sie die Flügel schon verbrennt haben, las- sen sie doch nicht ab, von dem Streben, sich mit dem Lichte zu vereinigen, sie steigen am Leuchter hinauf, oder an einem andern danebenstehenden Gefäss, und wenn sie die Flamme erreichen zu können glau- ben, wagen sie einen Sprung; fallen sie auch gleichwohl hundertmal herab, so hindert dieses sie doch nicht, es von neuem zu versuchen, keine Welt existirt mehr für sie, als die des Lichts.
Wie ein Waldvogel sich das Hirn am Fenster einstösst, so arbeitet ein Gartenin- sect tagelang, um das Fensterglas durchzu- scharren, ist das Zimmer gleichwohl er- wärmt, so will es dennoch nicht zum Ofen, sondern dem Lichte entgegen. Beim Vogel ist es offenbar das Auge, welches ihn, das Glas durchschauend, so unvor- sichtig ans Fenster treibt; die ganze Welt würde lachen, wenn man dieses leugnen und etwa seinem Schnabel oder seinen Klauen das Vermögen geben wollte, die Durchsichtigkeit des Glases für blosse be- leuchtete Luft zu halten. Wenn es beim Vogel das Auge thut, wie soll es beim In-
sect
sie die Flügel schon verbrennt haben, laſ- ſen sie doch nicht ab, von dem Streben, sich mit dem Lichte zu vereinigen, sie ſteigen am Leuchter hinauf, oder an einem andern danebenſtehenden Gefäſs, und wenn sie die Flamme erreichen zu können glau- ben, wagen sie einen Sprung; fallen sie auch gleichwohl hundertmal herab, so hindert dieſes sie doch nicht, es von neuem zu verſuchen, keine Welt exiſtirt mehr für sie, als die des Lichts.
Wie ein Waldvogel sich das Hirn am Fenſter einſtöſst, so arbeitet ein Gartenin- ſect tagelang, um das Fenſterglas durchzu- scharren, iſt das Zimmer gleichwohl er- wärmt, so will es dennoch nicht zum Ofen, sondern dem Lichte entgegen. Beim Vogel iſt es offenbar das Auge, welches ihn, das Glas durchſchauend, so unvor- sichtig ans Fenſter treibt; die ganze Welt würde lachen, wenn man dieſes leugnen und etwa seinem Schnabel oder seinen Klauen das Vermögen geben wollte, die Durchſichtigkeit des Glaſes für bloſse be- leuchtete Luft zu halten. Wenn es beim Vogel das Auge thut, wie soll es beim In-
sect
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0154"n="136"/>
sie die Flügel schon verbrennt haben, laſ-<lb/>ſen sie doch nicht ab, von dem Streben,<lb/>
sich mit dem Lichte zu vereinigen, sie<lb/>ſteigen am Leuchter hinauf, oder an einem<lb/>
andern danebenſtehenden Gefäſs, und wenn<lb/>
sie die Flamme erreichen zu können glau-<lb/>
ben, wagen sie einen Sprung; fallen sie<lb/>
auch gleichwohl hundertmal herab, so<lb/>
hindert dieſes sie doch nicht, es von<lb/>
neuem zu verſuchen, keine Welt exiſtirt<lb/>
mehr für sie, als die des Lichts.</p><lb/><p>Wie ein Waldvogel sich das Hirn am<lb/>
Fenſter einſtöſst, so arbeitet ein Gartenin-<lb/>ſect tagelang, um das Fenſterglas durchzu-<lb/>
scharren, iſt das Zimmer gleichwohl er-<lb/>
wärmt, so will es dennoch nicht zum<lb/>
Ofen, sondern dem Lichte entgegen. Beim<lb/>
Vogel iſt es offenbar das Auge, welches<lb/>
ihn, das Glas durchſchauend, so unvor-<lb/>
sichtig ans Fenſter treibt; die ganze Welt<lb/>
würde lachen, wenn man dieſes leugnen<lb/>
und etwa seinem Schnabel oder seinen<lb/>
Klauen das Vermögen geben wollte, die<lb/>
Durchſichtigkeit des Glaſes für bloſse be-<lb/>
leuchtete Luft zu halten. Wenn es beim<lb/>
Vogel das Auge thut, wie soll es beim In-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">sect</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[136/0154]
sie die Flügel schon verbrennt haben, laſ-
ſen sie doch nicht ab, von dem Streben,
sich mit dem Lichte zu vereinigen, sie
ſteigen am Leuchter hinauf, oder an einem
andern danebenſtehenden Gefäſs, und wenn
sie die Flamme erreichen zu können glau-
ben, wagen sie einen Sprung; fallen sie
auch gleichwohl hundertmal herab, so
hindert dieſes sie doch nicht, es von
neuem zu verſuchen, keine Welt exiſtirt
mehr für sie, als die des Lichts.
Wie ein Waldvogel sich das Hirn am
Fenſter einſtöſst, so arbeitet ein Gartenin-
ſect tagelang, um das Fenſterglas durchzu-
scharren, iſt das Zimmer gleichwohl er-
wärmt, so will es dennoch nicht zum
Ofen, sondern dem Lichte entgegen. Beim
Vogel iſt es offenbar das Auge, welches
ihn, das Glas durchſchauend, so unvor-
sichtig ans Fenſter treibt; die ganze Welt
würde lachen, wenn man dieſes leugnen
und etwa seinem Schnabel oder seinen
Klauen das Vermögen geben wollte, die
Durchſichtigkeit des Glaſes für bloſse be-
leuchtete Luft zu halten. Wenn es beim
Vogel das Auge thut, wie soll es beim In-
sect
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Oken, Lorenz: Abriß des Systems der Biologie. Göttingen, 1805, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oken_biologie_1805/154>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.