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Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787.

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Der Grundsatz: Kinder müßten nach ihrem Appetit essen, scheint mir richtig zu seyn; aber dann müßen ihnen auch nur leichte und einfache Speisen gegeben werden. Sind sie aber an leckerhafte stark gewürzte Speisen gewöhnt, so kann jene Regel nicht gelten: so ist es sicher, daß der Magen weit eher, als der Gaumen befriedigt wird. Uebermaaß schadet; denn darauf entsteht schlechte Verdauung; diese verursacht ungesunde Säfte; daraus entstieht Kränklichkeit.

Mangel an Bewegung ist bei vielen Kindern allein die Ursache ihrer unvollkommenen Gesundheit. So lange man noch glaubt, daß es, um frohe und glückliche Menschen zu bilden, nöthig sey, daß Kinder von acht bis eilf Uhr Vormittags und von zwei bis fünf Nachmittags, also ganze sechs Stunden am Tage unbeweglich auf einer Bank sitzen, oder am Schreibtische hangen müssen, so lange wird man seinen Zweck nicht erreichen, und das ist doch in den meisten öffentlichen und Privatschulen der Fall. Jch weiß wol, daß einige öffentliche Erziehungsanstalten davon ausgenommen sind; aber sonst sind mir nur wenig Häuser und noch weniger öffentliche Schulen bekannt, wo es dem Lehrer erlaubt wäre, die bestimmten Stunden, die eine im ganzen Lande

Der Grundsatz: Kinder müßten nach ihrem Appetit essen, scheint mir richtig zu seyn; aber dann müßen ihnen auch nur leichte und einfache Speisen gegeben werden. Sind sie aber an leckerhafte stark gewürzte Speisen gewöhnt, so kann jene Regel nicht gelten: so ist es sicher, daß der Magen weit eher, als der Gaumen befriedigt wird. Uebermaaß schadet; denn darauf entsteht schlechte Verdauung; diese verursacht ungesunde Säfte; daraus entstieht Kränklichkeit.

Mangel an Bewegung ist bei vielen Kindern allein die Ursache ihrer unvollkommenen Gesundheit. So lange man noch glaubt, daß es, um frohe und glückliche Menschen zu bilden, nöthig sey, daß Kinder von acht bis eilf Uhr Vormittags und von zwei bis fünf Nachmittags, also ganze sechs Stunden am Tage unbeweglich auf einer Bank sitzen, oder am Schreibtische hangen müssen, so lange wird man seinen Zweck nicht erreichen, und das ist doch in den meisten öffentlichen und Privatschulen der Fall. Jch weiß wol, daß einige öffentliche Erziehungsanstalten davon ausgenommen sind; aber sonst sind mir nur wenig Häuser und noch weniger öffentliche Schulen bekannt, wo es dem Lehrer erlaubt wäre, die bestimmten Stunden, die eine im ganzen Lande

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[66/0065] Der Grundsatz: Kinder müßten nach ihrem Appetit essen, scheint mir richtig zu seyn; aber dann müßen ihnen auch nur leichte und einfache Speisen gegeben werden. Sind sie aber an leckerhafte stark gewürzte Speisen gewöhnt, so kann jene Regel nicht gelten: so ist es sicher, daß der Magen weit eher, als der Gaumen befriedigt wird. Uebermaaß schadet; denn darauf entsteht schlechte Verdauung; diese verursacht ungesunde Säfte; daraus entstieht Kränklichkeit. Mangel an Bewegung ist bei vielen Kindern allein die Ursache ihrer unvollkommenen Gesundheit. So lange man noch glaubt, daß es, um frohe und glückliche Menschen zu bilden, nöthig sey, daß Kinder von acht bis eilf Uhr Vormittags und von zwei bis fünf Nachmittags, also ganze sechs Stunden am Tage unbeweglich auf einer Bank sitzen, oder am Schreibtische hangen müssen, so lange wird man seinen Zweck nicht erreichen, und das ist doch in den meisten öffentlichen und Privatschulen der Fall. Jch weiß wol, daß einige öffentliche Erziehungsanstalten davon ausgenommen sind; aber sonst sind mir nur wenig Häuser und noch weniger öffentliche Schulen bekannt, wo es dem Lehrer erlaubt wäre, die bestimmten Stunden, die eine im ganzen Lande

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Zitationshilfe: Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787/65>, abgerufen am 24.11.2024.