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[N. N.]: Der berühmte Ertz-Dieb und Strassen-Räuber Cartouche. Leipzig, 1722.

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in vorigen Jahren kaum so viel von dem verderblichen Actien-Cram, als
im Jahre 1721. vom Cartouche geredet. Es sind so viel abentheurliche
Historien von ihm erzehlet worden, daß man nur durch Nennung seines
Namens Kinder und einfältige Leute in Furcht setzen können. Alle
Strassen-Räube, Diebereyen und Spitzbuben-Streiche, so in Isle de
France,
und in denen nächst um Paris gelegenen Provintzien vorgefal-
len, musten durch ihn, oder durch seinen Vorschub geschehen seyn. Bald
hatte man denselben zu Paris, bald in Orleans, bald wieder an einem
andern Orte gesehen, und doch kunte keiner von allen denjenigen, die
ihn ausspühren sollten, so glücklich werden, das auf den Kopff dieses
Raub-Vogels gesetzte Geld zu verdienen. Cartouche war, dem ge-
meinen Ruffe nach, allenthalben, und wenn er gesuchet wurde, doch
nirgends anzutreffen. Endlich aber hätte Untreu bald ihren eigenen
Herren geschlagen, da ein gewisser Kerl, Namens du Chatelet, der
mit ihm gereiset, und den er vor seinen besten Freund gehalten, seine
Schlupff-Löcher und einige Oerter seines Auffenthalts der Obrigkeit an-
gezeiget. Cartouche wäre hierdurch bald in Verhafft gerathen, er fand
aber dennoch Gelegenheit, seinen Verfolgern zu entrinnen und suchte
hierauf den Weg zum Lande hinaus.

Sein Qvartier solte hinfüro zu Nancy in Lothringen seyn. Da-
mit man aber desto weniger Ursache haben möchte, einen übeln Verdacht
auf ihn zu werffen, so engagirte sich derselbe bey der Hertzoglichen Küche,
und gab etliche Monath daselbst einen Bratenwender ab. Er konte es
aber dennoch nicht lassen, bey dieser guten Gelegenheit, unterweilen sei-
ne Spitzbuben-Griffe zu exerciren. Wie aber derselbe merckte, daß es
auch hier nichtlange Stich mit ihm halten würde; so gerieth er auf den
thörichten Wahn, daß man seiner in Franckreich schon vergessen haben
und hinfüro nicht mehr so genau nach ihm fragen würde.

Allein Cartouche hatte sich in seiner Rechnung betrogen. Niemals
war so scharff nach ihm gefraget worden, als da man nicht wuste, wo er ei-
gentlich hingerathen wäre. Man hatte sich indessen so wohl zu Paris,
als auch an andern Orten, einer ziemlichen Anzahl von seinen Camera-
den bemächtiget, die theils durch die Tortur darzu waren genöthiget wor-
den, theils auch freywillig vieles von Cartouche aussageten, wodurch die
Obrigkeit desto emsiger gemachet wurde, des Cartouche habhafft zu wer-
den. Jndessen suchte man das Diebs- und anderes gottloses Gesindel

durch

in vorigen Jahren kaum ſo viel von dem verderblichen Actien-Cram, als
im Jahre 1721. vom Cartouche geredet. Es ſind ſo viel abentheurliche
Hiſtorien von ihm erzehlet worden, daß man nur durch Nennung ſeines
Namens Kinder und einfaͤltige Leute in Furcht ſetzen koͤnnen. Alle
Straſſen-Raͤube, Diebereyen und Spitzbuben-Streiche, ſo in Isle de
France,
und in denen naͤchſt um Paris gelegenen Provintzien vorgefal-
len, muſten durch ihn, oder durch ſeinen Vorſchub geſchehen ſeyn. Bald
hatte man denſelben zu Paris, bald in Orleans, bald wieder an einem
andern Orte geſehen, und doch kunte keiner von allen denjenigen, die
ihn ausſpuͤhren ſollten, ſo gluͤcklich werden, das auf den Kopff dieſes
Raub-Vogels geſetzte Geld zu verdienen. Cartouche war, dem ge-
meinen Ruffe nach, allenthalben, und wenn er geſuchet wurde, doch
nirgends anzutreffen. Endlich aber haͤtte Untreu bald ihren eigenen
Herren geſchlagen, da ein gewiſſer Kerl, Namens du Chatelet, der
mit ihm gereiſet, und den er vor ſeinen beſten Freund gehalten, ſeine
Schlupff-Loͤcher und einige Oerter ſeines Auffenthalts der Obrigkeit an-
gezeiget. Cartouche waͤre hierdurch bald in Verhafft gerathen, er fand
aber dennoch Gelegenheit, ſeinen Verfolgern zu entrinnen und ſuchte
hierauf den Weg zum Lande hinaus.

Sein Qvartier ſolte hinfuͤro zu Nancy in Lothringen ſeyn. Da-
mit man aber deſto weniger Urſache haben moͤchte, einen uͤbeln Verdacht
auf ihn zu werffen, ſo engagirte ſich derſelbe bey der Hertzoglichen Kuͤche,
und gab etliche Monath daſelbſt einen Bratenwender ab. Er konte es
aber dennoch nicht laſſen, bey dieſer guten Gelegenheit, unterweilen ſei-
ne Spitzbuben-Griffe zu exerciren. Wie aber derſelbe merckte, daß es
auch hier nichtlange Stich mit ihm halten wuͤrde; ſo gerieth er auf den
thoͤrichten Wahn, daß man ſeiner in Franckreich ſchon vergeſſen haben
und hinfuͤro nicht mehr ſo genau nach ihm fragen wuͤrde.

Allein Cartouche hatte ſich in ſeiner Rechnung betrogen. Niemals
war ſo ſcharff nach ihm gefraget worden, als da man nicht wuſte, wo er ei-
gentlich hingerathen waͤre. Man hatte ſich indeſſen ſo wohl zu Paris,
als auch an andern Orten, einer ziemlichen Anzahl von ſeinen Camera-
den bemaͤchtiget, die theils durch die Tortur darzu waren genoͤthiget wor-
den, theils auch freywillig vieles von Cartouche ausſageten, wodurch die
Obrigkeit deſto emſiger gemachet wurde, des Cartouche habhafft zu wer-
den. Jndeſſen ſuchte man das Diebs- und anderes gottloſes Geſindel

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Zitationshilfe: [N. N.]: Der berühmte Ertz-Dieb und Strassen-Räuber Cartouche. Leipzig, 1722, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oa_cartouche_1722/10>, abgerufen am 25.04.2024.