren kehren und fegen die Mägde noch emsig, damit morgen das ganze Dorf ein fein sonntäg- liches Ansehen habe. Ein Stücklein von der Kirche ent- fernt, am Eingange des Dorfes, liegt die Schenke, ein stattliches Haus aus rothen Ziegeln erbaut. Ein paar mächtige Linden, die es jetzt eben auch nicht erwarten können bis sie grün werden, stehen davor, und darunter sind Tische und Bänke in die Erde gerammelt.
Auch jetzt, zum Samstag Abend sind diese Bänke nicht ganz leer. Da sitzt der Dorfrichter Stephan, ein großer, breitschultriger Mann, dem man die Wohl- habigkeit gleich auf den ersten Blick ansieht, wiewohl er sie eben nicht zur Schau trägt. Er sitzt in Hemds- ärmeln da wie die andern Landleute, trägt eine blau- tuchene Weste und Hosen von derbem Leder, dazu ein
nur da oben Etwas zu ſehen waͤre fuͤr die bloͤden Augen von uns Menſchenkindern! —
Jm Dorfe ſelbſt iſt’s aber nicht ſo ganz ſtill. Da laͤuten eben alle Glocken den Feierabend und den Feier- tag ein. Von den Nachbardoͤrfern klingt’s auch ſo laͤu- tend heruͤber, daß es ein feierliches Jneinanderklingen und Toͤnen iſt. Dabei glitzert noch der hohe vergoldete Thurmknopf der kleinen weißen Kirche wunderbar im Golde der ſinkenden Sonne. Mit Eggen und Pfluͤgen kommen die Leute vom Felde heim und in den Gehoͤften wie vor den Thuͤren kehren und fegen die Maͤgde noch emſig, damit morgen das ganze Dorf ein fein ſonntaͤg- liches Anſehen habe. Ein Stuͤcklein von der Kirche ent- fernt, am Eingange des Dorfes, liegt die Schenke, ein ſtattliches Haus aus rothen Ziegeln erbaut. Ein paar maͤchtige Linden, die es jetzt eben auch nicht erwarten koͤnnen bis ſie gruͤn werden, ſtehen davor, und darunter ſind Tiſche und Baͤnke in die Erde gerammelt.
Auch jetzt, zum Samſtag Abend ſind dieſe Baͤnke nicht ganz leer. Da ſitzt der Dorfrichter Stephan, ein großer, breitſchultriger Mann, dem man die Wohl- habigkeit gleich auf den erſten Blick anſieht, wiewohl er ſie eben nicht zur Schau traͤgt. Er ſitzt in Hemds- aͤrmeln da wie die andern Landleute, traͤgt eine blau- tuchene Weſte und Hoſen von derbem Leder, dazu ein
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nur da oben Etwas zu ſehen waͤre fuͤr die bloͤden Augen
von uns Menſchenkindern! —
Jm Dorfe ſelbſt iſt’s aber nicht ſo ganz ſtill. Da
laͤuten eben alle Glocken den Feierabend und den Feier-
tag ein. Von den Nachbardoͤrfern klingt’s auch ſo laͤu-
tend heruͤber, daß es ein feierliches Jneinanderklingen
und Toͤnen iſt. Dabei glitzert noch der hohe vergoldete
Thurmknopf der kleinen weißen Kirche wunderbar im
Golde der ſinkenden Sonne. Mit Eggen und Pfluͤgen
kommen die Leute vom Felde heim und in den Gehoͤften
wie vor den Thuͤren kehren und fegen die Maͤgde noch
emſig, damit morgen das ganze Dorf ein fein ſonntaͤg-
liches Anſehen habe. Ein Stuͤcklein von der Kirche ent-
fernt, am Eingange des Dorfes, liegt die Schenke, ein
ſtattliches Haus aus rothen Ziegeln erbaut. Ein paar
maͤchtige Linden, die es jetzt eben auch nicht erwarten
koͤnnen bis ſie gruͤn werden, ſtehen davor, und darunter
ſind Tiſche und Baͤnke in die Erde gerammelt.
Auch jetzt, zum Samſtag Abend ſind dieſe Baͤnke
nicht ganz leer. Da ſitzt der Dorfrichter Stephan,
ein großer, breitſchultriger Mann, dem man die Wohl-
habigkeit gleich auf den erſten Blick anſieht, wiewohl
er ſie eben nicht zur Schau traͤgt. Er ſitzt in Hemds-
aͤrmeln da wie die andern Landleute, traͤgt eine blau-
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/10>, abgerufen am 21.11.2024.
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