Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Jahre lang; ließ sie nicht von ihrer Seite; schlief bei ihr; gab auf ihre kleinsten Handlungen Acht und es gelang ihr durch diese fortgesetzte genaue Aufsicht, ihr Kind von der Gewohnheit zu befreien. Das Mädchen nahm an Lebhaftigkeit und Munterkeit zu, wurde gesellig und aufgeweckt und nach wenigen Jahren eine glückliche Gattin. Wer glauben könnte, daß eine solche genaue Aufsicht zu mühsam wäre, der würde auch wol das allerleichteste Mittel nicht gehörig anwenden, denn er würde den Werth eines Menschen nicht zu schätzen wissen. Jch glaube Möglichkeit und Zulänglichkeit einer solchen Aufsicht durch das eben erzählte Beispiel bewiesen zu haben.

Während dieser fortgesetzten Wachsamkeit, da die Leidenschaft ohne Nahrung ist, gewinnt die unterdrückte Vernunft ihre Herrschaft; die Einbildungskraft verliert ihr Feuer; andere Vorstellungen setzen sich in der Seele fest. Dabei würkt die Natur unvermerkt mit, indem sie die zu oft gereizten empfindlichen Theile stärkt, den Zeugungssäften weniger Schärfe mittheilt, und überhaupt ihre Oekonomie zum Vortheil des ganzen Körpers besser betreibt. Man kann also mit vieler Sicherheit darauf rechnen, daß

Jahre lang; ließ sie nicht von ihrer Seite; schlief bei ihr; gab auf ihre kleinsten Handlungen Acht und es gelang ihr durch diese fortgesetzte genaue Aufsicht, ihr Kind von der Gewohnheit zu befreien. Das Mädchen nahm an Lebhaftigkeit und Munterkeit zu, wurde gesellig und aufgeweckt und nach wenigen Jahren eine glückliche Gattin. Wer glauben könnte, daß eine solche genaue Aufsicht zu mühsam wäre, der würde auch wol das allerleichteste Mittel nicht gehörig anwenden, denn er würde den Werth eines Menschen nicht zu schätzen wissen. Jch glaube Möglichkeit und Zulänglichkeit einer solchen Aufsicht durch das eben erzählte Beispiel bewiesen zu haben.

Während dieser fortgesetzten Wachsamkeit, da die Leidenschaft ohne Nahrung ist, gewinnt die unterdrückte Vernunft ihre Herrschaft; die Einbildungskraft verliert ihr Feuer; andere Vorstellungen setzen sich in der Seele fest. Dabei würkt die Natur unvermerkt mit, indem sie die zu oft gereizten empfindlichen Theile stärkt, den Zeugungssäften weniger Schärfe mittheilt, und überhaupt ihre Oekonomie zum Vortheil des ganzen Körpers besser betreibt. Man kann also mit vieler Sicherheit darauf rechnen, daß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0184" n="185"/>
Jahre lang; ließ sie nicht von ihrer Seite; schlief bei ihr; gab auf ihre kleinsten Handlungen Acht und es gelang ihr durch diese fortgesetzte genaue Aufsicht, ihr Kind von der Gewohnheit zu befreien. Das Mädchen nahm an Lebhaftigkeit und Munterkeit zu, wurde gesellig und aufgeweckt und nach wenigen Jahren eine glückliche Gattin. Wer glauben könnte, daß eine solche genaue Aufsicht zu mühsam wäre, der würde auch wol das allerleichteste Mittel nicht gehörig anwenden, denn er würde den Werth eines Menschen nicht zu schätzen wissen. Jch glaube Möglichkeit und Zulänglichkeit einer solchen Aufsicht durch das eben erzählte Beispiel bewiesen zu haben.</p>
          <p>Während dieser fortgesetzten Wachsamkeit, da die Leidenschaft ohne Nahrung ist, gewinnt die unterdrückte Vernunft ihre Herrschaft; die Einbildungskraft verliert ihr Feuer; andere Vorstellungen setzen sich in der Seele fest. Dabei würkt die Natur unvermerkt mit, indem sie die zu oft gereizten empfindlichen Theile stärkt, den Zeugungssäften weniger Schärfe mittheilt, und überhaupt ihre Oekonomie zum Vortheil des ganzen Körpers besser betreibt. Man kann also mit vieler Sicherheit darauf rechnen, daß
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[185/0184] Jahre lang; ließ sie nicht von ihrer Seite; schlief bei ihr; gab auf ihre kleinsten Handlungen Acht und es gelang ihr durch diese fortgesetzte genaue Aufsicht, ihr Kind von der Gewohnheit zu befreien. Das Mädchen nahm an Lebhaftigkeit und Munterkeit zu, wurde gesellig und aufgeweckt und nach wenigen Jahren eine glückliche Gattin. Wer glauben könnte, daß eine solche genaue Aufsicht zu mühsam wäre, der würde auch wol das allerleichteste Mittel nicht gehörig anwenden, denn er würde den Werth eines Menschen nicht zu schätzen wissen. Jch glaube Möglichkeit und Zulänglichkeit einer solchen Aufsicht durch das eben erzählte Beispiel bewiesen zu haben. Während dieser fortgesetzten Wachsamkeit, da die Leidenschaft ohne Nahrung ist, gewinnt die unterdrückte Vernunft ihre Herrschaft; die Einbildungskraft verliert ihr Feuer; andere Vorstellungen setzen sich in der Seele fest. Dabei würkt die Natur unvermerkt mit, indem sie die zu oft gereizten empfindlichen Theile stärkt, den Zeugungssäften weniger Schärfe mittheilt, und überhaupt ihre Oekonomie zum Vortheil des ganzen Körpers besser betreibt. Man kann also mit vieler Sicherheit darauf rechnen, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-05T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-05T10:30:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-05T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Überschriebene „e“ über den Vokalen „a“, „o“ und „u“ werden als moderne Umlaute transkribiert.
  • Bindestriche werden nicht als =, sondern als - transkribiert.
  • Das Anführungszeichen „ wird am Ende eines Zitats als “ transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787/184
Zitationshilfe: Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787/184>, abgerufen am 01.05.2024.