Oest, Johann Friedrich: Nöthige Belehrung und Warnung für Jüngling und solche Knaben. In: Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens: von einer Gesellschaft practischer Erzieher, Bd. 6. Wolfenbüttel, 1787. S. 293-434Nie sah ich es ohne Bedauren, wenn auch nur ein junger Baum, der aus dem Schooß der mütterlichen Erde so gesund und glatt hervorgegangen war, von einem muthwilligen Knaben gemißhandelt ward; aber mein Herz zerfloß in Mitleid, wenn ich einen Jüngling sah, der sich selbst, den schönsten und edelsten Gegenstand der sichtbaren Schöpfung, mit eigner Hand gemißhandelt hatte. Und diesen Anblick, meine Lieben, (es schmerzt mich, daß ichs euch sagen muß) habe ich schon oft gehabt. Noch sehr lebhaft erinnere ich mich seit meiner frühen Jugend her eines dreizehnjährigen jungen Menschen. Unschuld hatte seine Wangen geschmückt und der ganze reizende Bau seines Körpers zeugte von Jugend und Kraft. Seine freie offene Miene verkündigte sein gutes Gewissen, und alle liebten den frohen Jüngling. Ein böses Beispiel weckte einen unglücklichen Trieb in ihm auf. Er ließ sich zur Selbstschwächung verführen, und gieng nach Verlauf eines Jahres verwelkt und traurig einher. Er erkannte und bereuete seine That, oft, wie ich nachher überzeugt worden bin, mit vielen Thränen; aber keine Reue brachte ihm zurück, was verloren Nie sah ich es ohne Bedauren, wenn auch nur ein junger Baum, der aus dem Schooß der mütterlichen Erde so gesund und glatt hervorgegangen war, von einem muthwilligen Knaben gemißhandelt ward; aber mein Herz zerfloß in Mitleid, wenn ich einen Jüngling sah, der sich selbst, den schönsten und edelsten Gegenstand der sichtbaren Schöpfung, mit eigner Hand gemißhandelt hatte. Und diesen Anblick, meine Lieben, (es schmerzt mich, daß ichs euch sagen muß) habe ich schon oft gehabt. Noch sehr lebhaft erinnere ich mich seit meiner frühen Jugend her eines dreizehnjährigen jungen Menschen. Unschuld hatte seine Wangen geschmückt und der ganze reizende Bau seines Körpers zeugte von Jugend und Kraft. Seine freie offene Miene verkündigte sein gutes Gewissen, und alle liebten den frohen Jüngling. Ein böses Beispiel weckte einen unglücklichen Trieb in ihm auf. Er ließ sich zur Selbstschwächung verführen, und gieng nach Verlauf eines Jahres verwelkt und traurig einher. Er erkannte und bereuete seine That, oft, wie ich nachher überzeugt worden bin, mit vielen Thränen; aber keine Reue brachte ihm zurück, was verloren <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0053" n="345"/> Nie sah ich es ohne Bedauren, wenn auch nur ein junger Baum, der aus dem Schooß der mütterlichen Erde so gesund und glatt hervorgegangen war, von einem muthwilligen Knaben gemißhandelt ward; aber mein Herz zerfloß in Mitleid, wenn ich einen Jüngling sah, der sich selbst, den schönsten und edelsten Gegenstand der sichtbaren Schöpfung, mit eigner Hand gemißhandelt hatte.</p> <p>Und diesen Anblick, meine Lieben, (es schmerzt mich, daß ichs euch sagen muß) habe ich schon oft gehabt. Noch sehr lebhaft erinnere ich mich seit meiner frühen Jugend her eines dreizehnjährigen jungen Menschen. Unschuld hatte seine Wangen geschmückt und der ganze reizende Bau seines Körpers zeugte von Jugend und Kraft. Seine freie offene Miene verkündigte sein gutes Gewissen, und alle liebten den frohen Jüngling. Ein böses Beispiel weckte einen unglücklichen Trieb in ihm auf. Er ließ sich zur Selbstschwächung verführen, und gieng nach Verlauf eines Jahres verwelkt und traurig einher. Er erkannte und bereuete seine That, oft, wie ich nachher überzeugt worden bin, mit vielen Thränen; aber keine Reue brachte ihm zurück, was verloren </p> </div> </body> </text> </TEI> [345/0053]
Nie sah ich es ohne Bedauren, wenn auch nur ein junger Baum, der aus dem Schooß der mütterlichen Erde so gesund und glatt hervorgegangen war, von einem muthwilligen Knaben gemißhandelt ward; aber mein Herz zerfloß in Mitleid, wenn ich einen Jüngling sah, der sich selbst, den schönsten und edelsten Gegenstand der sichtbaren Schöpfung, mit eigner Hand gemißhandelt hatte.
Und diesen Anblick, meine Lieben, (es schmerzt mich, daß ichs euch sagen muß) habe ich schon oft gehabt. Noch sehr lebhaft erinnere ich mich seit meiner frühen Jugend her eines dreizehnjährigen jungen Menschen. Unschuld hatte seine Wangen geschmückt und der ganze reizende Bau seines Körpers zeugte von Jugend und Kraft. Seine freie offene Miene verkündigte sein gutes Gewissen, und alle liebten den frohen Jüngling. Ein böses Beispiel weckte einen unglücklichen Trieb in ihm auf. Er ließ sich zur Selbstschwächung verführen, und gieng nach Verlauf eines Jahres verwelkt und traurig einher. Er erkannte und bereuete seine That, oft, wie ich nachher überzeugt worden bin, mit vielen Thränen; aber keine Reue brachte ihm zurück, was verloren
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Zitationshilfe: | Oest, Johann Friedrich: Nöthige Belehrung und Warnung für Jüngling und solche Knaben. In: Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens: von einer Gesellschaft practischer Erzieher, Bd. 6. Wolfenbüttel, 1787. S. 293-434, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oest_knaben_1787/53>, abgerufen am 16.07.2024. |