Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787.schung des Geschlechtstriebes ist alles begriffen, was Keuschheit fodert. Dies sind Vernunftgründe genug zur Empfehlung eines solchen Unterrichts. Nächstdem fehlt es auch nicht an Erfahrungen, daß ein solcher Unterricht würklich genützt habe. "Jch hatte eine sehr gute und rechtschaffene Mutter. Sie las Bücher und besaß unter andern Nikolai Venette Buch von Erzeugung des Menschen. Jch gerieth von ungefähr darüber und sahe die Kupfer, deren einige mir wol verständlich seyn mußten. Sie schlug nun nicht deswegen auf mich los, wie manche andere gethan haben würde. Nach ihrer Meinung war das Versehen einmal geschehn. Sie sagte mir also, da ich bereits im funfzehnten Jahre war, so viel, als genug war, und ich betheure vor Gott, dies erweckte in mir die lebhaftesten und besten Vorsätze. N** in L**, dem ich dies Buch verschaffen mußte, zeichnete sich daraus vieles ab und excerpirte aus demselben. Jch weiß aber zu seinem Ruhm, daß er nie ausgeschweift hat, und ich habe ihn in Leipzig als einen starken, schung des Geschlechtstriebes ist alles begriffen, was Keuschheit fodert. Dies sind Vernunftgründe genug zur Empfehlung eines solchen Unterrichts. Nächstdem fehlt es auch nicht an Erfahrungen, daß ein solcher Unterricht würklich genützt habe. „Jch hatte eine sehr gute und rechtschaffene Mutter. Sie las Bücher und besaß unter andern Nikolai Venette Buch von Erzeugung des Menschen. Jch gerieth von ungefähr darüber und sahe die Kupfer, deren einige mir wol verständlich seyn mußten. Sie schlug nun nicht deswegen auf mich los, wie manche andere gethan haben würde. Nach ihrer Meinung war das Versehen einmal geschehn. Sie sagte mir also, da ich bereits im funfzehnten Jahre war, so viel, als genug war, und ich betheure vor Gott, dies erweckte in mir die lebhaftesten und besten Vorsätze. N** in L**, dem ich dies Buch verschaffen mußte, zeichnete sich daraus vieles ab und excerpirte aus demselben. Jch weiß aber zu seinem Ruhm, daß er nie ausgeschweift hat, und ich habe ihn in Leipzig als einen starken, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0232" n="233"/> schung des Geschlechtstriebes ist alles begriffen, was Keuschheit fodert. Dies sind Vernunftgründe genug zur Empfehlung eines solchen Unterrichts.</p> <p>Nächstdem fehlt es auch nicht an Erfahrungen, daß ein solcher Unterricht würklich genützt habe.</p> <p>„Jch hatte eine sehr gute und rechtschaffene Mutter. Sie las Bücher und besaß unter andern Nikolai Venette Buch von Erzeugung des Menschen. Jch gerieth von ungefähr darüber und sahe die Kupfer, deren einige mir wol verständlich seyn mußten. Sie schlug nun nicht deswegen auf mich los, wie manche andere gethan haben würde. Nach ihrer Meinung war das Versehen einmal geschehn. Sie sagte mir also, da ich bereits im funfzehnten Jahre war, so viel, als genug war, und ich betheure vor Gott, dies erweckte in mir die lebhaftesten und besten Vorsätze.</p> <p>N** in L**, dem ich dies Buch verschaffen mußte, zeichnete sich daraus vieles ab und excerpirte aus demselben. Jch weiß aber zu seinem Ruhm, daß er nie ausgeschweift hat, und ich habe ihn in Leipzig als einen starken, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [233/0232]
schung des Geschlechtstriebes ist alles begriffen, was Keuschheit fodert. Dies sind Vernunftgründe genug zur Empfehlung eines solchen Unterrichts.
Nächstdem fehlt es auch nicht an Erfahrungen, daß ein solcher Unterricht würklich genützt habe.
„Jch hatte eine sehr gute und rechtschaffene Mutter. Sie las Bücher und besaß unter andern Nikolai Venette Buch von Erzeugung des Menschen. Jch gerieth von ungefähr darüber und sahe die Kupfer, deren einige mir wol verständlich seyn mußten. Sie schlug nun nicht deswegen auf mich los, wie manche andere gethan haben würde. Nach ihrer Meinung war das Versehen einmal geschehn. Sie sagte mir also, da ich bereits im funfzehnten Jahre war, so viel, als genug war, und ich betheure vor Gott, dies erweckte in mir die lebhaftesten und besten Vorsätze.
N** in L**, dem ich dies Buch verschaffen mußte, zeichnete sich daraus vieles ab und excerpirte aus demselben. Jch weiß aber zu seinem Ruhm, daß er nie ausgeschweift hat, und ich habe ihn in Leipzig als einen starken,
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Zitationshilfe: | Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787/232>, abgerufen am 16.07.2024. |