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Oken, Lorenz: Abriß des Systems der Biologie. Göttingen, 1805.

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sie die Flügel schon verbrennt haben, las-
sen sie doch nicht ab, von dem Streben,
sich mit dem Lichte zu vereinigen, sie
steigen am Leuchter hinauf, oder an einem
andern danebenstehenden Gefäss, und wenn
sie die Flamme erreichen zu können glau-
ben, wagen sie einen Sprung; fallen sie
auch gleichwohl hundertmal herab, so
hindert dieses sie doch nicht, es von
neuem zu versuchen, keine Welt existirt
mehr für sie, als die des Lichts.

Wie ein Waldvogel sich das Hirn am
Fenster einstösst, so arbeitet ein Gartenin-
sect tagelang, um das Fensterglas durchzu-
scharren, ist das Zimmer gleichwohl er-
wärmt, so will es dennoch nicht zum
Ofen, sondern dem Lichte entgegen. Beim
Vogel ist es offenbar das Auge, welches
ihn, das Glas durchschauend, so unvor-
sichtig ans Fenster treibt; die ganze Welt
würde lachen, wenn man dieses leugnen
und etwa seinem Schnabel oder seinen
Klauen das Vermögen geben wollte, die
Durchsichtigkeit des Glases für blosse be-
leuchtete Luft zu halten. Wenn es beim
Vogel das Auge thut, wie soll es beim In-

sect

sie die Flügel schon verbrennt haben, laſ-
ſen sie doch nicht ab, von dem Streben,
sich mit dem Lichte zu vereinigen, sie
ſteigen am Leuchter hinauf, oder an einem
andern danebenſtehenden Gefäſs, und wenn
sie die Flamme erreichen zu können glau-
ben, wagen sie einen Sprung; fallen sie
auch gleichwohl hundertmal herab, so
hindert dieſes sie doch nicht, es von
neuem zu verſuchen, keine Welt exiſtirt
mehr für sie, als die des Lichts.

Wie ein Waldvogel sich das Hirn am
Fenſter einſtöſst, so arbeitet ein Gartenin-
ſect tagelang, um das Fenſterglas durchzu-
scharren, iſt das Zimmer gleichwohl er-
wärmt, so will es dennoch nicht zum
Ofen, sondern dem Lichte entgegen. Beim
Vogel iſt es offenbar das Auge, welches
ihn, das Glas durchſchauend, so unvor-
sichtig ans Fenſter treibt; die ganze Welt
würde lachen, wenn man dieſes leugnen
und etwa seinem Schnabel oder seinen
Klauen das Vermögen geben wollte, die
Durchſichtigkeit des Glaſes für bloſse be-
leuchtete Luft zu halten. Wenn es beim
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[136/0154] sie die Flügel schon verbrennt haben, laſ- ſen sie doch nicht ab, von dem Streben, sich mit dem Lichte zu vereinigen, sie ſteigen am Leuchter hinauf, oder an einem andern danebenſtehenden Gefäſs, und wenn sie die Flamme erreichen zu können glau- ben, wagen sie einen Sprung; fallen sie auch gleichwohl hundertmal herab, so hindert dieſes sie doch nicht, es von neuem zu verſuchen, keine Welt exiſtirt mehr für sie, als die des Lichts. Wie ein Waldvogel sich das Hirn am Fenſter einſtöſst, so arbeitet ein Gartenin- ſect tagelang, um das Fenſterglas durchzu- scharren, iſt das Zimmer gleichwohl er- wärmt, so will es dennoch nicht zum Ofen, sondern dem Lichte entgegen. Beim Vogel iſt es offenbar das Auge, welches ihn, das Glas durchſchauend, so unvor- sichtig ans Fenſter treibt; die ganze Welt würde lachen, wenn man dieſes leugnen und etwa seinem Schnabel oder seinen Klauen das Vermögen geben wollte, die Durchſichtigkeit des Glaſes für bloſse be- leuchtete Luft zu halten. Wenn es beim Vogel das Auge thut, wie soll es beim In- sect

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Zitationshilfe: Oken, Lorenz: Abriß des Systems der Biologie. Göttingen, 1805, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oken_biologie_1805/154>, abgerufen am 28.04.2024.