Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

veranlaßet, und weil man befürchtete, diese mögten den Weibern und Bürgermädchen gefährlich werden. So sagen wenigstens die meisten Politiker, und damit hätten sie denn alle Moralisten abgefertigt. Sie denken dabei immer viel für das Wohl der Menschheit gethan zu haben, wenn sie durch Sanitätskommissionen es zu verhindern suchen, daß das venerische Uebel nicht Ueberhand nehme. Jst denn dies das Einzige, was daraus entsteht? Sind diese Häuser nicht der ganzen männlichen Stadtjugend eben so gefährlich und noch gefährlicher, als jene Menge roher Matrosen und Soldaten den Bürgerfrauen und Bürgermädchen? Was ist dadurch gewonnen, daß man Einen Misbrauch durch den andern aufhebt? Liegt denn an der Tugend und dem Wohl des niedrigen weiblichen Personen selbst, die in diesen Häusern ihr Gewerbe treiben, und an dem Wohl und der Tugend desjenigen niedrigen Haufens männlicher Personen, für die man diese Häuser duldet, schlechterdings nichts?

Auch dem Politiker muß in der Qualität eines Menschen und Weltbürgers die gesammte menschliche Wohlfahrt am Herzen liegen. Die Voraussetzung, die hier zum Grunde gelegt wird, als wenn ein gewisser Trieb unumgänglich

veranlaßet, und weil man befürchtete, diese mögten den Weibern und Bürgermädchen gefährlich werden. So sagen wenigstens die meisten Politiker, und damit hätten sie denn alle Moralisten abgefertigt. Sie denken dabei immer viel für das Wohl der Menschheit gethan zu haben, wenn sie durch Sanitätskommissionen es zu verhindern suchen, daß das venerische Uebel nicht Ueberhand nehme. Jst denn dies das Einzige, was daraus entsteht? Sind diese Häuser nicht der ganzen männlichen Stadtjugend eben so gefährlich und noch gefährlicher, als jene Menge roher Matrosen und Soldaten den Bürgerfrauen und Bürgermädchen? Was ist dadurch gewonnen, daß man Einen Misbrauch durch den andern aufhebt? Liegt denn an der Tugend und dem Wohl des niedrigen weiblichen Personen selbst, die in diesen Häusern ihr Gewerbe treiben, und an dem Wohl und der Tugend desjenigen niedrigen Haufens männlicher Personen, für die man diese Häuser duldet, schlechterdings nichts?

Auch dem Politiker muß in der Qualität eines Menschen und Weltbürgers die gesammte menschliche Wohlfahrt am Herzen liegen. Die Voraussetzung, die hier zum Grunde gelegt wird, als wenn ein gewisser Trieb unumgänglich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0199" n="200"/>
veranlaßet, und weil man befürchtete, diese mögten den Weibern und Bürgermädchen gefährlich werden. So sagen wenigstens die meisten Politiker, und damit hätten sie denn alle Moralisten abgefertigt. Sie denken dabei immer viel für das Wohl der Menschheit gethan zu haben, wenn sie durch Sanitätskommissionen es zu verhindern suchen, daß das venerische Uebel nicht Ueberhand nehme. Jst denn dies das Einzige, was daraus entsteht? Sind diese Häuser nicht der ganzen männlichen Stadtjugend eben so gefährlich und noch gefährlicher, als jene Menge roher Matrosen und Soldaten den Bürgerfrauen und Bürgermädchen? Was ist dadurch gewonnen, daß man Einen Misbrauch durch den andern aufhebt? Liegt denn an der Tugend und dem Wohl des niedrigen weiblichen Personen selbst, die in diesen Häusern ihr Gewerbe treiben, und an dem Wohl und der Tugend desjenigen niedrigen Haufens männlicher Personen, für die man diese Häuser duldet, schlechterdings nichts?</p>
          <p>Auch dem Politiker muß in der Qualität eines Menschen und Weltbürgers die gesammte menschliche Wohlfahrt am Herzen liegen. Die Voraussetzung, die hier zum Grunde gelegt wird, als wenn ein gewisser Trieb unumgänglich
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0199] veranlaßet, und weil man befürchtete, diese mögten den Weibern und Bürgermädchen gefährlich werden. So sagen wenigstens die meisten Politiker, und damit hätten sie denn alle Moralisten abgefertigt. Sie denken dabei immer viel für das Wohl der Menschheit gethan zu haben, wenn sie durch Sanitätskommissionen es zu verhindern suchen, daß das venerische Uebel nicht Ueberhand nehme. Jst denn dies das Einzige, was daraus entsteht? Sind diese Häuser nicht der ganzen männlichen Stadtjugend eben so gefährlich und noch gefährlicher, als jene Menge roher Matrosen und Soldaten den Bürgerfrauen und Bürgermädchen? Was ist dadurch gewonnen, daß man Einen Misbrauch durch den andern aufhebt? Liegt denn an der Tugend und dem Wohl des niedrigen weiblichen Personen selbst, die in diesen Häusern ihr Gewerbe treiben, und an dem Wohl und der Tugend desjenigen niedrigen Haufens männlicher Personen, für die man diese Häuser duldet, schlechterdings nichts? Auch dem Politiker muß in der Qualität eines Menschen und Weltbürgers die gesammte menschliche Wohlfahrt am Herzen liegen. Die Voraussetzung, die hier zum Grunde gelegt wird, als wenn ein gewisser Trieb unumgänglich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-05T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-05T10:30:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-05T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Überschriebene „e“ über den Vokalen „a“, „o“ und „u“ werden als moderne Umlaute transkribiert.
  • Bindestriche werden nicht als =, sondern als - transkribiert.
  • Das Anführungszeichen „ wird am Ende eines Zitats als “ transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787/199
Zitationshilfe: Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787/199>, abgerufen am 24.11.2024.