Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787.tzige Absichten haben können, das ist durch manche Erfahrung bestätigt. Der gewöhnlichste Fall bleibt indeßen doch derjenige, wo der Verführer seine unglückliche Lage selbst nicht kennt, sondern sich in dem Besitz eines schrecklichen Kunstgriffs froh und glücklich fühlt. "Besonders giebt es unter der kleineren Jugend Verführer aus Dummheit und gutem Herzen, die in der Meinung, nichts Böses zu thun, sondern ihren Gespielen eine Freude zu machen, entdecken, was sie mißen. "Du, ich weiß was", das ist die Losung von der gewöhnlich sich das Gespräch anfängt; oder "Du, sieh einmal her", ist, indem sie sich selbst entblößen, der erste Schritt zur Verführung. Wir führen dieses an, damit man auf solche Unreden gleich aufmerksam werden möge." Wer je Knaben beobachtet hat, der weiß, wie wenige Zeit bei ihnen dazu gehört, von der ersten Verlegenheit im Anfange der Bekanntschaft mit andern ihres Alters bis zur größten Vertraulichkeit zu kommen. Jn einer Viertelstunde kennen sie sich so, daß sie einander alle ihre Besonderheiten gegenseitig mitgetheilt oder abgenommen haben. Offene Ohren und offene Her- tzige Absichten haben können, das ist durch manche Erfahrung bestätigt. Der gewöhnlichste Fall bleibt indeßen doch derjenige, wo der Verführer seine unglückliche Lage selbst nicht kennt, sondern sich in dem Besitz eines schrecklichen Kunstgriffs froh und glücklich fühlt. „Besonders giebt es unter der kleineren Jugend Verführer aus Dummheit und gutem Herzen, die in der Meinung, nichts Böses zu thun, sondern ihren Gespielen eine Freude zu machen, entdecken, was sie mißen. „Du, ich weiß was“, das ist die Losung von der gewöhnlich sich das Gespräch anfängt; oder „Du, sieh einmal her“, ist, indem sie sich selbst entblößen, der erste Schritt zur Verführung. Wir führen dieses an, damit man auf solche Unreden gleich aufmerksam werden möge.“ Wer je Knaben beobachtet hat, der weiß, wie wenige Zeit bei ihnen dazu gehört, von der ersten Verlegenheit im Anfange der Bekanntschaft mit andern ihres Alters bis zur größten Vertraulichkeit zu kommen. Jn einer Viertelstunde kennen sie sich so, daß sie einander alle ihre Besonderheiten gegenseitig mitgetheilt oder abgenommen haben. Offene Ohren und offene Her- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0110" n="111"/> tzige Absichten haben können, das ist durch manche Erfahrung bestätigt.</p> <p>Der gewöhnlichste Fall bleibt indeßen doch derjenige, wo der Verführer seine unglückliche Lage selbst nicht kennt, sondern sich in dem Besitz eines schrecklichen Kunstgriffs froh und glücklich fühlt.</p> <p>„Besonders giebt es unter der kleineren Jugend Verführer aus Dummheit und gutem Herzen, die in der Meinung, nichts Böses zu thun, sondern ihren Gespielen eine Freude zu machen, entdecken, was sie mißen. „Du, ich weiß was“, das ist die Losung von der gewöhnlich sich das Gespräch anfängt; oder „Du, sieh einmal her“, ist, indem sie sich selbst entblößen, der erste Schritt zur Verführung. Wir führen dieses an, damit man auf solche Unreden gleich aufmerksam werden möge.“</p> <p>Wer je Knaben beobachtet hat, der weiß, wie wenige Zeit bei ihnen dazu gehört, von der ersten Verlegenheit im Anfange der Bekanntschaft mit andern ihres Alters bis zur größten Vertraulichkeit zu kommen. Jn einer Viertelstunde kennen sie sich so, daß sie einander alle ihre Besonderheiten gegenseitig mitgetheilt oder abgenommen haben. Offene Ohren und offene Her- </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [111/0110]
tzige Absichten haben können, das ist durch manche Erfahrung bestätigt.
Der gewöhnlichste Fall bleibt indeßen doch derjenige, wo der Verführer seine unglückliche Lage selbst nicht kennt, sondern sich in dem Besitz eines schrecklichen Kunstgriffs froh und glücklich fühlt.
„Besonders giebt es unter der kleineren Jugend Verführer aus Dummheit und gutem Herzen, die in der Meinung, nichts Böses zu thun, sondern ihren Gespielen eine Freude zu machen, entdecken, was sie mißen. „Du, ich weiß was“, das ist die Losung von der gewöhnlich sich das Gespräch anfängt; oder „Du, sieh einmal her“, ist, indem sie sich selbst entblößen, der erste Schritt zur Verführung. Wir führen dieses an, damit man auf solche Unreden gleich aufmerksam werden möge.“
Wer je Knaben beobachtet hat, der weiß, wie wenige Zeit bei ihnen dazu gehört, von der ersten Verlegenheit im Anfange der Bekanntschaft mit andern ihres Alters bis zur größten Vertraulichkeit zu kommen. Jn einer Viertelstunde kennen sie sich so, daß sie einander alle ihre Besonderheiten gegenseitig mitgetheilt oder abgenommen haben. Offene Ohren und offene Her-
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Zitationshilfe: | Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787/110>, abgerufen am 16.07.2024. |