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Oest, Johann Friedrich: Nöthige Belehrung und Warnung für Jüngling und solche Knaben. In: Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens: von einer Gesellschaft practischer Erzieher, Bd. 6. Wolfenbüttel, 1787. S. 293-434

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was für eine unaussprechlich schädliche Unwissenheit herrscht noch in Absicht dieses Lasters und der Folgen desselben in der Welt! Jch gerieth in eine Art von Tiefsinn und Schwermuth, die mich unaussprechlich quälte. Jch entschloß mich, dem schrecklichsten aller Laster zu entsagen; es ward mir schwer, doch nicht unmöglich, weil es durch meine große Entkräftung schon vieles von seinem Reize verloren hatte."

"Nun vernehmen Sie meinen gegenwärtigen Zustand, und klagen Sie mit mir über die Unwissenheit der Menschen, die sie in so fürchterliches Elend stürzt! Meine Geisteskräfte sind aufs äusserste geschwächt; mein Verstand stumpf worden und schlechterdings nicht mehr zum zusammenhängenden Denken fähig; mein Gedächtniß unglaublich schwach oder vielmehr fast ganz verloren. Und dies ist um so trauriger, da ich von Gott so große Anlagen und Fähigkeiten erhalten hatte, daß alle meine Lehrer und Bekannten in meiner Jugend in großer Erwartung meinentwegen standen, und in mir einen künftigen großen Mann sehen wollten. Jch bin also zu Geistesarbeiten ganz unfähig; aber eben so wol zu körperlichen. Mein Körper ist ganz entkräftet und unthätig; ich bin so von Fleische gefallen und abgezehrt,

was für eine unaussprechlich schädliche Unwissenheit herrscht noch in Absicht dieses Lasters und der Folgen desselben in der Welt! Jch gerieth in eine Art von Tiefsinn und Schwermuth, die mich unaussprechlich quälte. Jch entschloß mich, dem schrecklichsten aller Laster zu entsagen; es ward mir schwer, doch nicht unmöglich, weil es durch meine große Entkräftung schon vieles von seinem Reize verloren hatte.“

„Nun vernehmen Sie meinen gegenwärtigen Zustand, und klagen Sie mit mir über die Unwissenheit der Menschen, die sie in so fürchterliches Elend stürzt! Meine Geisteskräfte sind aufs äusserste geschwächt; mein Verstand stumpf worden und schlechterdings nicht mehr zum zusammenhängenden Denken fähig; mein Gedächtniß unglaublich schwach oder vielmehr fast ganz verloren. Und dies ist um so trauriger, da ich von Gott so große Anlagen und Fähigkeiten erhalten hatte, daß alle meine Lehrer und Bekannten in meiner Jugend in großer Erwartung meinentwegen standen, und in mir einen künftigen großen Mann sehen wollten. Jch bin also zu Geistesarbeiten ganz unfähig; aber eben so wol zu körperlichen. Mein Körper ist ganz entkräftet und unthätig; ich bin so von Fleische gefallen und abgezehrt,

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[366/0074] was für eine unaussprechlich schädliche Unwissenheit herrscht noch in Absicht dieses Lasters und der Folgen desselben in der Welt! Jch gerieth in eine Art von Tiefsinn und Schwermuth, die mich unaussprechlich quälte. Jch entschloß mich, dem schrecklichsten aller Laster zu entsagen; es ward mir schwer, doch nicht unmöglich, weil es durch meine große Entkräftung schon vieles von seinem Reize verloren hatte.“ „Nun vernehmen Sie meinen gegenwärtigen Zustand, und klagen Sie mit mir über die Unwissenheit der Menschen, die sie in so fürchterliches Elend stürzt! Meine Geisteskräfte sind aufs äusserste geschwächt; mein Verstand stumpf worden und schlechterdings nicht mehr zum zusammenhängenden Denken fähig; mein Gedächtniß unglaublich schwach oder vielmehr fast ganz verloren. Und dies ist um so trauriger, da ich von Gott so große Anlagen und Fähigkeiten erhalten hatte, daß alle meine Lehrer und Bekannten in meiner Jugend in großer Erwartung meinentwegen standen, und in mir einen künftigen großen Mann sehen wollten. Jch bin also zu Geistesarbeiten ganz unfähig; aber eben so wol zu körperlichen. Mein Körper ist ganz entkräftet und unthätig; ich bin so von Fleische gefallen und abgezehrt,

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Zitationshilfe: Oest, Johann Friedrich: Nöthige Belehrung und Warnung für Jüngling und solche Knaben. In: Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens: von einer Gesellschaft practischer Erzieher, Bd. 6. Wolfenbüttel, 1787. S. 293-434, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oest_knaben_1787/74>, abgerufen am 28.03.2024.