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[N. N.]: Der berühmte Ertz-Dieb und Strassen-Räuber Cartouche. Leipzig, 1722.

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nem seiner Cameraden entzweyet und darüber von diesem in den Arm
verwundet worden, sich aber nach der Zeit sehr prächtig aufgeführet, auch
viel mit grossen Herren umgegangen und gespielet, endlich in dem Hause
des Herrn Jntendanten zu Lion arrestiret, da man ihm gesaget, er gleiche
gar sehr einem so genannten Pelißier, dessen Beschreibung von Paris
nach Lion gesendet worden: Pelißier hätte hierauf mit Trotz geantwor-
tet, daß viele von seinem Namen ihm gleich seyn könten; man hätte ihm
aber versetzet, er könte sich gar leicht rechtfertigen, wenn er sich nur aus-
kleidete, und sehen liesse, daß er ein gewiß Zeichen nicht an seinem Leibe
hätte, als er aber sich dessen geweigert, hätte man ihn mit Gewalt aus-
gezogen, und auf seinem Arm das Pflaster noch auf der Wunde gefun-
den, welche ihm sein Camerad in der Theilung beygebracht hätte. Die-
ser ist hierauf zu Lion gefangen genommen worden, um nach Paris ge-
bracht zu werden und seinen Lohn allhier zu empfangen. Es haben zwar
die Cameraden von der Cartouchischen Bande ausgebreitet, als wenn
dieser Pelißier auf dem Wege hieher von seinen Mitgesellen wieder be-
freyet und die bey ihm zur Bedeckung gewesene 8. Gerichts-Diener nie-
der geschossen worden; es ist aber solches falsch gewesen und vermuthet
man den Pelißier stündlich allhier, allwo er auf einige Zeit 3. andern
Cameraden, die sich gleichfalls allhier cavalierement aufgeführet,
und in solcher Figur ergriffen worden, Gesellschafft leisten
kan.

So scharff man aber bißher mit diesem gottlosen Gesindel verfah-
ren, so läst es sich doch nicht abschrecken, Rauben und Stehlen noch stär-
cker, als vormahls geschehen, fortzusetzen; wie denn am 5. Decembr. A-
bends um 10. Uhr der Artilleri Commissarius, Herr Bassu, von 5. der-
gleichen Galgenvögeln auföffentlicher Strasse angegriffen worden. Er
hat sich zwar tapffer zur Wehre gesetzet, ist aber endlich mit einem Sä-
bel hinterwärts in Kopff gehauen worden, daß er darnieder gesuncken.
Die Räuber haben ihm hierauf Hut und Degen genommen und
sich schleunig davon gemacht.

Auf dieses entsetzliche Verbrechen war die Obrigkeit resolviret

fol-

nem ſeiner Cameraden entzweyet und daruͤber von dieſem in den Arm
verwundet worden, ſich aber nach der Zeit ſehr praͤchtig aufgefuͤhret, auch
viel mit groſſen Herren umgegangen und geſpielet, endlich in dem Hauſe
des Herrn Jntendanten zu Lion arreſtiret, da man ihm geſaget, er gleiche
gar ſehr einem ſo genannten Pelißier, deſſen Beſchreibung von Paris
nach Lion geſendet worden: Pelißier haͤtte hierauf mit Trotz geantwor-
tet, daß viele von ſeinem Namen ihm gleich ſeyn koͤnten; man haͤtte ihm
aber verſetzet, er koͤnte ſich gar leicht rechtfertigen, wenn er ſich nur aus-
kleidete, und ſehen lieſſe, daß er ein gewiß Zeichen nicht an ſeinem Leibe
haͤtte, als er aber ſich deſſen geweigert, haͤtte man ihn mit Gewalt aus-
gezogen, und auf ſeinem Arm das Pflaſter noch auf der Wunde gefun-
den, welche ihm ſein Camerad in der Theilung beygebracht haͤtte. Die-
ſer iſt hierauf zu Lion gefangen genommen worden, um nach Paris ge-
bracht zu werden und ſeinen Lohn allhier zu empfangen. Es haben zwar
die Cameraden von der Cartouchiſchen Bande ausgebreitet, als wenn
dieſer Pelißier auf dem Wege hieher von ſeinen Mitgeſellen wieder be-
freyet und die bey ihm zur Bedeckung geweſene 8. Gerichts-Diener nie-
der geſchoſſen worden; es iſt aber ſolches falſch geweſen und vermuthet
man den Pelißier ſtuͤndlich allhier, allwo er auf einige Zeit 3. andern
Cameraden, die ſich gleichfalls allhier cavalierement aufgefuͤhret,
und in ſolcher Figur ergriffen worden, Geſellſchafft leiſten
kan.

So ſcharff man aber bißher mit dieſem gottloſen Geſindel verfah-
ren, ſo laͤſt es ſich doch nicht abſchrecken, Rauben und Stehlen noch ſtaͤr-
cker, als vormahls geſchehen, fortzuſetzen; wie denn am 5. Decembr. A-
bends um 10. Uhr der Artilleri Commiſſarius, Herr Baſſu, von 5. der-
gleichen Galgenvoͤgeln aufoͤffentlicher Straſſe angegriffen worden. Er
hat ſich zwar tapffer zur Wehre geſetzet, iſt aber endlich mit einem Saͤ-
bel hinterwaͤrts in Kopff gehauen worden, daß er darnieder geſuncken.
Die Raͤuber haben ihm hierauf Hut und Degen genommen und
ſich ſchleunig davon gemacht.

Auf dieſes entſetzliche Verbrechen war die Obrigkeit reſolviret

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[20/0026] nem ſeiner Cameraden entzweyet und daruͤber von dieſem in den Arm verwundet worden, ſich aber nach der Zeit ſehr praͤchtig aufgefuͤhret, auch viel mit groſſen Herren umgegangen und geſpielet, endlich in dem Hauſe des Herrn Jntendanten zu Lion arreſtiret, da man ihm geſaget, er gleiche gar ſehr einem ſo genannten Pelißier, deſſen Beſchreibung von Paris nach Lion geſendet worden: Pelißier haͤtte hierauf mit Trotz geantwor- tet, daß viele von ſeinem Namen ihm gleich ſeyn koͤnten; man haͤtte ihm aber verſetzet, er koͤnte ſich gar leicht rechtfertigen, wenn er ſich nur aus- kleidete, und ſehen lieſſe, daß er ein gewiß Zeichen nicht an ſeinem Leibe haͤtte, als er aber ſich deſſen geweigert, haͤtte man ihn mit Gewalt aus- gezogen, und auf ſeinem Arm das Pflaſter noch auf der Wunde gefun- den, welche ihm ſein Camerad in der Theilung beygebracht haͤtte. Die- ſer iſt hierauf zu Lion gefangen genommen worden, um nach Paris ge- bracht zu werden und ſeinen Lohn allhier zu empfangen. Es haben zwar die Cameraden von der Cartouchiſchen Bande ausgebreitet, als wenn dieſer Pelißier auf dem Wege hieher von ſeinen Mitgeſellen wieder be- freyet und die bey ihm zur Bedeckung geweſene 8. Gerichts-Diener nie- der geſchoſſen worden; es iſt aber ſolches falſch geweſen und vermuthet man den Pelißier ſtuͤndlich allhier, allwo er auf einige Zeit 3. andern Cameraden, die ſich gleichfalls allhier cavalierement aufgefuͤhret, und in ſolcher Figur ergriffen worden, Geſellſchafft leiſten kan. So ſcharff man aber bißher mit dieſem gottloſen Geſindel verfah- ren, ſo laͤſt es ſich doch nicht abſchrecken, Rauben und Stehlen noch ſtaͤr- cker, als vormahls geſchehen, fortzuſetzen; wie denn am 5. Decembr. A- bends um 10. Uhr der Artilleri Commiſſarius, Herr Baſſu, von 5. der- gleichen Galgenvoͤgeln aufoͤffentlicher Straſſe angegriffen worden. Er hat ſich zwar tapffer zur Wehre geſetzet, iſt aber endlich mit einem Saͤ- bel hinterwaͤrts in Kopff gehauen worden, daß er darnieder geſuncken. Die Raͤuber haben ihm hierauf Hut und Degen genommen und ſich ſchleunig davon gemacht. Auf dieſes entſetzliche Verbrechen war die Obrigkeit reſolviret fol-

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Zitationshilfe: [N. N.]: Der berühmte Ertz-Dieb und Strassen-Räuber Cartouche. Leipzig, 1722, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oa_cartouche_1722/26>, abgerufen am 28.03.2024.